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Debatte RechtsextremismusTextbausteine gegen rechts

Kommentar von Burkhard Schröder

Der Mordanschlag in Passau ist kein Zeichen für eine ansteigende Rechtsradikalität. Entgegen der Hysterie: Rassismus gedeiht weiterhin in der gesellschaftlichen Mitte.

D as Attentat auf den Alois Mannichl ist ein Lehrstück auf den längst gescheiterten regierungsamtlichen Antifaschismus. Wieder einmal wird auf die zentralen Fragen mit den immergleichen Textbausteinen geantwortet und damit die eigentliche Analyse rechtsextremer Gewalt umschifft. So heißt es auch jetzt erneut: "Was tun gegen rechts?" - "Die NPD verbieten." "Was sind die Ursachen brauner Ideologie?" - "Mangelnde Aufklärung." "Wie gefährlich ist der rechte Sumpf? - "Er wird immer gefährlicher."

privat

Burkhard Schröder ist Schriftsteller, Journalist und Autor zahlreicher Bücher über Rechtsextremismus. Darunter "Nazis sind Pop" (Espresso Verlag) und "Aussteiger. Wege aus der rechten Szene" (Ravensburger). Mehr unter: www.burks.de.

Schon seit zwanzig Jahren wird Rechtsterrorismus in konjunkturellen Schüben mediengerecht hochgeschrieben - stets unter Zuhilfenahme einer Eskalationsrhetorik. Jenseits dessen hört man aber kaum etwas zum Thema, außer dass die Mehrheit der rechten Bombenbauer gleichzeitig V-Leute des Verfassungsschutzes waren.

Die sattsam bekannten Politikerparolen von "Entrüstung" bis "Schämt euch!" dokumentieren die lärmende Sprachlosigkeit, die eine ernsthafte Kontroverse über Ursachen übertüncht und lähmt. Die Diskussionen im Anschluss an den Anschlag in Passau zeigen es erneut: Der sogenannte Kampf gegen rechts basiert nicht auf einem ernst zu nehmenden Streit um die einzig relevante Frage: Wie ist die deutsche Gesellschaft und Nation verfasst? Die Identität der Deutschen ist immer noch völkisch und "kulturell", nicht aber politisch definiert, und basiert auf dem Ausschluss der Einwanderer. Niemand hat auch nur die Absicht, über die Ursachen von Rassismus und Antisemitismus ernsthaft und kontrovers zu diskutieren.

Die Lobbygruppen unterschiedlicher politischer Milieus instrumentalisieren sowohl Täter als auch Opfer rechtsextremer Gewalt. Es stört inzwischen gar nicht mehr, wenn Kritiker die Ursache rechter Gewalt in der "Mitte der Gesellschaft" verorten, also dort, wo sich fast alle politischen Parteien zu Hause fühlen. Selbst in Volkshochschulen wird gelehrt, dass Neonazis nicht die Ursache, sondern ein Symptom für ein rassistisches Klima sind, das sich jenseits des "extremistischen" politischen Randes entwickelt - in der bürgerlichen Mitte. Doch dieser Befund führt zu nichts. Niemand in der sogenannten Mitte fühlt sich aufgerufen, das Notwendige zu denken und etwa die deutschen Gesetze gegen Einwanderung und Abschiebeknäste in einen Zusammenhang mit rassistischen Vorurteilen der Bevölkerung bringen. Wer staatlichen und gesetzlich legitimierten Rassismus thematisiert, gerät stattdessen automatisch unter den Generalverdacht des Linksextremismus.

Rassistisch motivierte Angriffe gegen Immigranten, sozial Schwache oder linke Jugendliche oder gar Morde sind keine Einzelfälle. Vor acht Jahren quälten Rechtsextremisten im brandenburgischen Potzlow einen Sechzehnjährigen bestialisch zu Tode. Die Bundesregierung spricht von vierzig Toten, Opferverbände geben hundert Tote mehr an, die seit der Wiedervereinigung auf das Konto der Ultrarechten gingen. Trotz dieser Zahl existiert kein ernst zu nehmendes Konzept, wie diese Ideologie aus den Köpfen wieder herauszubekommen sei. Stattdessen wiederholen sich die Sprechrituale entlang altbekannter Fronten: Die einen rufen nach dem Obrigkeitsstaat, andere nach mehr Geld für Projekte, die das Logo "Gegen Rechts" auf ihre Fahnen gestickt haben. Beides macht offensichtlich keinen Sinn, sonst stünden wir nicht nach acht Jahren genau dort, wo damals der viel besungene "Kampf gegen rechts" seinen Ausgang nahm.

