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Debatte Unterbringung in der PsychiatrieDie Freiheit zum Darmtumor

Kommentar von Tom Bschor

Nach einem Karlsruher Urteil dürfen Ärzte Patienten nicht mehr gegen ihren Willen behandeln. Selbst Krebskranke werden jetzt entlassen.

Ein bißchen nackt auf der Straße tanzen? – Im Betreuungsrecht geht es um etwas anderes. Bild: nurmalso/photocase.com

I n den Kinos läuft derzeit ein Horrormärchen mit Nina Hagen. In einem Werbespot des Berliner „Landesverbands Psychiatrie-Erfahrener“ tanzt ein nacktes Paar auf der Straße Walzer. Vorbeikommende Spießer rufen die Polizei, die beide in eine Klinik verbringt, wo sie festgebunden werden und gegen ihren Willen eine Spritze erhalten. Dann taucht Nina Hagen im Bild auf und wirbt für Patientenverfügungen: „Geisteskrank? Ihre eigene Entscheidung!“

Dabei hat das Märchen mit unserer Rechtslage und -praxis nichts zu tun. Niemand darf wegen Nackttanzen eingesperrt werden. Alle Ärzte und Richter, die ich kenne, würden dies ablehnen. Und zwar zu Recht.

Im Juni hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit einem Urteil die Situation juristisch weiter erschwert. Die Behandlung eines psychisch Kranken kann seitdem gegen seinen Willen nicht mehr angeordnet werden. Die Bestimmungen des Betreuungsrechts seien zu vage, um den hohen Anforderungen für einen so gravierenden Eingriff in die persönliche Freiheit zu genügen, so der BGH.

Eine solche Unterbringung nach dem Betreuungsrecht ist nicht mit einer forensischen Unterbringung von psychisch kranken Straftätern zu verwechseln. Die Behandlung erfolgte vielmehr bislang in normalen psychiatrischen Abteilungen von Allgemein- oder Fachkrankenhäusern, wenn ein dringender Behandlungsbedarf besteht, der Erkrankte sich selbst oder andere gefährden könnte und aufgrund der psychischen Erkrankung nicht mehr in der Lage ist, die Notwendigkeit der Behandlung zu erkennen. Die Unterbringungsdauer beträgt meistens ein bis vier Wochen.

Bedrohliche innere Stimmen

Das BGH-Urteil: ein Sieg für die Freiheit und das Recht, anders oder verrückt zu sein? Nina Hagen würde dies vermutlich bejahen. In meiner Arbeit sehe ich dagegen die Schwierigkeiten, die die neue Rechtsprechung für die Patientengesundheit mit sich bringt. So kenne ich viele Menschen, die erst zu spät eine psychiatrische Behandlung gesucht haben, etwa einen Vater mit schwerer Depression, der erst therapiert wurde, nachdem er sich durch einen Fenstersprung selbst töten wollte. Nun ist er querschnittsgelähmt.

Der Autor

Tom Bschor ist Chefarzt der Abteilung Psychiatrie der Schlosspark-Klinik in Berlin, ein Allgemeinkrankenhaus mit allen wichtigen klinischen Abteilungen. Acht Prozent der Patienten seiner Abteilung werden gegen ihren Willen aufgenommen.

Eine Besonderheit psychischer Erkrankungen ist, dass der Betroffene sie mitunter als solche nicht mehr erkennen kann. So wurde ein 52-Jähriger zu uns gebracht, weil sich die Hausbewohner zunehmend vor ihm ängstigten. Er hatte sich mit einem Stock bewaffnet und nächtelang extrem laut das Radio aufgedreht. In einem Verfolgungswahn glaubte er, die Nachbarn wollten ihn töten. Mit dem Radio kämpfte er gegen innere Stimmen. Der Richter sah wegen der Bewaffnung eine akute Gefährdung und ordnete den Aufenthalt im Krankenhaus an.

Unter Bezug auf das BGH-Urteil untersagte er aber zugleich eine Behandlung ohne Zustimmung des Patienten. Ein Behandlungsversuch mit einem antipsychotischen Medikament hätte eine Chance geboten, dass unser Patient sich von seinem Wahn distanziert. Trotz intensiver Gespräche gelang es uns nicht, ihn für eine freiwillige Medikation zu gewinnen. Ungeachtet des Unterbringungsbeschlusses haben wir uns entschieden, den Patienten zu entlassen. Bloßes Einsperren ist inhuman, kommt einer Gefängnisstrafe gleich und ist mit einer ärztlichen Grundhaltung nicht vereinbar – ein Rückfall in die Verwahr-Psychiatrie.

Hand ab mit der Kreissäge

In einem anderen Fall haben wir einen Patienten mit Demenz trotz Unterbringungsbeschluss entlassen, da es uns nicht gelang, ihn von der Notwendigkeit zu überzeugen, einen Darmtumor operieren zu lassen. Auch hier hatte das Gericht mit Verweis auf den BGH eine Behandlung untersagt. Ein letztes Beispiel: Eine Studentin Mitte zwanzig hatte erstmals eine Psychose entwickelt und sich mit einer Kreissäge selbst die Hand abgesägt. Geisteskrank – Ihre eigene Entscheidung?

Welche Freiheit verteidigt Nina Hagen? Es liegt im neoliberalen Trend der Zeit, der individuellen Freiheit zulasten übergeordneter Interessen ein immer größeres Gewicht beizumessen. Freiheit und Selbstbestimmung haben aber innere Voraussetzungen. Philosophie und Rechtswissenschaft unterscheiden den „freien Willen“ vom „natürlichen Willen“. Der unmittelbar geäußerte „natürliche Wille“ ist nicht immer kongruent mit dem freien Willen, der den eigentlichen und konstanten Zielen des Menschen folgt. Bei den meisten zielt er unter anderem auf Wohlbefinden und ein Leben in Sicherheit. Freie Willensbildung erfordert ein hohes Maß an Intelligibilität (Rationalität), Authentizität und der Fähigkeit, zwischen verschiedenen Alternativen auswählen zu können.

