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Debatte Kinderarmut in DeutschlandEin Fall für Karlsruhe

Kommentar von Christoph Butterwegge

Die Hartz-IV-Sätze für Kinder reichen kaum zum Leben aus. Das spielt für die neue Regierung offenbar keine Rolle. Dass Kinder so wenig bekommen, ist ein Unding.

W enn das Bundesverfassungsgericht ab heute über die Frage verhandelt, ob die Hartz-IV-Regelsätze für Kinder mit dem Grundgesetz vereinbar sind, ist kein schnelles Urteil zu erwarten. Im Januar hatte das Bundessozialgericht in Kassel den Hartz-IV-Regelsatz für Kinder als nicht grundgesetzkonform beurteilt. Denn dass Kinder weniger staatliche Unterstützung bekommen als Erwachsene, ist ein Unding (60 Prozent eines Erwachsenen, wenn sie jünger als 6 Jahre sind, 70 Prozent, wenn sie 6 bis 13 Jahre, und 80 Prozent, wenn sie 14 bis 17 Jahre alt sind). Kinder und Jugendliche haben schließlich eigene Bedürfnisse - manchmal sogar mehr als Erwachsene. Sie wachsen noch, weshalb sie mehr Kleidung und häufiger neue Schuhe als Erwachsene brauchen. Ihre Hartz-IV-Regelsätze aber wurden willkürlich festgelegt.

Wie hoch der Regelsatz für Kinder sein müsste, lässt sich nicht einfach vom Schreibtisch eines Ministerialbeamten aus entscheiden. Wenn ein 6- bis 13-jähriges Schulkind 251 Euro im Monat erhält, kann es gerade mal 3,11 Euro pro Tag für Nahrungsmittel und 2,13 Euro im Monat für Schulmaterialien ausgeben. Damit kann man gar nicht auskommen, wenn allein das Mittagessen in mancher Kita schon 2 oder 3 Euro Euro kostet. Erst recht kann ein Kind nicht am gesellschaftlichen und kulturellen Leben teilnehmen, denn Nachhilfeunterricht, die Kinokarte und der Theaterbesuch kosten normalerweise Geld. Daher müsste der Regelsatz für Kinder jeweils um mindestens 100 Euro erhöht werden.

Im März 2007, also auf dem Höhepunkt des letzten Konjunkturaufschwungs, lebten von den 11,5 Millionen Kindern unter 15 Jahren, die es in Deutschland gibt, über 1,92 Millionen Kinder in Hartz-IV-Haushalten. Das ist der traurige Rekord für Kinderarmut in Deutschland. In der ostsächsischen Stadt Görlitz bezogen damals nicht weniger als 44,1 Prozent der Kinder Hartz IV, im bayerischen Starnberg waren es nur 3,9 Prozent. Das zeigt sehr deutlich, wie unterschiedlich die Armut regional verteilt ist.

Die neue Regierung täte gut daran, dieser Tatsache mit entsprechenden Korrekturen im Sozialgesetzbuch zu begegnen. Doch die Armut von Kindern und Jugendlichen hat in den bisherigen Verhandlungsrunden offenbar überhaupt keine Rolle gespielt. Die Koalition aus Union und FDP treibt in erster Linie die Sorge um, "Leistungsträger" und Besserverdienende könnten - auch für ihre Kinder - zu viele Steuern zahlen. In den Koalitionsverhandlungen waren sie sich einig in dem Ziel, den steuerlichen Grundfreibetrag für Kinder, wie im Wahlkampf versprochen, um ein Drittel auf die künftig für Erwachsene geltende Höhe von 8.004 Euro anzuheben und das Kindergeld, wie von der FDP verlangt, auf 200 Euro zu erhöhen.

Dabei handelt es sich freilich nicht um eine Entlastung "der" Familien, wie CDU/CSU und FDP behaupten, sondern um eine weitere Begünstigung von Besserverdienenden und Begüterten. Diese würden davon überproportional profitieren. Eltern mit einem geringen Einkommen hätten davon jedoch wenig - und die Empfänger von Transferleistungen mit noch so vielen Kindern gar nichts -, weil sie gar keine Einkommensteuer bezahlen und auch eine Erhöhung des Kindergeldes in vollem Umfang auf das Sozialgeld angerechnet würde. Während ein Chefarzt mit sieben Kindern demnächst kaum noch Einkommensteuer zahlen müsste, würde die Not der alleinerziehenden Mutter im Hartz-IV-Bezug also kein bisschen gelindert.