Wer ist potenzielles Opfer rechter Gewalt? Jeder. Alois Mannichl ist kein "Linker" - auch wenn der Polizeichef öffentlich bekundet hat, es gebe Neonazis sogar im bundesrepublikanischen Muster-Freistaat Bayern. Mannichl hat nur eine politische Meinung, schweigt nicht, sondern äußert sie freimütig. Das macht ihn zu einem ungewöhnlichen Beamten.

Trotzdem ist Mannichl ein parteipolitisch unabhängiger Rechter. Seine ordnungspolitischen Ideen entsprechen dem Motto "Law and Order": Hart durchgreifen, der Staat muss Flagge zeigen, wehrhafte Demokratie. Wer meint, ekelhafte politische Ideen wie die der kackbraunen Kameraden dadurch effektiv bekämpfen zu können, indem man deren Symbole beschlagnahmt oder sogar Hakenkreuzfahnen aus Gräbern ausbuddeln lässt, hat nichts begriffen, ist sich aber des kostenlosen Beifalls der schlicht strukturierten öffentlichen Meinung gewiss. Der Passauer Polizist wird nicht schon dadurch zum politischen Vorbild, weil er Opfer neonazistischer Gewalt geworden ist. Seine Art und Weise, gegen Nazis zu sein, entspricht nur der deutschen Leitkultur: "Melden", "Durchführen", "Verbieten".

Aktionen "gegen rechts" sind nämlich nicht schon deshalb schön, gut und wahr oder gar sinnvoll, weil Neonazis sich über diese ärgern. Ganz im Gegenteil. Doch anstatt den Kampf gegen den deutschen Rassismus breit anzulegen, setzt jede politisch motivierte Gewalttat verlässlich einen öffentlichen Diskurs in Gang, der keine Parteien und also politische Analysen mehr kennt, sondern nur noch beduselte Deutsche. Sobald von Neonazis die Rede ist, heißt es reflexhaft: Kopf ab zum Gebet und zum Kampf gegen Rechts und hoch die Lichterkette.

In der wohlfeilen kollektiven Empörung sind sich alle gleich: Die Räuber-und-Gendarm-Antifa, die schon immer gewusst hat, dass "der Staat" wegschaut, über die Freunde der immer noch quasioffiziellen Staatslehre, der Totalitarismusdoktrin "Rot gleich "Braun" ("gegen Extremismus") bis hin zu SchilySchäuble-kompatiblen Hardlinern (hart, härter, am härtesten) oder gar fragwürdigen "Demokraten" wie Konrad Freiberg, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, der Einsperren und "Isolieren" für rechte Gewalttäter fordert.

Was wird folgen, welche Konsequenzen kann man aus dem Attentat von Passau ziehen? Keine. Nach dem aktuellen Stand der Ermittlungen lag das Tatwerkzeug auf dem Fensterbrett, angeblich noch vom Lebkuchenschneiden. Ein Vorsatz wird dem Täter, falls das stimmt, nur sehr schwer nachzuweisen sein. Niemand hätte etwas verhindern können. Das rechtsextreme Milieu zieht nicht zufällig auch Leute in seinen Bann, die ihre ganz private Apokalypse ausleben, diese a posteriori politisch legitimieren und Menschen angreifen und sogar ermorden, auch wenn sie vorher wissen, dass sie dafür für Jahre hinter Gittern verschwinden.

Die aktuelle und immer leicht hysterische Attitüde, es gebe immer mehr Neonazis in Deutschland und diese agierten immer dreister, ist im Sinne des Wortes maßlos. Vergleiche sind immer falsch und beleidigen die Opfer. Ist der Messerangriff auf einen bayerischen Polizisten schlimmer als die Mordanschläge von Mölln oder das Pogrom von Hoyerswerda waren? Ist die jüngste Gewalttat eine "neue Qualität" gegenüber dem Polizistenmord des Neonazis Kai Diesner vor elf Jahren? Wer ausgerechnet jetzt so tut, als kulminiere rechte Gewalt, agiert zynisch und hat offenbar sein Gedächtnis verloren.