Psychische Krankheiten wie Verfolgungswahn können dies beeinträchtigen. Es ist häufig primär die Krankheit, die unfrei macht, nicht die Behandlung. Bei einem fiebernden Kind, das nicht in die Klinik will, entscheiden wir mit geringerem Zweifel gemäß dem freien und nicht dem natürlichen Willen des Kindes.

Bundestag ist gefordert

Freiheit und Verantwortung gehören zusammen. Psychisch Kranke sich selbst zu überlassen kann auch Ausdruck gesellschaftlicher Ignoranz sein. Wir überfordern Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen, wenn wir ihnen allein die Verantwortung für sich selbst zuschreiben. Die Kliniken laufen Gefahr, einen kranken, aber ablehnenden Patienten zu leichtfertig wegzuschicken. Die Mitarbeiter ersparen sich undankbare Auseinandersetzungen, juristischen und bürokratischen Aufwand und ein ungutes Gefühl.

Ein Zwang zur Normalität ist abzulehnen. Der „glückliche Verrückte“ muss sein unkonventionelles Leben führen dürfen. Leider ist dies jedoch mehr Romantik als Realität. Psychische Erkrankung geht meist mit innerer Qual und manchmal auch Gefährdung Dritter einher.

Der Bundestag muss die entstandene Regelungslücke schließen. Eine undankbare Aufgabe für Politiker, die mit dem Thema Zwangsbehandlung riskieren, entweder der Fraktion „Repressive Psychiatrie alten Stils“ oder der Fraktion „Unbehandelte psychisch Kranke werden auf unsere Kinder losgelassen“ zugeordnet zu werden. Solange Unterbringung rechtlich möglich sein soll, muss auch Behandlung ermöglicht werden.

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35 Kommentare

 / 
  • B2
    BVerfG 23.3.11

    Es ist überraschend wie wenig den Ärzten die Rechtslage der Unterbringung und Zwangsbehandlung bekannt ist.

    Nicht das Vermuten einer Gefahr, das Helfen wollen müssen, die rührenden Fälle wo Hilfe starke Besserung und keine Hilfe starkes Unglück gebracht hat oder die tollen Medikamente die wir haben und die hier soviel Gutes bewirken könnten ist vom Gesetzgeber als Grund zur geschlossenen Unterbringung zur Bewahrung von erheblicher gesundheitlicher Schäden, geschweige denn einer Zwangsbehandlung, anerkannt.

    Ausschließlich der direkte Nachweis der aus einer Situation sich ableitenden KONKRETEN UND ERHEBLICHEN GESUNDHEITLICHEN GEFÄHRDUNG -also keine Mutmassungen- ist zureichend. Ausserdem muss die freie Willensbildung krankheitsbedingt zweifelsfrei aufgehoben sein.

    Und wenn der Grund der derzeitigen Situation -nämlich das BVerfG Urteil vom März 23.3.11- endlich Beachtung und ANwendung finden würde dann hätten die Patienten ENDLICH die ihnen nach Grund Gesetz zustehenden Rechte und nicht die gewohnten -ärztlich befürworteten- Zwangsmassnahmen.

  • P
    Patientenfront

    es kommt gleich ein überarbeiteter leserbrief 4you!

    der alte von gestern, den ich euch geschickt habe, ist unvollständig/hinfällig

    i.A. patientenfront

  • G
    gegen-stimmen.de

    Gestern (8.11.) hat das Bundeskabinet eine "Formulierungshilfe zur Regelung der betreuungsrechtlichen Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme" verabschiedet: Sie soll dafür sorgen, dass "tanzende Nackte" bald wieder wegen "fehlender Krankheitseinsicht" und "Eigen- und Fremdgefährdung" eingesperrt und von Bschor & Kollegen so lange systematisch misshandelt und in den Wahn getrieben werden, bis wirklich jede Hilfe zu spät kommt!!!

  • RW
    Ralf Wieland

    Dieser Artikel ist ein Meisterstück psychiatrischer Täuschung und Propaganda. Er behauptet, der Werbespot für eine Patientenverfügung (PatVerfü), die psychiatrische Zwangsmaßnahmen untersagt, sei ein "Horrormärchen", weil niemand wg. Nackttanzens eingesperrt würde.

     

    Der Märchenerzähler, der den TAZ-Lesern reihenweise Unwahrheiten auftischt, ist allerdings Herr Bschor selbst. Im Film geht es nicht um Nacktheit in der Öffentlichkeit und ihre Folgen, sondern daraum, dass a) ein Psychiater eine Person, die keine Straftat begangen hat, zu Freiheitsentzug verurteilen und einsperren kann (zunächst auch ganz ohne Richter), dass b) er und sog. Pflegepersonal gegen diese unschuldige Person ungestraft Gewalt anwenden können und dass c) diese Person sich vor solch einem Zugriff mit einer Patientenverfügung wie der PatVerfü schützen kann.

     

    Das sind keine Märchen, sondern Tatsachen, die Herr Bschor – wie könnte es bei dem Leiter einer psychiatrischen Abteilung auch anders sein – bewusst verschweigt, um seine Denunziation von individueller Freiheit und persönlicher Verantwortung plausibel erscheinen zu lassen. (Er und seine Psychiaterkollegen bezeichnen solches Verhalten gerne als Wahn und Realitätsverkennung.) Sie zeigt sich am deutlichsten und gipfelt in folgendem Satz: "Es liegt im neoliberalen Trend der Zeit, der individuellen Freiheit zulasten übergeordneter Interessen ein immer größeres Gewicht beizumessen."

  • RW
    Ralf Wieland

    "Es liegt im neoliberalen Trend der Zeit, der individuellen Freiheit zulasten übergeordneter Interessen ein immer größeres Gewicht beizumessen."