Wenn sich die soziale Lage von in Hartz-IV-Haushalten lebenden Kindern nicht verbessert, dürften Sozialkaufhäuser, Lebensmitteltafeln und Kleiderkammern bald einen weiteren Boom erleben. Wollte die neue Regierung der Kinderarmut in Deutschland wirksam begegnen, müsste sie die armen Kinderreichen statt der Reichen mit vielen Kindern materiell fördern. Nur bilden sozial Benachteiligte weder die Klientel der FDP noch vertreten die "christlichen Volksparteien" ihre Interessen, auch wenn Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen im Wahlkampf die Kinderarmut zu dem für sie drängendsten Problem erklärte.

Trostpflaster für Mittelschicht

Vergangene Woche verkündeten die Koalitionäre von Union und FDP, dass sie das Altersvorsorge-Schonvermögen für Hartz-IV-Bezieher in Höhe von bisher 250 Euro pro Lebensjahr auf 750 Euro pro Lebensjahr verdreifachen wollen. Gleichzeitig soll die Klausel entfallen, wonach eine selbst genutzte Immobilie bloß dann zum Schonvermögen gehört, wenn sie eine "angemessene Größe" hat. Schließlich werden die Zuverdienstgrenzen bei Hartz IV erhöht.

Mit ihrem Maßnahmenpaket zum Hartz-IV-Komplex betreibt die künftige Regierungskoalition eine werbewirksam Imagepflege, um den ihr vorauseilenden Ruf "sozialer Kälte" zu entkräften. Darüber hinaus verteilt sie ein Trostpflaster an jene Transferleistungsempfänger, denen es noch verhältnismäßig gut geht. Doch hat in Ostdeutschland nur die Hälfte der Betroffenen überhaupt Vermögen, das geschont werden kann; eine Immobilie nennt bloß eine kleine Minderheit ihr Eigen. Auch die Möglichkeit des Zuverdienstes haben längst nicht alle, die Arbeitslosengeld II beziehen.

Diese Maßnahmen dürften überwiegend Angehörigen der Mittelschicht zugutekommen, die vor einer länger währenden Arbeitslosigkeit noch am ehesten private Altersvorsorge - etwa in Gestalt einer Kapitallebensversicherung - betreiben konnten. Außerdem profitieren Versicherungskonzerne und Banken davon. Es ist natürlich ein gutes Verkaufsargument, wenn ein Finanzprodukt vor der Anrechnung bei Hartz IV geschützt ist. Ist es bloß Zufall, dass die FDP, die sich wie keine andere Partei für ein höheres Schonvermögen bei der Altersvorsorge eingesetzt hat, mit Abstand die höchsten Großspenden aus eben dieser Branche erhält? Begünstigt werden natürlich auch die Bauindustrie und der Immobilienhandel - und jene Unternehmen, die dank der höheren Zuverdienstmöglichkeiten jetzt noch mehr Hartz-IV-Bezieher/innen als preiswerte Arbeitskräfte rekrutieren können. Das nennt man eine staatliche Subventionierung von Niedriglöhnen.

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13 Kommentare

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  • BS
    Bärbeiß Satirius

    die sitzen in des Staates Falle

    die irre fordern für uns alle

    noch mehr und immer mehr zu geben

    zu fröhnen einem leichten Leben,

    sie werden Staates Sklave sein

    sich schwächend kaum noch regen

    dem Freien neiden dessen Wein

    der ihm für Mühsal wird gegeben

  • M
    mickaela

    Bürgergeld wäre ein Ansatz. Allerdings nicht in der von der FDP vorgesehenen Höhe. Dazu Schiedsstellen für unabwendbaren Bedarf, sowie Miete nach dem WBG und wir hätten nicht nur 100.000 Klagen weniger, sondern das schmutzige Geschäft mit den 1 Eurojobbern, die überflüssigerweise auch noch sozialversicherungspflichtige Jobs ersetzen/überflüssig machen, sowie die sündhaft teuren "Maßnahmen" die nichts bis gar nichts bringen (außer den Maßnahmeträgern - bis zu € 1.200.--! im Monat) würden entfallen. Hier tut sich doch eine ganze Industrie an den Empfängern gütlich. Dass das ausgezahlte Geld sofort wieder in den Kreislauf fließt, wird auch gar zu gerne vergessen...

