Debatte Urheberrecht: Sechs Prozent plus Steuern
Das Problem ist nicht neu. Außerhalb des Netzes regeln wir es jeden Tag, wenn es um Wohnungen, Architekten und Käufer geht, recht klug.
E inst war das Internet mit der Utopie angetreten, Wissen und Wohlstand durch das Beseitigen unproduktiver Transaktionskosten zum Blühen zu bringen. Im Internet sind Produzenten und Konsumenten von realen wie geistigen Produkten nur noch einen Mausklick voneinander entfernt. Eigentlich die ideale Voraussetzungen für eine beidseitig vorteilhafte Geschäftsbeziehung – zum Nachteil nur für die Dienstleister und Profiteure dazwischen.
Beispielsweise haben Zeitungen vor der Erfindung des Internets üblicherweise halb und halb Einnahmen aus Werbung und aus dem Verkauf erzielt, andererseits aber deutlich über die Hälfte der Ausgaben für Druck und Vertrieb aufwenden müssen. Wenn diese Kosten dank des Internets wegfallen, sollte man meinen, dass es sich ökonomisch rechnet, Zeitungen im Internet kostenlos zu vertreiben, ohne an der Bezahlung der Autoren zu sparen. Die Realität ist weit davon entfernt.
Tatsächlich haben sich im Bereich zwischen Produzenten und Konsumenten seit massenhafter Nutzung des Internets florierende Unternehmen mit monopolartigen Strukturen herausgebildet, während sich die beiden Hauptakteure der Wirtschaft in einem destruktiven Streit gegenseitig für grassierende Fehlentwicklungen verantwortlich machen: Die Einkommen der Produzenten von geistigem Eigentum sinken kontinuierlich, was an der fehlenden Moral und der Kostenloskultur im Internet läge, indessen der Zugang zu den Produkten geistiger Arbeit immer unfreier wird und mittlerweile ein juristisches Minenfeld nicht nur den Konsum, sondern auch die Erschaffung neuer Ideen und Produkte behindert.
ist freier Wissenschaftsphilosoph und -historiker und lebt in Berlin. Unter anderem erschien von ihm: „Die Methode des Gedankenexperiments“, Suhrkamp Verlag 2005.
Die Probleme sind nicht neu. Es lohnt ein Blick auf die Lösungsideen, die sich in jahrhundertelangen Debatten zu den vergleichbaren Problemen mit traditionellen Formen von Eigentum herausgebildet haben. Zum Beispiel von Immobilieneigentum. Einerseits ist Wohnraum – so wie der freie Zugang zu Wissen, Bildung und Kultur – ein Menschenrecht. Andererseits arbeiten (auch) die Produzenten von Wohnraum nicht als ehrenamtliche Menschenfreunde, sondern hauptsächlich für den Profit. Trotzdem dürfte es die Verfechter von strengen Copyrightgesetzen, die das materielle Eigentum als Vorbild für die Rechtsform des geistigen Eigentums anpreisen, verblüffen, wie reglementiert der Immobilienmarkt selbst in einer freien Marktwirtschaft wie Deutschland ist.
Rechtliche Begrenzung
Um das Spannungsverhältnis zwischen notwendiger Profitabilität und sozial gerechter Verteilung von Immobilien zu entschärfen, wurden nicht nur der Mieterschutz, das Wohngeld und die Grundsteuer erfunden, sondern insbesondere auch ein Marktinstrument, dessen analoge Anwendung auf den Handel mit geistigem Eigentum die aktuellen Probleme effektiv beseitigen könnte: die rechtliche Begrenzung von Maklerhonoraren.
Wer als Vermittler zwischen Eigentümer und Käufer von Wohnraum auftritt, darf ein Honorar von maximal 6 Prozent (plus Mehrwertsteuer) des Kaufpreises verlangen, womit auch sämtliche Unkosten und Vorleistungen abgegolten sind. Ohne Zweifel, in einem unregulierten Markt könnten Makler sehr viel höhere Honorare realisieren. Aber trotz dieser Deckelung ist der Berufsstand der Makler nicht von Armut bedroht. Und würde man dieses Markthemmnis wegliberalisieren, käme es zwar zu einer explosionsartigen Vermehrung von Makleragenturen, aber nicht zum Bau einer einzigen zusätzlichen Wohnung.
Mein Vorschlag ist, diese bewährte und gerechte Honorarbegrenzung auf sämtliche Geschäftsformen, die wie Immobilienmakler nur mit Rechtstiteln und dem immateriellen Informationstransfer handeln, zu verallgemeinern. Also auch bei jeder Verwertung von geistigem Eigentum sollten zukünftig nur noch höchstens 6 Prozent zu dem Geldbetrag, der vom Endnutzer an den tatsächlichen Schöpfer eines Werks bezahlt wird, als Honorar für sämtliche dazwischenliegenden Dienstleister aufgeschlagen werden dürfen. Oder umgekehrt: Wann immer ein Rechteverwerter hundert Euro einnimmt, muss er gut 94 Euro an den tatsächlichen Urheber abführen, der das geistige Eigentum an seinem Werk naturgemäß unveräußerlich besitzt und nur konkrete Nutzungsrechte vermarkten kann.
Niemand, der für eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage von Autoren, Künstlern und Erfindern eintritt, wird diesem Vorschlag widersprechen können, ohne in den Verdacht zu geraten, in Wirklichkeit ganz andere, der Kreativwirtschaft fremde Interessen zu verfolgen.
Tatsächlich wird – so radikal diese Honorarbegrenzung verglichen mit den gegenwärtigen Profitmargen der Verwerterindustrie erscheinen mag – durch diesen Vorschlag keine einzige seriöse Geschäftsidee behindert oder unrealisiert bleiben. Angesichts der sehr geringen Transaktionskosten im Internet lassen sich auch mit einer 6-Prozent-Marge fantastische Profite erzielen. Und für klassische Verlage würde sich sowieso nichts ändern, weil am Preis eines gedruckten Buchs der Wertanteil des geistigen Eigentums des Schriftstellers nur einen Bruchteil ausmacht.
Problem der Abmahnindustrie
Aber nicht nur Kreative, auch die Konsumenten profitieren von dieser 6-Prozent-Regel. Zwar bliebe Raubkopieren weiterhin strafbar, aber bei der Umsetzung der Copyrightgesetze wird sich zwangsläufig Augenmaß und Verhältnismäßigkeit einstellen, wenn die Verwertungs- und Abmahnindustrie, die sich dank der heute exorbitanten Margen parasitär zwischen Produzenten und Konsumenten von geistigem Eigentum gezwängt hat, auf ein volkswirtschaftlich gesundes Maß zurückgestutzt wird.
Wenn Anwalts- und Verfahrenskosten nur bis zu einem maximal 6-prozentigen Aufschlag zu der gerichtlich festgelegten Schadenssumme erstattet werden, behindert das die Verfolgung von kommerziellen Raubkopierern nicht. Aber bei privaten Kleinverstößen würde sich der juristische Aufwand nur lohnen, wenn der tatsächliche Urheber des raubkopierten Werks persönlich und auf eigenes Gerichtsrisiko die Initiative ergreift.
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