     

    Die Aussage ist nicht nur falsch, denn die Einschränkungen individueller Freiheit durch die Ausweitung staatlicher Eingriffsmöglichkeiten in individuelle Lebensentscheidungen werden in den westlichen Gesellschaften nicht weniger, sondern breiten sich im Gegenteil immer stärker aus. Bschor verschweigt hier vor allem, worum es sich bei den "übergeordneten Interessen" handelt. Täte er es, wäre auch dem letzten Leser deutlich geworden, dass wir es hier mit einem beinharten Vertreter des "Therapeutischen Staates" zu tun habe, wie der kürzlich verstorbene amerikanische Psychiatriekritiker Thomas Szasz eine Gesellschaft nennt, in der Ärzte und Wissenschaftler vorgeben, was Gut und Böse, Richtig und Falsch ist, und die mit ähnlich großer Machtfülle ausgestattet sind, wie der Klerus im Theologischen Staat.

     

    Dass es Bschor um seine ganz eigenen Macht- und ökonomischen Interessen geht und nicht um die Interessen derjenigen, um deren Wohl er sich angeblich so große Sorgen macht, beweist er nicht zuletzt mit der Behauptung, der BGH habe mit seinen Urteilen "die Situation juristisch erschwert". Das ist falsch. Genauso falsch, wie die von psychiatrischen Propagandastellen wie der DGPPN verbreitete Behauptung, durch die Urteile sei jetzt Rechtsunsicherheit entstanden.

     

    Richtig ist dagegen: Die Situation hat sich dramatisch verbessert für diejenigen, die sich bisher nur mit einer Patientenverfügung vor unerwünschten psychiatrischen Behandlungen schützen konnten. Und richtig ist, dass dadurch erstmals für die von Zwang und Gewalt Betroffenen und Bedrohten Rechtssicherheit entstanden ist. Jetzt ist es amtlich: Zwangsbehandlung hat keine Rechtsgrundlage (und hatte sie nie), ist deshalb verboten und kann ab sofort als Körperverletzung bestraft werden.

     

    Das ist in der Tat ein Sieg für individuelle Freiheit und Rechtsstaatlichkeit.

  • A
    Andreas

    Blablablabla - Wer noch nie eine geschlossene Station als PatientIn oder PflegerIn von Innen gesehen hat, muss in dieser Debatte sowieso die Fresse halten. Die Meinung von Erfüllungsgehilfen und Vollstreckungsbeamten im weißen Kittel interessiert höchtens die entsprechenden Lohnschreiber und das dazugehörige sensationsgeile Bürgerpack, die das in ihren Kleinfamilienoasen nebenbei gelangweilt beim Latte gouitieren, um sich zu Gruseln. Genaugenommen gilt das auch für jeden Kommentar hier zu solchen Debatten.

     

    Zum Gruseln:

    Wenn ein Stock mittlerweile bereits schon als "Bewaffnung" ausreicht, um dafür als spätere Begründung eingeliefert zu werden, während gleichzeitig woandees RentnerInnen auf offener Straße zusammengeschlagen, Frauen und Schwule in U-Bahnen unwidersprochen bespuckt und kleine Kinder in Schultoiletten während der Schulzeit vergewaltigt werden können, dann haben die Herrschaften den Schuss anscheinend nicht gehört.

  • AS
    Andrzej Skulski

    Kein Irrtum ist groß genug, um nicht selbst unter den fähigsten Männern Verteidiger zu finden. Lord Acton (1834-1902), »Democracy«

  • A
    and

    Ich finde den Artikel im großen und ganzen gut und differenziert. Ich denke, das Hauptproblem ist, dass es im Moment bei dem Wissensstand der Wissenschaft und somit der Beschränktheit der Methoden und Behandelnden einfach oft genug nicht (früh genug) möglich ist, zu sehen, was die Ursache(n) und entsprechend die Lösung(en) individueller psychischer Probleme sind.

     

    Mit der o.g. Beschränktheit der Methoden und Behandelnden meine ich, dass so wie ich das sehe, weder Laien noch Profis psychiatrische Fälle in jedem Fall und vor allem sofort verstehen können. Das macht den Umgang damit so schwierig.

     

    Ich denke, wir müssen damit leben, wie in anderen Bereichen des Lebens auch, dass wir uns einer optimalen Lösung nur so gut wie möglich annähern können. Extrempositionen sind wie ebenfalls in anderen Bereichen nicht hilfreich und vor allem nicht realistisch.

     

    Diese Begrenztheit unseres Wissens kann im Einzelfall bedeuten, dass dieser genau falsch beurteilt wird mit potentiell desaströsen Folgen für den betroffenen Menschen. Dies kann ein zerstörtes Leben durch Psychopharmaka sein oder ein zerstörtes Leben durch nichtbehandelte Krankheit.

     

    Ich glaube es gibt dafür, zumindest im Moment, keine Lösung. Und ich denke und hoffe, für alle die damit zu tun hatten oder haben, ist es sehr schwierig, mit dieser Unmöglichkeit des richtigen Tuns umzugehen.

     

    Deshalb ist es aus meiner Sicht das wichtigste, die Probleme und Krankheiten noch besser zu erforschen und zu verstehen. Und das meine ich weniger pharmakologisch als psychologisch, psycho-pathologisch und vor allem ganzheitlich. Da gibt es noch einiges, was von den Fachpersonen und -institutionen besser verstanden und umgesetzt werden kann. Um eine weitere Annäherung an ein optimales Umgehen mit der Problematik zu ermöglichen.

  • GS
    größer, schneller, breiter

    Daß hier so heftig diskutiert wird, beruhigt mich.

     

    Und plakativ ist das ganze sicher nicht zu beurteilen.

     

    Ich habe einen tief sitzenden Argwohn Ärzten gegenüber, die immer genau wissen, was richtig ist.

     

    Das ist ein Zeichen von Dummheit.

     

    Psychische Erkrankungen haben komplexe Usachen und natürlich ist es für das Krankenhaus einfacher und billiger, medikamentös zu agieren.

     

    Und wenn das nicht geht, dann entläßt man sie einfach.