  • LP
    Ludwig Paul Häußner

    Altlinke Argumentation statt neuer Lösungsansatz

     

    ------------------------------------------------

     

    Als Professor gehört Herr Butterwegge sicherlich zu den (lebenslang) gut verdienenden MitbürgerInnen.

     

    Er beklagt, dass die Mittelschicht (wer ist das eigentlich in Abgrenzung zur "Unterschicht" und "Oberschicht"?) relativ mehr von Steuersenkungen oder höheren Freibeträgen hätte als die "Unterschicht". Dabei muss er sich nur die Systematik des progressiven Einkommenssteuertarifs ansehen. Im Falle von höheren EK-Steuerfreibeträgen haben natürlich die mit hohem EK-Steuersatz belasteten MitbürgerInnen den relativ größeren Vorteil an Steuerentlastung. Menschen bzw. mit HARTZ IV Einkommen, zahlen zwar keine EK-Steuer wohl aber die indirekten Steuern und die MwSt. Weshalb gibt es denn nicht schon längst einen MwSt-Grundfreibetrag?

     

    Not-wendig ist deshalb zuerst ein Umdenken, zu dem gerade Professoren intellektuell in der Lage sein sollten.

     

    Wir brauchen ein Grundrecht auf Einkommen, dann könnten auch (Transfer-)Einkommen für Kinder (wie das Kindergeld) nicht auf das Familieneinkommen angerechnet werden, wenn deren Eltern noch HARTZ IV beziehen.

     

    Und wir brauchen ein Steuersystem für die nachindustrielle Gesellschaft, die Deutschland längst ist (nur noch 20 % der Beshäftigten arbeiten in der Industrie und 72% im Dienstleisungs- und Wissensektor, der Rest von 8% in Landwirtschaft und Baugewerbe). Soll heißen: Die Besteuerung findet erst am Ende der Wertschöpfung statt; am Übergang zum Konsum.

     

    Konkret bedeutet dies, dass wir die MwSt von derzeit 19% schrittweise auf 25% erhöhen sollten, wie dies heute bereits in Schweden, Dänemark und Ungarn EU-konform der Fall ist.

     

    Die eine Hälfte wird zur Deckung der Haushaltslöcher der öffentlichen Hand und der Sozialkassen verwendet und die andere Hälfte wird pro BürgerIn als MwSt-Freibetrag ausgezahlt - über die persönliche Steueridentnummer, die inzwischen schon jeder Säugling hat. Das wären anfänglich 100 € pro Person und 400 € für eine vierköpfige Familie und in der (vorläufigen) Endstufe immerhin 400 € bzw. 1.200 € järhlich.

     

    Durch diese a b s o l u t e Gleichstellung hätten die Familen Maier, Müller und Schule relativ mehr als die Familien Ackermann, Werner und Zumwinckel.

     

    Wie gesagt nicht lamentieren ist angesagt, sondern ein neues (linkes?!) Denken.

     

    Ludwig Paul Häußner, Karlsruhe

  • O
    Oliver

    Die Hartz-IV-Sätze für Kinder sind in meinen Augen ganz klar zu niedrig, außerdem richtet sich die soziale Situation der Kinder nach der Lage der Eltern. Das finde ich im Prinzip ungerecht, weil es Kinder gibt, die faule Eltern haben, die haben dann halt pech mit Hartz-IV - die müssen dann eben richtig verarmen. Andere Kinder haben Glück, deren Eltern verdienen gut und sind vermögend - die werden immer mehr bekommen.

    Kinderarmut dürfte doch in einem reichen Land wie Deutschland gar kein Thema sein oder werden - warum ist das so?

    Weil die Politiker eine große Koalition zur sozialen Ausgrenzung von Menschen verabschiedet haben. Da fallen Rentner, ältere Arbeitslose, Jugendliche und eben auch Kinder in einen Armutskreislauf - der zu nichts Gutem führt und führen kann.

    @Nadi

    Da würde ich Ihnen auf jeden Fall zustimmen. Letztlich wäre ein echtes Bürgergeld besser, weil das auch die Bürokratie und den Irrsinn von Druck, Gängelung und 1-EURO-Jobs abschaffen könnte. Wer zum Beispiel einen solchen Job macht und Kinder hat, der erhält zwischen €0,40 und €0,60 mehr pro Stunde!

