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Debatte Russlands CO2-AusstoßRusslands blinder Fleck

Als letzte Großmacht ignoriert Russland noch immer fast komplett den eigenen CO2-Ausstoß. Ein ambitioniertes Folgeabkommen zu Kioto wird dadurch sehr schwierig.

Wenn es um die Bremser beim internationalen Klimaschutz geht, ist selten von Russland die Rede. Viel zu selten. Denn bereits im Vorfeld der am 1. Dezember im polnischen Poznan beginnenden UN-Klimakonferenz zeichnete sich immer deutlicher ab, dass Moskau zu einem der schwierigsten Verhandlungspartner im Ringen um eine Nachfolgeregelung für das Kioto-Klimaprotokoll werden dürfte.

Russlands Klimaschuld ist ähnlich groß wie die Deutschlands. Im Schnitt der Jahre von 1992 bis 2003 verursachte ein durchschnittlicher Russe jährlich einen Kohlendioxidausstoß von etwa 11 Tonnen, also ebenso viel wie ein durchschnittlicher Deutscher. Insofern gehört Russland zu Recht in die Gruppe der industrialisierten Kioto-Vertragsstaaten (Annex-B-Staaten), die Reduktionsverpflichtungen übernommen haben.

Die russische Verhandlungsstrategie ist derzeit aber offenbar, aus dieser Gruppe im Kioto-Folgeabkommen wieder herauszukommen. Aus Moskauer Regierungskreisen hört man, dass Russland behandelt werden möchte wie etwa Südafrika, um sich so auf einen deutlich geringeren Klimaschutzbeitrag zu verpflichten. Obendrein sträubt sich die russische Regierung gegen das von den meisten wichtigen Staaten angestrebte verbindliche Ziel, die Emissionen bis 2020 auf 25 bis 40 Prozent zu reduzieren. Sie fordert stattdessen Ausnahmeregelungen für Staaten mit hoher Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen.

Für die russische Bremserrolle beim Klimaschutz lassen sich folgende Motive ausmachen. Zunächst erlebt das Land, verursacht durch das enorme Wirtschaftswachstum, seit 1999 einen kontinuierlichen Wiederanstieg seiner Treibhausgasemissionen. Die russische Regierung rechnet derzeit offiziell damit, dass bis 2020 das sehr hohe Emissionsniveau von 1990 fast wieder erreicht sein dürfte. Hierbei ist der mögliche Wechsel großer Stromversorger vom immer teurer werdenden Gas zur billigen, aber äußerst CO2-intensiven Kohle übrigens noch nicht eingerechnet. Die EU und andere wichtige Staaten werden bei den kommenden Klimaverhandlungen in Poznan sowie den folgenden in 2009 jedoch fordern, dass Russland bis zum Zieljahr des neuen Abkommens mindestens 25 Prozent unter sein Emissionsniveau von 1990 gelangt. Eine solche Reduktion jedoch wäre auch nach neueren noch inoffiziellen russischen Regierungsprognosen mit den derzeit absehbaren Maßnahmen nicht zu schaffen. Das Land müsste dafür zu einem Entwicklungssprung ansetzen. Es müsste seine Wirtschaft modernisieren und zugleich seine bereits jetzt hohen Emissionen anfangs zumindest stabil halten. Dafür fehlen bislang alle Anzeichen. Denn in Regierung und Wirtschaft wird zumeist argumentiert: Zuerst wollen wir den westlichen Lebensstandard erreichen, anschließend können wir die Emissionen begrenzen.

Das Thema Klimawandel stößt aber auch in der breiten russischen Öffentlichkeit nur auf äußerst geringe Aufmerksamkeit. Bei einer weltweiten Umfrage im Auftrag der britischen BBC antwortete im Frühsommer 2007 eine repräsentative Mehrheit von 64 Prozent der befragten Russen, sie hätten wenig oder nichts vom Klimawandel gehört oder gelesen. Russland liegt damit auf dem vorletzten Platz der weltweit 21 Länder, in denen die Umfrage durchgeführt wurde. Da in russischen Medien das Thema kaum vorkommt, kann diese Unkenntnis nicht erstaunen. Auch die große UN-Klimakonferenz 2007 auf Bali fand so gut wie keine Beachtung. Und selbst die Umweltbewegung als immerhin lebhaftester Teil der russischen Zivilgesellschaft hat den Klimawandel bisher kaum thematisiert.