     

    Ja, sehr einfach, Herr Doktor.

     

    Das Medizin Studium gehört dringend und grundlegend verändert, im Sinne des Menschens, nicht im Sinne von größer, schneller, breiter.

  • G
    Gast00

    Zwangsbehandlung psychisch Kranker Menschen stellt eine Diskriminierung gegenüber anderen Patienten dar, denen das Recht auf Einwilligung oder Ablehnung von Behandlungen zugebilligt wird, egal ob sie sich selbst gefährden oder nicht. Sie verstößt damit gegen Diskriminierungsverbote und Menschenrechtsnormen, unter anderem Artikel 25 (d) UN-Behindertenrechtskonvention, die seit 2009 in Deutschland den Rang eines Bundesgesetzes hat.

     

    Übereinkommenüber die Rechte von Menschen mit Behinderungen/Artikel 25 -Gesundheit:

    "Insbesondere

    d) erlegen die Vertragsstaaten den Angehörigen der Gesundheitsberufe die Verpflichtung auf, Menschen mit Behinderungen eine Versorgung von gleicher Qualität wie anderen Menschen angedeihen zu lassen, namentlich auf der Grundlage der freien Einwilligung nach vorheriger Aufklärung (...)"

  • AS
    Andrzej Skulski

    Lieber Autor... Aber die Zeit "Eurer Wissenschaft" ist doch so offensichtlich um. Gott sei Dank hat dieses eklige Geheule auch einen guten Zweck erfüllt: Information über die schlaue Patientenverfügung "PatVerfü"... Dafür grosser Dank :)

     

    A propos! Kennen Sie den? ;) "Kein Irrtum ist groß genug, um nicht selbst unter den fähigsten Männern Verteidiger zu finden." Lord Acton (1834-1902), »Democracy«.

  • UV
    und vom ewig psychisch Kranken

    "„Unbehandelte psychisch Kranke werden auf unsere Kinder losgelassen“"

     

    Das sagt alles über Sie und welche Vorurteile Sie als Psychiater hier zu ihrem eigenen Vorteil als selbstversorgender Versorger und Nutznießer des Zwanges schüren wollen,

    Herr Bschor!

     

    Schämen Sie sich!

     

    "auf unsere Kinder losgelassen"

     

    Pfui! Sie Aufwiegler, Sie! Pfui!

     

    Vielleicht sollte man Sie wegen Volksverhetzung anzeigen?

  • A
    Anne

    Es ist die Frage was die Stimmen sagen, die gehört werden? Wird ja nich automatisch ne Einweisung erfolgen? Wenn da z.B. weder Selbsttötung oder eben die der Mitmenschen "gehört" wird, dann z.B. wird es diffizil. Also keine Eigen- oder Fremdgefährdung vorliegt. Es ist bei aller Kritik zu Bedenken, dass gewisse in der Psychose/ Depression getroffene "Entscheidungen" unumkehrbar sind. Und die Richter werden lernen- hoffentlich mit diesem Thema entsprechend umzugehen, dass sie nun entscheiden müssen- Medikation ja oder nein. Denn nur "festhalten" finde ich nicht grad human. Und bei demenzieller Erkrankung- und Darmtumor- klar entlassen, wenn es keene Zustimmung zur OP gibt. Wohl dem, der das geregelt hat, falls keiner da ist, der stellvertretend sprechen kann für den Betroffenen. Denn das ist wirklich sehr diffizil und reicht seehr sehr weit in die Ethikdebatte hinein. (die sich sehr verändert hat in den letzten Jahren- wie invasiv wird z.B. Leben verlängert) .

  • N
    Name

    Sehr guter Artikel, ich kann dem nur zustimmen.

     

    Freiheit wird dann schwierig, wenn der Betroffene alleine nicht mehr mit seinem Leben zurecht kommt.

     

    Ich habe eine Zeit lang in der Behindertenpädagogik gearbeitet. Man könnte nun genauso sagen, dass man die behinderten Menschen einfach selbst entscheiden lässt, ob sie in einer betreuten Einrichtung wohnen, oder nicht. Und es gäbe sicherlich nicht wenige, die lieber selbstständig wohnen würden!

    Diese Menschen sind aber geistig auf dem Niveau von Kindern "stehen geblieben". Dabei gibt es viele Abstufungen, ab einem IQ unter 70 spricht man von geistiger Behinderung. Auch wenn es schön wäre, wenn es anders wäre: diese Menschen können leider nicht selbstständig für ihr Leben sorgen, und werden es niemals können.

     

    Natürlich sind psychische Erkrankungen etwas anderes als eine geistige Behinderung, und im Unterschied dazu sind sie zumindest teilweise heilbar.

    Aber in dem Punkt ist die Problematik die Selbe: Psychisch schwer erkrankte Menschen sind nicht mehr selbstständig fähig, für ihr Leben zu sorgen, und brauchen deshalb Hilfe von außen.

  • DP
    Danke PatVerfü und Nina

    Den Vorrednern "Einsperrung PLUS Zwangsbehandlung" und "rene talbot" ist im Prinzip nichts hinzuzufügen.

    Bleibt nur noch, abermals den Kopf zu schütteln darüber, dass sich Menschen immer wieder die extreme Dreistigkeit herausnehmen, zu behaupten, sie könnten beurteilen, ob der Wille und die Entscheidung eines Menschen frei sei oder nicht.

    Und zu meinen, alles kontrollieren zu können. Ein Irrglaube! Auch der Zwangspsychiatrie wird das letztlich nicht gelingen.

    Sie müßten da schon die ganze Bevölkerung unter Schutzhaft nehmen.

    Das Verhalten von Menschen ist nicht voraussagbar. Da glaube ich noch eher einer Tarotkartenlegerin als einem Psychiater.

     

    Geisteskrank? Selbstverständlich die eigene Entscheidung! PatVerfü schützt in diesen Zeiten!