    Und hier führt der Staat Regie, d.h. es ist eine politische Entscheidung, solche Miniaufschläge zu einem 30-Stunden-Job zu geben. Daran kann der interessierte Leser auch erkennen, wie die Bundesregierung über Hartz-IV und Kinder wirklich denkt. Viele Eltern erhalten gar kein Job, wenn der Arbeitgeber sieht, dass sie Kinder haben, weil die eigenen Kinder natürlich wichtig sind und dann mal hier eine Stunde, dort ein halber Tag fehlt.

    Da stellen sie lieber Singles ein. Deswegen führt Hartz-IV bei Eltern auch nicht zu besseren Ergebnissen.

    Und Arbeitsplätze fehlen in Deutschland in großer Zahl. Das ist absurd zu behaupten, es könne jeder eine Beschäftigung finden. In Städten wie München oder Frankfurt bräuchte eine Familie mit einem Kind schon €1500 bis €2000 Netto, damit nicht Armut eintritt. Und das liegt an hohen Mieten, die vielfach nicht angegangen werden, weil sozialer Wohnungsbau Geld kostet und Probleme produzieren kann.

    Ich denke, dass es für Kinder mindestens den Erwachsenen-Satz geben müsste. Auch müssten Kinder von Hartz-IV-Kindern in Schulen und Kindergärten weitgehend von Kosten und Gebühren befreit werden.

    Grundsätzlich braucht unser Land aber eine andere Sozialpolitik. Wenn arme und schwache Menschen zu regelrechten Feinden erklärt werden - wenn diese mit abartigen Bildern als Parasiten und Schmarotzer gebrandmarkt werden, ist das absolut gegen das Grundgesetz §1 Die Würde des Menschen ist unantastbar.

    Bisher kann ich auch nicht erkennen, wo Hartz-IV funktionieren würde. Nach Lektüre einiger Quellen sind sogar Blinde und Gehbehinderte umfangreich für arbeitsfähig erklärt worden, um sie in Hartz-IV zu quetschen. Nach einer Studie vermittelt ein full-time Vermittler bei der ARGE gerade mal einen Arbeitslosen pro Monat!

    Wo Hartz aber gewirkt hat: Die Löhne in gewerkschaftsfernen Branchen kippen stark nach Unten. Ich habe gehört, dass Sicherheitsleute Aufstockanträge sogar bei den Firmen mitnehmen konnten, damit sie mit weiteren Kürzungen einvertanden sind. (Sonst wird halt entlassen und jemand anderes kommt)

    Ich hoffe, dass dieses Verfahren an den Tag bringt, dass Armut für Kinder (und Arbeitslose) zu Nichts führt. In ein paar Jahren wird es sehr deutlich sichtbar sein, welche Familie von Hartz lebt und welche nicht. Nur, wer dann eifrig betrügt und täuscht, kommt dann noch über die Runden. Das kann ja wohl kein Modell sein, immerhin würden dann viele Menschen sich so ähnlich verhalten wie Politiker ...

  • L
    Lou

    @Nadi: so schauts aus.

    Steinmeier betont, er sei "stolz" auf die Agenda 2010. Da ist alles klar.

  • P
    P.J

    Es ist ein absolut unwürdiger Vorgang, das sowas in einem solchem Land wie dem Unseren überhaupt passiert, dass es Kinderarmut gibt und deren Regelsätze zu nieder sind. KInd ist man laut Gesetz von Geburt bis zur Volljährigkeit.

    Noch perfider im Sparwahn ist, das die Unter 25 Jährigen Volljährigen jungen Erwachsenen, die per Gesetz keine Kinder mehr sind, von der Arge aber wie Kinder/Jugendliche von 16 - 18 behandelt werden, nebst dessen niedrigeren Regelsatz udn Stallpflicht haben und nicht ausziehen dürfen, so sie es nicht vor dem Stichtag getan haben. Junge Erwachsene werden so degradiert und quasi enteignet und entmündig. Weil diese ja quasi Schmarotzer auf Kosten des Staates sind, wie der Rest der Transferbezieher und ab 18 natürlich den Sozialstaat zu viel kosten, wenn sie den Regelsatz eines Erwachsenen, der sie ja eigentlich sind, beziehen, also missbräuchten 18+ die Sozialleistungen, weil sie es wagen volljährig zu sein. Früher senkte an die Grenze von 21 auf 18 wann man volljährig war, heute sollte man sie wieder erhöhen auf 25 oder 30??? DAnn wären wenigstens alle gleich, ob HArtz4ler oder der den es nicht betrifft. Apropos Gleich, man sollte alle Transferbezieher gleich behandeln, was aber nicht heissen soll, dass man diesen den Regelsatz auf den von Kleinkindern senkt oder alle diese in die Schublade unnötiger Schmarotzer steckt.

