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Debatte ManagergehälterUnvermeidbar ungerecht

Hannes Koch
Kommentar von Hannes Koch

Die Politik kann Managergehälter nicht begrenzen. Das widerspricht der sozialen Marktwirtschaft. Aber die Debatte hat Folgen: Die Manager lernen, sich zu schämen.

E ine öffentliche Debatte über Managergehälter wie derzeit hat es noch nicht gegeben. Bezeichnend ist die Reaktion von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) auf die beträchtliche Gehaltserhöhung, die sich Post-Chef Klaus Zumwinkel vor einer Woche selbst verschaffte. Als der Vorstandsvorsitzende eigene Aktien der Deutschen Post AG im Wert von rund 4,2 Millionen Euro verkaufte, tadelte ihn Lehrer Steinbrück: "Darüber wird noch zu reden sein." Schüler Zumwinkel gab sich zerknirscht: "Die Tragweite meiner Entscheidung habe ich nicht bedacht - und das bedauere ich heute sehr", schreibt er in der Mitarbeiterzeitung der Post AG.

Bild: taz

HANNES KOCH, 46, ist Parlamentskorrespondent der taz. Seine Schwerpunkte sind Wirtschaft und Umwelt. Unlängst erschien sein Buch "Soziale Kapitalisten - Vorbilder für eine gerechte Wirtschaft".

Die Politiker haben die Debattenhoheit über die Manager zurückerobert. In den letzten 25 Jahren war das meist anders. Da kuschten die Regierungen vor den Konzernvorständen. Nun empört sich Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Rede vor dem CDU-Parteitag darüber, dass "mit Geld überschüttet wird, wer auf ganzer Linie versagt". Die Rollen von Ankläger und Beklagtem sind vertauscht. Was nicht heißt, dass praktisch etwas daraus folgte. Wen man auch fragt - Union, SPD, Grüne, Gewerkschaften -, niemand will die Managergehälter wirklich begrenzen. Eine Ausnahme macht da nur die Linkspartei. Die hat Ende November einen Gesetzentwurf zur Änderung des Aktiengesetzes in den Bundestag eingebracht. Die Bezüge der Vorstände sollen "das Zwanzigfache eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten in der untersten Lohngruppe" nicht überschreiten, schlagen Gregor Gysi und Oskar Lafontaine vor.

Wenn auch alle Bundestagsfraktionen gegen den Antrag der Linken gestimmt haben - aus der Luft gegriffen ist er nicht. Die Bezüge der Vorstände von DAX-30-Unternehmen hätten sich seit Mitte den 90er-Jahren im Durchschnitt mehr als verdoppelt, hat Wirtschaftsprofessor Joachim Schwalbach von der Berliner Humboldt-Universität errechnet. Sie betrügen jetzt das 44fache eines Mitarbeitergehalts, vor 10 Jahren sei es noch das 19fache gewesen sei. Ähnliche Entwicklungen sind auch in anderen Staaten, etwa den USA und Schweden, zu beobachten. Jenseits des Atlantiks sind die Managergehälter in den vergangenen 17 Jahre vom 100fachen auf etwa das 400fache eines normalen Lohns gestiegen. Und auch im skandinavischen Sozialstaat bekommen die Chefs der 100 größten Unternehmen heute rund 75 Prozent mehr als 2003. Während sich in den USA kaum jemand aufregt, gehen in Europa und selbst in Großbritannien die Wogen der Entrüstung hoch.

Ist es gerecht, was Manager verdienen?, lautet die Frage. Und viele Bürger antworten: Nein. Eine plausible Erklärung für diesen Alltagseindruck stellt der Philosoph John Rawls bereit. Soziale Gerechtigkeit existiert dann, so Rawls, wenn vom allgemeinen Fortschritt auch die im sozialen System am schlechtesten gestellte Person profitiert. Ein hoher Wohlstandsgewinn der Elite darf nicht mit Einkommensverlusten der Ärmsten erkauft werden. Genau das aber war in den vergangenen Jahren der Fall. Siemens beispielsweise ließ seine Handysparte mit tausenden Arbeitsplätzen pleitegehen, während der Vorstand ordentlich zulangte.