  • L
    lowandorder

    @von simona:

    Sehr guter Artikel, erschütternd dämliche Kommentare, die sogar an so simplen Dingen wie Textverständnis scheitern. Vermutlich lauter Betroffene, was die komplexe Problematik nicht einfacher macht."

     

    Starker Tobak. Aber leider keine Agumente.

    Daß Herr Broms das angzogene Urteil des BGH schlicht nicht verstanden, wenn denn überhaupt gelesen hat, liegt doch auf der Hand.

    So abwegig argumentiert ja nicht mal Herr Falkai ( s.u.) " wird kompliziert!";

    und dessen Ansinnen an die zuständigen Richter ist doch schon abartig genug.

     

    Sorry - aber Totschlagargumente führen da nicht weiter.

    Hingegen möchte ich ihre Beweggründe lieber gar nicht erst näher kennen lernen.

    Humanität, Respekt und Menschenwürde sind ganz offensichlich sachlich wie auch in ihrem Wortschatz nur schwer zu orten.

  • S
    Sascha

    Guter Artikel.

     

    Leider behindert das BGH Urteil eben auch gesetzliche Betreuer.

     

    Vor dem Urteil war es noch möglich Personen die an Verfolgungswahn leiden oder andere psychische Leiden haben eine Zwangsmedikamentation zu verabreichen. Bis sie wieder ihre Psychosen unter Kontrolle haben.

     

    Und die Medikamentation erfolgte dann auch nur wenn Arzt, Richter und gesetzlicher Betreuer sich einig waren, dass die Zwangsmedikamentation nötig ist.

     

    Tja und nun ist es halt so, dass man als Sozial Arbeiter zusehen muss, bis etwas mit dem Betreuten passiert und er dann wirklich eingesperrt werden muss (weil er eine Straftat begangen hat.) Oder schlimmeres passiert.

     

    Und wegen Nackt sein auf der Straße bekommt man höchstens eine Anzeige wegen Erregung öffentlichem Ärgernisses.

  • EP
    Einsperrung PLUS Zwangsbehandlung

    Sehr geehrter Herr Chef"arzt" Bschor.

     

    Sie schreiben:

    "Bloßes Einsperren ist inhuman, kommt einer Gefängnisstrafe gleich und ist mit einer ärztlichen Grundhaltung nicht vereinbar"

     

    "Bloßes Einsperren ist inhuman".

    Aha.

    Und zwangsbehandelt, also körperverletzt man einen nicht straffällig gewordenen "Patienten" dann noch zusätzlich, wird aus dem Einsperren eine humane Handlung?

     

    Fällt Ihnen was auf?

    Das meinen Sie doch nicht ernst, oder?

     

    Mit Vorzüglicher Hochachtung

     

    Einsperrung PLUS Zwangsbehandlung

    Freiheitsberaubung PLUS Körperverletzung

  • RT
    rene talbot

    Niemand hindert den Herrn Dr. Tom Bschor daran, wenn ER zwangsbehandelt und eingesperrt werden will, dies mit einer Patientenverfügung vorab positiv zu legalisieren.

    Aber darum geht es ihm ja nie und nimmer, er will ANDERE so misshandelt sehen, er will selbst weiter so misshandeln können dürfen. Dafür, für dieses widerliche Geschäft, will er die staatliche Lizenz durch ein grundgesetzwidriges Gesetz haben!

     

    Deshalb tischt er hier auch die Lüge auf, dass man wegen Nackttanzen nicht gewaltsam von der Straße in die Psychiatrie verfrachtet werden könne. Mit derselben Lüge hat die Psychiatervereinigung DGPPN die Aktion Mensch eingeschüchtert, und hier kann man nachlesen, wie in der Presse genau darüber reihenweise berichtet wurde:

    http://www.zwangspsychiatrie.de/2012/04/warum-der-patverfue-spot-einen-neuen-abspann-erhalten-hat

    Das weiss der Herr Doktor und lügt so ganz einfach dreist sich die Welt zurecht wie es seinen Machtgelüsten gefällt - eben ein Psychiater.

    rene talbot

  • H
    Hugissimo

    Totale Heuchelei, was hier vorgegeben wird. In der Praxis ist es so, dass man jeden Menschen so weit kriegt, dass man die anomyme Allgemeinheit zukünftig vor ihm/ihr beschützen muß. Das ist eine reine Frage der Organisation und Intrige. Ob politisch oder nicht, es gibt nicht nur DDR-Oppositionelle, die heute psychiatrisch kaltgestellt sind, es gibt auch die privat oder kommunal intrigierte Psychiatrisierung, die in erster Linie auf den Grund- und Wohnbesitz des "Patienten" abzielt. Man muß diese Leute auch nicht unbedingt in Pflegeheimen oder psychiatrischen Kliniken suchen, das funktioniert in der eigenen Wohnung, wenn Amts- und Hausarzt oder Pflegekraft in die Intrige eingebunden sind. Und zwar bis zum letzten Atemzug. Man sagt zwar immer, Mord is was anderes, aber Siechtum ist Siechtum. Patientenverfügung hilft auch nicht weiter, die hat ein Arzt gesehen oder auch nicht. Jetzt kommen Sie bloß nicht mit dem Vorschlag, einen Anwalt aufzusuchen...

  • SD
    sich die Augen reibend

    Was will der Autor uns damit sagen?

    >ironie anfang<

    -Es ist gemein, dass sich Ärzte genauso wie andere, bspw. Kfz-Mechaniker/Installateure u.ä., verantworten müssen und eventuell belangt werden könnten!

    -Die "bösen, nervenden" Patienten lassen sich nicht alle mit der Chemiekeule behandeln, damit die Ärzte ihre Privatpatienten in Ruhe versorgen können!

    -Wie, die wollen womöglich eine Thearpie ... mit Gesprächen und so?

    -Dabei unterstüt uns doch die Pharma-Industrie so nett und dreht Pillen für jedes Wehwehchen. Ok., die Lebensqualität von vollgedröhnten Pat. verschlechtert sich durch die Nebenwirkungen,...na und?