  • JK
    Juergen K.

    Und wenn man 60 / 70 % eines Erwachsenen Bedarfes NACH "Strom und Telefon" genommen hätte,

    was der Erwachsene auch für sein/e Kind/er bezahlt,

    sähe es noch düsterer aus.

     

    Der Erwachsene erhält in der Tat so auch nur 60% seines Bedarfes.

     

    Die Realität spottet jeder theoretischen Zahlen- und Prozentspielerei.

     

    Leidkultur.

  • N
    Nadi

    Die Sache ist sicherlich ein Skandal, aber es war nicht lange her, da wurde von einer großen Mehrheit der Parteien beschlossen, dass Arbeitslose nur Leistung gegen Leistung erhalten sollten. Und deswegen wurde Hartz-IV motivierend niedrig veranschlagt. Wer will schon die eigenen Kinder in Armut aufwachsen sehen? Damit das also hübsch motiviert, werden die Sätze sehr niedrig gehalten - dies stellt ja pure Motivation für die Betroffenen dar und dann kümmern sich selbst schnell um Arbeit und das Problem ist gelöst.

    Dieser Kern ist die eigentliche Idiotie des ganzen Gesetzes.

     

    Zum einen ist es nicht allen Arbeitslosen möglich, ihr Schicksal sofort so zu ändern, dass sie die Armut ihrer Kinder beseitigen können. Es gibt eben nicht genug Arbeit für alle, und oft ist die auch nicht gut genug bezahlt. Daher haben sich Aufstocker in Deutschland breit gemacht.

     

    Mehr Menschen arbeiten in einem festen Full-Time-Job und müssen dennoch per Hartz-Sätze aufstocken. Gerade bei dieser Gruppe sind viele Eltern dabei, weil es durch Hartz-IV die Möglichkeit zu einem Kombilohn überhaupt gibt. Bei einigen Betrieben wird ein wenig gemauschelt, da erhält der eine oder andere etwas mehr, verdeckt, bei den allermeisten sind diese Armutslöhne aber die Realität.

    Anders: Auch wer arbeitet, kann arme Kinder haben und auch wer arbeitet, kann Hartz-IV beziehen und immer noch arme Kinder haben. Dass dies so ist, daran haben interessanterweise alle Parteien ausser den Linken Anteil. Diese Parteien waren in großer Geschlossenheit für so ein Modell. Und in der Debatte ging es damals überhaupt nicht um Kindern, sondern um eine Art Ausnahmezustand: Arbeitslose, die gar nicht arbeiten wollen und die sich nicht vermitteln lassen. Dass in den alten Arbeitsämtern kaum noch vermittelt wurde, war schon damals ein Skandal, wurde aber liebend gerne ausgeblendet, um die Mär der faulen Arbeitslosen ins Leben zu rufen.

    An erster Stelle war damals Wolfgang Clement für eine harte Hand gegen Arbeitslose und deren Kinder zu haben.

     

    Seit Einführung dieses Gesetzes steigt die Armut und Verarmung von Familien und Kindern an. Die dürren Sätze zwingen zu allem und nichts - viele Arbeitslose haben irgendeine Arbeit angenommen, nicht ausreichend verdient und wurden bald wieder gekündigt. Eine kaputte und irreale Branche an Zeit- und Leiharbeitsfirmen versucht, Arbeitnehmer brutal auszubeuten, auszuwringen und sich dies auch noch vom Arbeitsamt bzw. den ARGEn bezahlen zu lassen.

     

    Ich würde sagen, dass es sehr viel mehr bedarf, um die Armut von Kindern zu lindern. Die Sätze sind das eine - das ist sicherlich sehr wichtig, aber die Philosophie und das negative Image von Arbeitslosen ist das Andere. Ein verarmtes Kind motiviert sicherlich, aber aus welcher Richtung und wozu? Zu einem miesen Job und dann immer noch Hartz-IV?