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4 Kommentare

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  • D
    Durchgreifen

    > Niemand hat auch nur die Absicht, über die

    > Ursachen von Rassismus und Antisemitismus

    > ernsthaft und kontrovers zu diskutieren.

     

    Hat ihre Zeitung denn die Absicht, über die Ursachen der unter Einwanderern grassierenden Deutschfeindlichkeit oder des moslemischen Antisemitismus zu diskutieren?

  • T
    talkingkraut

    Das Attentat auf den Mannichl scheint mir eine vorgetäuschte Straftat zu sein. Eine schwere Verletzung, wie von Seehofer und Herrmann unisono behauptet, hatte der Mannichl nämlich nachweislich nicht. Auch war es doch schon völlig unglaubwürdig, dass der Mannichl einfach so die Türe öffnet, ohne sich vergewissert zu haben, wer da Einlass begehrt. Und dann noch eine behauptete schwere Körperverletzung, bei der sich Polizei und Amtsgericht nicht einmal auf eine Tatzeit einigen konnten, laut Polizei um 17.30, laut Amtsgericht um 13.30.

     

    Es müsste doch auch für TAZ schön sein, mitanzusehen, wie demnächst wegen der Mannichl-Show einige CSU-Granden ihren Hut nehmen müssen.

     

    Die Hysterie versuchte man zu beflügeln durch die neueste Statistik über die rechtsextremen Straftaten. Wie absurd diese Statistik jedoch ist, erkennt man daran, dass auch das Aufkreuzen der Claudia Roth im Bundestag mit einem durchgestrichenen Hakenkreuz eine solche rechtsextreme Straftat ist.

     

    Der Popanz Rechtsextremismus, den die Parteien des Bundestages durch vorgetäuschte Straftaten und dubiose Statistiken aufbauen, führt nur dazu, dass das niemand mehr ernst nimmt, auch dann nicht, wenn der Rechtsextremismus tatsächlich Zivilgesellschaft und Demokratie bedroht.

  • U
    UweRietmöller

    Sehr geehrter Herr Schröder,

     

    selbstverständlich haben Sie recht. Geht auch nicht anders, das Sie und Ihre Antifa-Kumpel mindestens genauso unfehlbar sind wie der Papst.

    Es gibt nur eins, dass nicht nur mich wundert:

    Wenn Sie und Ihresgleichen so furchtbar schlau, und die Andersdenkenden so entsetzlich dumm sind, warum sind Sie und Ihre Leute dann ohne Zensur nicht überlebensfähig?

    Ich meine, wenn die Anderdenkenden so dumm sind, müsste es doch in Ihrem Interesse sein denen eine Plattform zu geben – damit die sich mal so richtig blamieren können.

    Herr Schröder, warum tun Sie´s nicht?

     

    Doch, das ist mir wichtig. Und Sie könnten mal darüber nachdenken, was ein Vorhaben, eine Weltanschauung, ein System wert ist, wenn es nur durch Lügen und Redeverbot gehalten werden kann.

  • W
    Wossi

    Der Analyse von Schröder ist fast zu 100 Prozent zuzustimmen. Die Aufregung nach dem hinterhältigen Angriff auf Mannichl ist zum größten Teil verlogen und die derzeitige Diskussion heuchlerisch. An der Gefahr, die hier in Deutschland von den Rechten ausgeht, hat sich wenig geändert, sie ist unverändert hoch. Die hysterische Diskussion dieser Tage wird bald vorbeigezogen sein und dann stehen diejenigen, die sich dem rechten Mob kontinuierlich in ihrem Alltag entgegenstellen, wieder genauso alleine und schutzlos da wie vor dem Angriff auf Mannichl.

     

    Trotzdem ist der zivilgesellschaftliche Kampf gegen Rechts richtig. Das große und oft gefährliche Engagement vieler Menschen im Alltag ist nicht gleichzusetzen mit dem sirenenhaften Geheule des medialen und politischen Establishments. Sehr viele Menschen, die sich im zivilgesellschaftlichen Kampf gegen Rechts engagieren, wissen sehr wohl über den Zusammenhang zwischen Rassismus, Staat, deutsche Nation und Faschismus Bescheid, auch wenn dieser Zusammenhang in der alltäglichen Praxis nicht immer bis zum Ende durch dekliniert werden kann.

     

    Deshalb würde ich mir wünschen, dass Schröder seine richtige Kritik mit etwas mehr Solidarität gegenüber denjenigen, die sie verdienen, würzt.