Ex-Siemens-Chef Heinrich von Pierer und sein Nachfolger Klaus Kleinfeld verdienten nicht unbedingt, was sie verdient haben. Und doch wäre es falsch, die Gehälter der Manager so zu begrenzen, wie es die Linkspartei vorschlägt. Warum? Erstens würde die politische Begrenzung höchstwahrscheinlich keine tatsächliche Deckelung bewirken. Siemens, Daimler und die Deutsche Bank könnten ihre Vorstände in London ansiedeln, wo es kein Limit für die Bezahlung von Vorständen gibt. Zweitens ist es unmöglich, eine allgemeine realitätstaugliche Grenze zu definieren. Für manche Firmen mag ein Verhältnis zwischen Angestelltenlohn und Managergehalt von 1:20 in Ordnung sein - für ein so erfolgreiches Unternehmen wie Porsche gilt das aber offenbar nicht. Bisher regt sich in der Belegschaft kein Protest dagegen, dass Vorstand Wendelin Wiedeking das 100fache eines normalen Lohns bekommt. Anscheinend haben auch seine Mitarbeiter das Gefühl, dass sie von der Expansion des Unternehmens profitieren. Wollte man Wiedeking sein Gehalt gesetzlich untersagen, würden seine Anwälte vor dem Verfassungsgericht klagen. Schließlich verdient auch die Band Tokio Hotel Millionen.

Und drittens würde es dem Konsens der sozialen Marktwirtschaft zuwiderlaufen, eine absolute Obergrenze für Gehälter festzuschreiben. Zwei Versprechen sind für diese Gesellschaftsform zentral: Freiheit und Sicherheit. Jeder Bürger darf die Früchte seiner Leistung ernten, kann sich im Falle des Scheiterns aber auch darauf verlassen, von der Gemeinschaft aufgefangen zu werden. Die praktische Regel dafür sieht so aus: Als soziale Sicherung existieren exakt definierte Untergrenzen, beispielsweise das Sozialgeld. Höchstlöhne gibt es dagegen nirgendwo. Ganz im Gegenteil profitiert auch der Staat von hohen Einkommen. Die für die soziale Sicherung benötigten Mittel erwirtschaftet er teilweise, indem er progressive Steuern auf die Einnahmen der Wohlhabenden und Reichen erhebt.

Nicht in der Begrenzung, sondern in der Kanalisierung liegen deshalb die politischen Handlungsmöglichkeiten. Zu Recht konzentriert sich die Debatte gegenwärtig auf die Steuerpolitik. Die SPD untersucht, wie man die steuerliche Förderung von hohen Abfindungen, die einen wichtigen Teil der Managerbezüge ausmachen, einschränken kann. Heute setzen Firmen die Kosten des goldenen Handschlags als Betriebsausgaben von der Steuer ab. Würde man diese Möglichkeit einschränken, sänken nicht nur die Abfindungen, sondern der Staat nähme auch mehr Geld ein. Durch höhere Einkommen- und Erbschaftsteuersätze sowie die wirksamere Besteuerung großer Vermögen ließe sich die Gerechtigkeitslücke weiter verringern.

Eine andere interessante Idee, die unter anderem der grüne Wirtschaftspolitiker Gerhard Schick ins Gespräch bringt, ist in Großbritannien bereits Realität. Dort müssen die Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften über die Gehälter der Chefetage beschließen. Mitunter kommt es deshalb zu turbulenten Sitzungen. Öffentliche Abstimmungen, die in Deutschland bislang nicht vorgeschrieben sind, könnten das Wachstum der Managergehälter zumindest bremsen.

In jedem Fall wird die gegenwärtige Debatte einen regulierenden Effekt haben. Die ersten Erfolge kann man schon beobachten. Wenn Postchef Klaus Zumwinkel seinen Aktienverkauf öffentlich bedauert, demonstriert er Lernfähigkeit. Und die Manager müssen tatsächlich einiges lernen - vor allem politisches Denken. Was im Kosmos der Konzerne als völlig normales Verhalten gilt, entfaltet in der politischen Öffentlichkeit mitunter fatale Wirkung. Um nicht noch einmal als Gierhals in Bild zu erscheinen, wird Zumwinkel mit Aktienverkäufen demnächst etwas vorsichtiger umgehen.

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Hannes Koch
Freier Autor
Geboren 1961, ist selbstständiger Wirtschaftskorrespondent in Berlin. Er schreibt über nationale und internationale Wirtschafts- und Finanzpolitik. 2020 veröffentlichte er zusammen mit KollegInnen das illustrierte Lexikon „101 x Wirtschaft. Alles was wichtig ist“. 2007 erschien sein Buch „Soziale Kapitalisten“, das sich mit der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen beschäftigt. Bis 2007 arbeitete Hannes Koch unter anderem als Parlamentskorrespondent bei der taz.
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