    -Solche Sch...-Kassenpatienten sollten auf ihre individuellen Rechte verzichten und ein wenig Rücksicht darauf nehmen, dass die Mitgliedschaft im Golfclub auch bezahlt werden muss, gefälligst ihre Pillen schlucken und keinen mehr nerven.

    >ironie ende<

    Hier einige Ungereimtheiten zu den anderen, die vorherige Leser schon angemerkt haben:

    -Wie kann es sein, dass ein Demenz-Kranker keinen Betreuer/Vormund/'mit Pflegschaft betrauten' haben soll?

    -Wie alt war der Demenzkranke?

    -Zu welchem Zeitpunkt der Therapie hat die psychotische junge Frau die Medikation verwehrt? Wurde mit ihr überhaupt eine nicht-medikamentöse Einzeltherapie begonnen?

    usw. usw.

    Nun zur Realität:

     

    -Was wirklich desolat ist und von einem Arzt nicht erwähnt wurde, ist die wahre Flut an Formularen und Berichten in psychatrischen Einrichtungen, die verfasst werden müssen und Therapiezeit kosten.

     

    -Die permanente Unterbesetzung von Pflegepersonal

     

    -Die Geldgier vieler (nicht aller) Ärzte und die damit verbundene Bevorzugung von Privatpat. und von Kassen vollfinanzierten Behandlungsmethoden.

     

    -Gruppentherapie und die sogenannte Chemiekeule (Medizinerjargon) sind die billigsten Methoden- deswegen bevorzugt!!

     

    -Das allerschlimmste ist jedoch der Umstand, dass Psychiater und Psychologen überhaupt keine Ahnung haben, wie die menschl. Psyche funktioniert!

    -Die Psychater können im besten Fall organische Symptome feststellen und die Psychologen lernen nur Statistiken auszuwerten. Das ist kein Witz und ist in einschlägigen Fachpublikationen nachzulesen. Nur die Öffentlichkeit darf nicht erfahren, dass diese Damen und Herren die Ursachen nicht einmal erahnen können, lediglich Symptome bekämpfen.

  • S
    simona

    Sehr guter Artikel, erschütternd dämliche Kommentare, die sogar an so simplen Dingen wie Textverständnis scheitern. Vermutlich lauter Betroffene, was die komplexe Problematik nicht einfacher macht.

  • C
    cirrusMinor

    Ein Mensch, der auf Grund einer psychischen Erkrankung sich und/oder andere gefährdet und nicht mehr erkennen kann, dass er erkrankt ist, darf also richterlich zum Krankenhausaufenthalt verdonnert werden aber nicht gegen seinen Willen behandelt werden?

     

    In solchen Fällen erscheint mir einen Behandlung *ohne* Einwilligung des betroffenen Menschen humaner zu sein als eine Entlassung *mit* Einwilligung. Ich bezweifle, dass das Karlsruher Urteil ein Schritt in Richtung Freiheit und Selbstbestimmung ist.

     

    Nebenbei: Wenn Nina Hagen, die schon seit Jahren den Überblick verloren zu haben scheint, Werbung für den Berliner "Landesverband Psychiatrie-Erfahrener" macht, ist das in meinen Augen Anti-Werbung. ;-)

  • F
    Franz-Johannes

    Endlich eine Zeitung, die sich des Themas widmet.

     

    Das übergeordnete Interesse kann eigentlich nur der wunsch der meisten Menschen sein, dauerhaft gesund und zumindest nicht unmittelbar lebensbedrohlich zu leben.

    Viele dieser Kranken wollen vom Staat auch eine Daseinsfürsorge ihrer Lebensgrundlagen (z.B. ALG, EU-Rente, Sozialhilfe).

    Das Bestreben einer Heilung und Rückführung in die Selbstständigkeit, soll aber kein Interesse der gleichen Gesellschaft sein??

     

    Man kann natürlich die Freiheit zu allem möglichen propagieren.

    Diese Theorie geht aber davon aus, dass der Gemeinschaft alles zuzumuten ist, dem Individuum allerdings unter keinen Umständen auch nur eine Kleinigkeit.

    Die Freiheit zur langsamen, unverantwortlichen und gesellschaftlich unverträglichen Selbstzerstörung ist m.E. jedenfalls problematisch.

    Die Psychiatrie ist in Einzelfällen problematisch. Ich habe schon viele hinein und heraus gehen sehen.

    Es war noch keiner dabei, dem es nach der Entlassung nicht wesentlich besser ging und für die Gemeinschaft wesentlich erträglicher war, als vorher.

    Psychiatrie ist auch nicht das Instrument um Blödsinn, oder gar anarchische Anflüge zu unterbinden. Psychiatrie ist Medizin zum zweck ein Leben ohne Abhängigkeiten von Halluzinationen in Selbstbestimmung zu führen.

    Es ist allerhöchste Zeit für den Gesetzgeber zu handeln.

  • JB
    Jonny B

    Ich kann beide Argumentationslinien nachvollziehen. Die das Artikelschreibers und die Kommentare. Natürlich darf Zwang nicht das Mittel zum Zweck in der Behandlung psychischer Krankheiten oder Störungen sein. Unsere Psyche ist schließlich der zentrale Kern unseres Selbst. Und natürlich gibt es auch eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung dafür, dass diese Leiden im Berufsaltag eher gefördert, als verringert werden. Aber wenn Betroffene lieber zu Opfern werden dürfen, als dass sie ihrem Arzt vertrauen sollen, hat das nichts mit Freiheit zu tun. Trotz des Einflusses der Pharmaindustrie sollte man das Urteilsvermögen gut ausgebildeter Mediziner nicht leichtdertig vom Tisch wischen. Vor meiner Therapie hätte ich mir nicht vorstellen können, jemals wieder diese Lebensqualität zu besitzen.

  • A
    AFU

    Es liegt im neoliberalen Trend der Zeit, der individuellen Freiheit zulasten übergeordneter Interessen ein immer größeres Gewicht beizumessen.