Unterstützt wird diese ignorante Haltung von der irrigen Annahme vieler Entscheidungsträger, der Klimawandel werde Russland nützen. Bei höheren Temperaturen, so die Überlegung, komme man leichter an die Bodenschätze im Arktischen Meer. Außerdem spare die kürzere Heizperiode Geld. Auch unter anerkannten Forschern zählen viele zu den sogenannten Klimaskeptikern, also zu denen, die wahlweise die Folgen der Erderwärmung für nicht so dramatisch erachten beziehungsweise der Meinung sind, sie sei nicht von Menschenhand gemacht. Die jüngere Forschergeneration, die den Klimawandel sehr wohl auf der Grundlage der Berichte des UNO-Weltklimarats diskutiert, findet in den Medien entsprechend wenig Beachtung. In der Folge fehlt für Russland bislang noch immer eine umfassende Bilanzierung der zu erwartenden Folgekosten des Klimawandels.

Prinzipielle Unterstützung immerhin bekommen die Klimaschützer seit Neuestem von Dmitri Medwedjew. Er will die Energieeffizienz der Wirtschaft verbessern und hat das erste Förderprogramm der russischen Geschichte für erneuerbare Energien angekündigt. Medwedjews Argument: Russland verliere sonst den Anschluss an die technologischen Zukunftsmärkte. Doch angesichts der Wirtschaftskrise sind die Themen erneuerbare Energie und Energieeffizienz wieder auf die hinteren Plätze auf der politischen Agenda gerutscht. Kritiker bezeichnen den neuen Gesetzesentwurf auch bereits als zahnlosen Tiger.

Entsprechend werden die anstehenden Klimaverhandlungen mit Russland schwierig bleiben. Zusätzlich erschwert die nach wie vor nicht abgeschlossene Regierungsumbildung in Russland die Arbeit der Klimaunterhändler enorm. Beobachter erwarten, dass es bis weit ins Jahr 2009 hinein dauern könnte, bis endgültig klar ist, wer die neuen Ansprechpartner sind. Und ob diese dann die notwendige Kompetenz für die hochkomplexen internationalen Verhandlungen mitbringen, darf zumindest angezweifelt werden.

Daraus folgt, dass Russland im globalen Klimaschutz weit stärker als bisher eingebunden werden muss, und zwar möglichst frühzeitig. Mit dem weltweit drittgrößten CO2-Ausstoß nimmt Russland eine politische Schlüsselrolle in den Verhandlungen ein. Sollte die russische Regierung deutliche Emissionsreduktionen ablehnen, hätten wichtige Schwellenländer, wie China und Indien, ein Alibi, ebenfalls ein ambitioniertes Klimaprotokoll abzulehnen. Eine Möglichkeit, Russland besser einzubinden, wäre die von Risto Penttilä, Direktor des finnischen Thinktanks EVA, vorgeschlagene EU-Russland-Partnerschaft "Klimawandel und saubere Entwicklung". Im auslaufenden Russland-EU-Partnerschaftsabkommen spielte der Klimaschutz eine kaum wahrnehmbare Rolle. Dies könnte im neuen Kooperationsvertrag korrigiert werden. Energiesicherheit und Klimaschutz müssen jetzt eine gleich hohe Bedeutung bekommen.

Russland kann seiner angestrebten Großmachtrolle nur gerecht werden, wenn es zur Lösung internationaler Krisen aktiv beiträgt. Mit seinen fast unbegrenzten Möglichkeiten für mehr Energieeffizienz, einem gigantischen Potenzial für erneuerbare Energien und dem Regierungsruf nach mehr Diversifizierung der Wirtschaft stehen die Chancen dafür prinzipiell gar nicht schlecht.

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2 Kommentare

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  • CA
    Clemens Andris, waswirtun.de

    Sehr schöner Kommentar, aufgenommen und verlinkt auf waswirtun.de

  • GN
    Götz Niemann

    Russland hat verstanden, daß Wirtschaft ein globaler Kriegsschauplatz ist. Aus diesem Grunde sind die Interessen russischer Großunternehmen identisch mit Staatsinteressen geworden und umgekehrt.

    Im Rest der Welt ist es sehr viel diffuser, wen die finanzielle Last vollmundiger Umweltversprechen wirklich trifft; der deutsche Verbraucher hält die Sache für Gut, da es weitgehend intransparent ist, was ihn die Sache persönlich kostet; für Wirtschaftsunternehmen ist es überwiegend ein durchlaufender Posten; wo also wäre ein starker Interessenverband sich dagegen zu wehren..

    Aufgrund der völlig unterschiedlichen Strukturen ist es nur folgerichtig, daß Rußland nicht im Traum daran denkt, Geld für fragwürdige Zukunftssicherung auszugeben, während reiche Industriestaaten mit monströsen Schuldenbergen seit vielen Jahren den Konsum zukünftiger Generationen bereits vorweggenommen haben und das auch nicht ändern wollen.

    Das Klimaproblem wird auch bei uns aufgrund fehlenden Geldes an Priorität verlieren.