Lieber Herr Kramer,
Ihr Kommentar in der TAZ vom 19.06.2010 verlangt unbedingte Gegenrede. Warum?
Nun Sie sprechen von „feigem Hass“ und begründen Ihn damit, dass es in der deutschen Öffentlichkeit eine „besondere Sorte von Menschen“ gibt, die von einem „dunkeln, nicht offen eingestanden Motiv gelenkt werden: Judenhass“.
Sie unterstellen „Judenhass“ mit der Absicht, von Taten des Landes Israels abzulenken; wie einfach, wie billig.
Jeder halbwegs aufgeklärte Mensch in Deutschland weiß um die jüngere Geschichte des jüdischen Volkes. Das ist doch überhaupt keine Frage.
Aber das Vorgehen der israelischen Regierung – und das ist eben nicht Konsens der Mehrheit der israelischen Bevölkerung – lesen Sie hierzu israelische Friedensaktivisten – muss auf das Schärfste verurteilt werden.
Sie haben sicher recht, wenn Sie der Türkei eine stärker werdende Tendenz zum Islamismus vorwerfen, das ist unzweifelhaft erkennbar. Und es geht auch nicht um den türkischen Genozid an das armenische Volk im 1.Weltkrieg, der unbestritten ist.
Es geht um die aktuelle israelischen Sicherheitspolitik. Ihr Vorgehen, ein Schiff in internationalen Gewässern mit diesen Mitteln anzugreifen ist durch nichts gerechtfertigt.
Was erwarten Sie, wie Menschen sich auf einem Boot verhalten, was von einer Eliteeinheit angegriffen wird?
Um die Hintergründe zu verstehen, lohnt ein Blick in die Vergangenheit:
Die Entscheidung, den Juden eine Heimstätte zu geben ist das Resultat jahrhundert alter Ressentiments gegenüber dieser Glaubensgemeinschaft in Europa. Schließlich und endlich entwickelte sich daraus die Kraft für die ideologische Manifestierung es jüdischen Staates durch Theodor Herzl (Begründer des modernen Zionismus). Und man kann ja durchaus seine Motive verstehen, wenn man die aggressiver werdenden Kampagnen gegen Menschen jüdischen Glauben im 19.Jahrhundert verfolgt. Alle sogenannten (vorwiegend christlich! national-gesinnten) Intellektuellen in der Mitte Europas und ihnen vorausgehend noch gestärkt durch die offene Abneigung jüdischen Lebens durch die Fürstenhäuser Europas (hierzu nachzulesen die antisemitischen Äußerungen Napoleons III, Wilhelm I. und II, des englischen Königshauses sowie des russischen Zarenhauses, mit den schon erfolgten Pogromen in Osteuropa) gaben T. Herzl schließlich die innere Legitimation, einen jüdischen Staat einzufordern.
Und nun nimmt das Drama seinen Lauf:
Noch im schrecklichen 1. Weltkrieg haben Menschen aller Glaubensrichtungen freiwillig und durchaus national gesinnt diesen Wahnsinn mitbetrieben. Nur hat es am Ende niemandem geholfen, und den Juden am wenigsten. Nein, sie wurden im Anschluss abermals mit noch perfideren, verschwörungstheoretischen Stigmata behaftet, die den „wahren Deutschen“ glauben machen sollte, wo der „wirkliche Feind“ stand. Das ganze – Sie wissen es – gipfelte im nicht beschreibbaren Holocaust während der NS-Zeit.
Doch schon in den Jahren zwischen den beiden großen Kriegen mehrten sich die Stimmen auch in Frankreich und in England, man müsse doch nach Möglichkeiten suchen, dem „jüdischen Problem“ Herr zu werden. Was kam einem da gelegener als in „seine Protektorate“ im Nahen Osten zu schauen, obgleich man auch die Risiken erahnte. Frankreich hatte sich den Libanon einverleibt und England hatte die Osmanen bis nahezu an die heutige türkische Grenze zurückgedrängt und hielt Syrien, Teile Jordaniens und Palästina besetzt. So beherrschte man ein Gebiet nach eigenem Gusto. Und schon damals spielte man allein aus machtpolitischen Zwecken die dort lebenden Volksgruppen – Israelis wie Palästinenser sowie andere arabischen Volksgruppen gegeneinander aus.
All das muss man mit in Betracht ziehen, um zu verstehen, warum die Situation so ist wie sie ist.