     

     

    Meint der das ernst? Hatten wir nicht schonmal ähnliche Aüßerungen???

    Ich finde das Urteil des BGH gut und richtig, gerade da viele Psychatrien privatisiert worden sind und es im Interesse der privaten Betreiber ist, dass die Belegung stimmt, damit die Aktionäre und Geldgeber auch einen schönen Gewinn einfahren können. Hier ist ein Mißbrauch vorprogrammiert.

  • A
    AFU

    Es liegt im neoliberalen Trend der Zeit, der individuellen Freiheit zulasten übergeordneter Interessen ein immer größeres Gewicht beizumessen.

     

     

    Meint der das ernst? Hatten wir nicht schonmal ähnliche Aüßerungen???

    Ich finde das Urteil des BGH gut und richtig, gerade da viele Psychatrien privatisiert worden sind und es im Interesse der privaten Betreiber ist, dass die Belegung stimmt, damit die Aktionäre und Geldgeber auch einen schönen Gewinn einfahren können. Hier ist ein Mißbrauch vorprogrammiert.

  • P
    p3t3r

    falscher artikel zu einem richtigem gesetz,

    das gesetz schütz einzelne in extrem situationen nicht gegen ihren willen, auf grund von laienangaben, ruhig gestellt zu werden!

  • L
    lowandorder

    By the way:

     

    Fragt doch mal Georg Schramm!

    Der hat schließlich mal 12 Jahre als Psychologe

    in einer Reha-Klinik gearbeitet.

    Was er mal backstage zur deformation professionell auf dem

    Psychogebiet, die Schnelligkeit ihres Auftretens und zur Selbstgefälligkeit der Protagonisten zu sagen wußte, find ich heute noch beeinduckend.

     

    Bin mir sicher: anschließend werden uns nicht zwei solch obskure Lichtgestalten

    zugemutet - bzw laßt ihr nicht so derart ungeschoren davon kommen.

  • T
    T.V.

    Die Art der Behandlung ist doch das Problem. Nicht daß ich Psychiatern mangelndes Fachwissen unterstellen möchte, aber es entsteht allzuschnell der Eindruck an den psychisch Kranken werden die neusten Pillen getestet, wenn keine Ratten mehr zu haben sind. Schöne heile Welt der Pharmaindustrie.

  • M
    Machtmissbrauch

    "Eine Besonderheit psychischer Erkrankungen ist, dass der Betroffene sie mitunter als solche nicht mehr erkennen kann."

     

    Genau das ist das Dilemma: Ärzte und Richter können sagen, dass der Betroffene nicht erkennt, dass er psychisch krank ist. Aufgrund dessen haben viele Menschen ihr Leben in Psychiatrien verbracht, weil sie politisch nicht gewollt waren, einfach nur eine andere Meinung hatten und daher als psychisch krank eingestuft wurden.

     

     

    "So kenne ich viele Menschen, die erst zu spät eine psychiatrische Behandlung gesucht haben, etwa einen Vater mit schwerer Depression, der erst therapiert wurde, nachdem er sich durch einen Fenstersprung selbst töten wollte. Nun ist er querschnittsgelähmt."

     

    Wenn Suizid-Kranke sich umbringen "möchten" bzw. den inneren Drang auch gegen ihren Verstand verspüren, schaffen sie das auch in einer Klinik! Wer weiß, ob dem Mann vorher vielleicht überhaupt zugehört worden ist. Er hat doch Karriere zu machen, die Arbeit ruft...

    Gerade in den heutigen Zeiten ist es doch unmöglich zu sagen: Ich kann nicht mehr. Dann sagen die anderen: Ach komm, das geht schon, mach mal dies und jenes. Du machst das doch alles so gut.

     

    "Hilfe" (in Form von Pillen) gibt es meist, wenn fast alles zu spät ist.

    Angesetzt werden müsste an ganz anderen Stellen in der Gesellschaft!

     

     

    "In einem anderen Fall haben wir einen Patienten mit Demenz trotz Unterbringungsbeschluss entlassen, da es uns nicht gelang, ihn von der Notwendigkeit zu überzeugen, einen Darmtumor operieren zu lassen."

     

    Sorry, aber das gefährdet doch auch niemand anderes?

    Ich möchte auch nicht gegen meinen Willen einer Krebs-OP unterzogen werden. Hätte ich alles gemacht, was Ärzte mir je empfohlen haben, wäre ich nicht ich selbst gewesen und wahrscheinlich mehrfach verstümmelt worden. Egal ob psychisch krank oder nicht.

    Einer 25jährigen zu sagen, dass sie die Gebärmutter entfernen lassen muss, wenn sie nicht verbluten möchte und auch nicht die Pille nehmen will. Ich lebe immer noch trotz starker Blutungen und habe auch (bewusst) Kinder bekommen.

    Eine Tante von mir aus den Niederlanden hat sich auch nicht einer operativen und chemischen Krebstherapie unterzogen. Sie lebte noch über 15 Jahre relativ gesund und konnte das Leben (ohne Chemo und Bestrahlung) genießen. Und wenn es nur 3 Monate gewesen wären, wäre es auch ok gewesen. Ihr Mann und ihre Kinder stehen auch zu der Entscheidung.

     

     

    Wer jemals auf einer intensiven Krebsstation gearbeitet hat weiß wie verlogen viele der Therapien sind. Die Leute werden teuer behandelt, haben zum Teil keine Lebensqualität mehr und sterben dann doch im Krankenhaus, wo sie zwischendurch noch nicht mal besucht werden können, weil die Infektionsgefahr zu groß ist.

     

     

    Klar gibt es Fälle, die wirklich für die Betroffenen und Angehörigen anstrengend und gefährlich sind. Hier sollte es tatsächlich humane "Lösungsansätze" geben.

     

    Aber ich denke, hier in Deutschland geht es erst einmal darum, den bekannten Missbrauch der Macht der Ärzte und Richter aufzudecken. Dann kann und sollte über mögliche entstandene Lücken nachgedacht werden.