Nach dem Ende des 2. Weltkrieges wurde der Drang zur Umsetzung eines israelischen Staates erneut massiv vorangetrieben. Und England (trotz ihrer anfänglich bis 1947 anhaltenden zögerlichen Haltung, Juden nach Palästina zu lassen und sie stattdessen z. B. in Internierungslager auf Zypern zu verbringen) und Frankreich und eben auch die USA waren froh, ihren latent schwelenden Antisemitismus damit loszuwerden: man protegiert einfach die Gründung eines Staates in diesem „gelobten Land“, vertreibt kurzerhand die untereinander zerstrittene und politische nicht präsente palästinensisch/arabische Bevölkerung und schlägt mit Waffengewalt jedes Aufbegehren nieder. Nach und nach wird Israel selbst mit massiven militärischen und finanziellen Mitteln in die Lage versetzt, sein Existenzrecht zu verteidigen. Und damit sind wird bei Ihrer Argumentation angekommen, wonach Israel nur deshalb so handelt, weil sie ihre Existenz verteidigt.
Unbestritten hat jeder Mensch das Recht auf Leben und Wahrung seiner Existenz.
Aber gilt das nicht auch für die Palästinenser, denen man das Land vor Jahrzehnten raubte?!?
Gilt das nicht auch für die palästinensische Bevölkerung, den man gegenwärtig das Land im Westjordanland raubt, indem die israelische Regierung – sogar gegen den massiven Protest der eigenen (aufgeklärten) Bevölkerung – den Bau illegaler Siedlungen zulässt?
Und Herr Kramer, zurecht sprechen Sie vom Terror der Hamas. Aber was ist der Unterschied zwischen der HAGANA (ehem. militante zionistische Organisation) zur HAMAS.
Zweifelsohne verfolgte die HAGANA nur die Befreiung und den Schutz ihrer Leute, aber was tut die HAMAS?! Mordet sie nur, weil sie Lust dazu hat?!
Und, die HAGANA wurde in erster Linie mit Waffen und Geldmitteln aus den USA versorgt, die HAMAS aus dem Iran. Aber waren die USA deswegen damals ein „Schurkenstaat“!?
Doch wodurch entsteht den Terror?! Schauen Sie genau hin: Wenn 10jährige Kinder im Gazastreifen und im Westjordanland mit Steinen auf „die Besatzer“ werfen hat das doch einen Grund. Dass junge Israelis Soldaten werden und ohne Zögern diese Kinder erschießen können hat doch seinen Grund.
Es gibt verschiedenen Israelisch-Palästinensische Friedensorganisationen, die ein gegenseitiges Miteinander begonnen haben zu wagen. Und das trägt Früchte. Warum behindert oder gar bedroht die israelische Regierung ihre eigene Bevölkerung?
Erinnern wir uns alle an Jitzchak Rabin. Wie war dieser Menschen – geboren in Jerusalem – doch mit der Befreiung seines Volkes verhaftet. Und wohl 27Jahre als Mitglied des Militär sah er nur diese Option als die einzig hilfreiche. Doch er erkannte das Unrecht seines eigenen Landes und begann einen Friedensprozess anzustoßen, den bis dahin (siehe 1995) niemand für möglich hielt. Doch sein Wille zum Frieden war gleichzeitig sein Todesurteil.
Der Attentäter Jigal Amir – die israelische Presse bezeichnete ihn als jüdischen Extremisten und Rechtsradikalen!! – erschoss diesen einzigartigen Menschen. Aber wie konnte das passieren? Hass wurde in Amir´s Herz gesät! Der Hass seiner Glaubensbrüder auf die eigene Bevölkerung, die die Hand zum Frieden reichen wollte.
Lesen Sie hierzu Leah Rabin, die über jeden Zweifel erhaben ist. Sie beschreibt, mit welcher Inbrunst fundamentalistische Juden Hetze auf Rabin und seine Familie betrieben. Und schon damals war es Netanjahu, der diese Attacken billigend – der eigenen Macht wegen – in Kauf nahm, sie möglicherweise sogar noch unterstützte. Und heute ist Netanjahu abermals Premier, seine unnachgiebige Haltung ist uns allen bekannt.
Israel täte gut daran, wie einst es Rabin vorgelebt auf die Palästinenser zuzugehen. Israel hat alle Möglichkeiten dazu.
Doch anstatt inne zu halten, nachzudenken wird wieder der Fundamental-Vorwurf des Antisemitismus bemüht, um eine Rechtfertigung für das politisch / militärische Handeln Israels zu erlangen; und man hofft auf moralische Unterstützung wenigstens vom engsten Verbündeten den USA. Kehren Sie ab von dieser einfachen Rhetorik. Gehen Sie mit offenen Armen auf die Menschen zu. Das erfordert mehr Mut, als einfaches „Draufschlagen“. Werfen Sie Ihrer Vorurteile über Bord und vertrauen Sie auf den Guten Willen ihrer Landsleute, wie der Palästinenser.
Mit Respekt
Robson Paul
meistkommentiert
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Linke gegen AfD und BSW
Showdown in Lichtenberg
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Auf dem Rücken der Beschäftigten