     

     

    Selbst im Sorgerecht gibt es noch mittelalterliche Zustände in Deutschland, wenn Elternteile krank sind. Und auch da muss es sich nicht um eine psychische Krankheit eines Elternteils handeln.

     

    Wirkliche Hilfe zum selbständigen Leben sieht anders aus.

  • V
    viccy

    @ redaktion reaktionär

    Deine Gleichsetzung von Antipsychotika mit "Drogen" ist klischeehaft und oberflächlich. Wer es am Herzen hat und deswegen Tabletten nimmt, dem wirst Du so eine undifferenzierte Aussage doch auch nicht an den Kopf werfen.

     

    Antipsychotika bringen oftmals erhebliche Linderung und Besserung, sowohl für das Individuum als auch für die böse Gesellschaft. Das muss man mal ideologisch unbelastet so zur Kenntnis nehmen.

  • RR
    redaktion reaktionär

    "Ein Behandlungsversuch mit einem antipsychotischen Medikament hätte eine Chance geboten, dass unser Patient sich von seinem Wahn distanziert."

     

    Eine Auseinandersetzung mit dem Wahn, die sich lediglich auf die reine positive Wissenschaft beruft - eine mehr als reaktionäre position - vor allem wenn das gegen den eigenen willen unter drogen setzen als wissenschaft und heilmethode verkauft wird.

     

    richtig übel wird es dann aber an folgender stelle:

     

    "Es liegt im neoliberalen Trend der Zeit, der individuellen Freiheit zulasten übergeordneter Interessen ein immer größeres Gewicht beizumessen."

     

    ich wiederhole: ich soll meine eigene Freiheit zugunsten übergeordneter Interessen aufgeben? Wer ist dieses übergeordnete Interesse? die funktionalität des systemischen Ganzen? die Volksgesundheit?

     

    dieser Trend der Zeit von dem der Autor hier spricht beginnt glaube ich 1789 mit dem Anfang des bürgerlichen Zeitalters - der Trend ist nicht nur liberal sondern auch libertär!

    Aber kein Wunder, dass diese Worte von einem Arzt kommen, dazu ein kurzes Zitat von Castel:

     

    "Es ist kein Zufall, daß die junge Psychiatrie sich in einer institutionellen Form eingenistet hat, die ein Erbstück des politischen Absolutismus ist. Der Wahnsinnige kann seine Menschlichkeit nur durhc einen Unterwerfungsakt vor einer souveränen, in einem Menschen verkörperten Macht zurückgewinnen. ... Hier soll die Macht des Arztes vom Wissen bestimmt sein und in dem Maße als Herrschaftsprinzip verschwinden, wie der Irre seine Vernunftautonomie zurückgewinnt."

  • E
    egal

    Schlechter Artikel.

     

    auch hier: " Es liegt im neoliberalen Trend der Zeit, der individuellen Freiheit zulasten übergeordneter Interessen ein immer größeres Gewicht beizumessen."

     

    Tatsächlich im Trend liegt die Entmündigung in allen Lebensbereichen. Und die Erziehung zur Entmündigung ohne die es ja gar nicht gehen würde.

    Hier geht es um Freiheit und wenn ein Gericht diese stärkt ist das positiv.

     

    (Nein, ich verwechsel die neoliberale FDP-Politik und Entsolidarisierung nicht mit Freiheit.)

  • L
    lowandorder

    Ja geht's noch - liebe tazler?

     

    Herr Tom Bschor ist Chefarzt einer Abteilung für Psychiatrie.

    Profi in einem wahrlich schwierigen Krankheitgebiet, dessen humane Verrechtlichung seit den 70ern( in Deutschland, anderwo deutlich früher)

    Fortschritte gemacht hat

    Menschenwürde und Freiheitsrechte lassen grüßen.

     

    Nun also die Entscheidung des BGH,

    die völlig zu recht der Zwangsmedikamentierung OHNE RICHTERLICHE ANORDNUNG!!

    ein längst fälliges Ende bereitet.

     

    Herr Bscho macht einen seriöseren Eindruck als Herr Peter Falkai, Präsident der Psychiatriegesellschaft

    ( taz 18.7.2012):

    " Mit Glück sagt der Richter: Ich bin Jurist, sie sind der Arzt."

     

    Dies ist eine kaum faßbare Aufforderung, ja u.U. Nötigung des zuständigen Richters zu einer schweren Dienstpflicht- und Rechtsverletzung!

    Geht aber immerhin völlig zutreffend davon aus, daß eine Medikamentierung gegen den Willen des Patienten dennoch weiterhin möglich ist. .

    Dies aber - post BGH - einer ausdrücklichen richterlichen Anordnung bedarf!

    Herr Falkai hatte also ganz offensichtlich das Urteil zumindest gelesen und in seiner blanken Rechtsfolge auch verstanden!

     

    Schon mit seiner Überschrift

    " Nach einem Karlsruher Urteil dürfen Ärzte Patienten nicht mehr gegen ihren Willen behandeln.…"

    stellt Herr Bschor klar, wes Geistes Kind hingegen er ist.

    Die Überschrift ist so - indem sie den zweiten notwendigen Halbsatz " ohne richterliche Anordnung!" wegläßt - mit Verlaub - eine schriftliche Lüge.

     

    Der Rest a Schmarrn.

    Zeigt: Herr Bschor hat von Nina Hagen schon mal gehört.

    Und hat - oder täuscht vor(?) keine Ahnung ( zu haben).

     

    Und gern zitier ich einen Mitmusiker und frisch ausgeschiedenen Leiter einer Psychiatrie in Holland:

    " Richterentscheidung bei Zwangsmedikamentierung ist bei uns seit über 20 Jahren Pflicht. Völlig zu recht bei dem Eingriff. Läuft gut. Die Richter haben's drauf.

    - ' Ich bin Jurist, Sie sind der Arzt'-? - hä? - Glatte Aufforderung zur Dienstpflichtverletzung!"

     

    So geht das.