     

    Die Parteien haben sich bisher von Sozialpolitik und Arbeitsmarktpolitik verabschiedet. Gerade die SPD findet weder zu sich selbst, noch zu einer Neuausrichtung, stattdessen hat sich die SPD mit Steinmeier einen ausgewiesenen Beführworter der Hartz-Politik an die Spitze der Fraktion gestellt. Steinmeier wird zwar viele Debatten und Auseinadersetzungen mit der Partei an sich erleben, aber das Signal zum Aufbruch fehlt bei der SPD.

     

    Sogar Parteilinke dort behaupten, dass die Hartz-IV-Gesetze zu einem sichereren Sozialstaat geführt hätten. Sicher für wen, wäre wohl als Frage angebracht? Jedenfalls nicht für Kinder von Arbeitslosen oder anderen Hartz-IV-Beziehern. Bleibt die Hoffnung auf Einsicht bei den anderen Parteien, wobei die FDP sicherlich nicht Adressat ist oder wird. Aber bei Grünen, Linen, CDU und CSU könnte schon umgedacht werden.

  • S
    SchweinohneGrippe

    Ich verstehe gar nicht die Aufregung. Gemäß dem allgemeinen Konsens unserer gesellschaftlichen/politischen Elite ("wer nicht arbeitet soll auch nicht essen")ist es doch nur folgerichtig, dass die Unproduktiven (Kinder, Kranke, Arbeitslose und Alte)sich selbst um ihr Überleben kümmern sollen. Wenn sie es schaffen sollten sind sie in unserer Gesellschaft herzlichst Willkommen! Menschenwürde kostet nur Geld.

  • L
    Lachriz

    IDas ist alles sicher richtig, hat aber offensichtlich viele Menschen nicht davon abgehalten, diese Regierung zu waehlen. Und die Gruenen finden diese Klientelpolitiker im Saarland offensichtlich koalitionsfaehig.

  • M
    Mika

    Bei den taz-Artikeln zu den Überlegungen der aktuellen Regierung zu Hartz-4 könnte man meinen, die neue Regierung hätte Hartz-4 erst erfunden. Das waren allerdings die Parteien des 'linken Projektes', des rot/grünen, SPD und Grüne.

    Das die Hartz-4 Sätze, nicht nur für Kinder, kaum zum Leben reichen und Hartz-4 den Betroffenen kaum Chance zum entkommen bietet, war von Anbeginn so. Es war auch genau so geplant von rot/grün. Die Argumente erspare ich uns hier. Wir sollten das nicht vergessen.

  • J
    jangrothe

    Tja das ist immer so ein Ding mit dem Grundeinkommen, entschuldigung: mit Hartz IV. Die Gesellschaft muss zwischen zwei sinnvollen Überlegungen abwägen: Einerseits soll jeder in Würde leben können, auch wenn er sich unverschuldet seinen Lebensunterhalt nicht mehr selbst verdienen kann. Andererseits soll der Anreiz, sich in dieser sozialen Absicherung langfristig einzurichten, möglichst klein bleiben (wejen die Kosten für die Gesellschaft). Wie immer also eine Kosten- und Nutzenabwägung. Die gesellschaftliche Abwägung erfolgt im Zuge eines Diskurses, in dem beide Seiten ihren Standpunkt vertreten; dabei kann als Diskurstaktik zugespitzt formuliert werden - nach dem Motto: Nur wer laut schreit, wird wenn überhaupt gehört.

     

    Also vertrete ich mal die andere Seite.

    1) Hartz IV übernimmt de facto die Funktion eines Grundeinkommens.

    2) Die konstant hohe Zahl von Langzeitarbeitslosen zeigt, dass dieses Grundeinkommen jedenfalls so hoch ist, dass es sich für viele nicht lohnt zu arbeiten. Sonst würden sie ja arbeiten.

    3) Wenn das Ziel der Gesellschaft ist, dass möglichst viele Menschen arbeiten, dann sollte das Grundeinkommen (auch der MIndestlohn) gesenkt werden.

     

    Zu 3):

    -Inwieweit man "Arbeit=gut" und "Arbeitslos=schlecht" setzen soll, ist natürlich auch diskussionswürdig. Natürlich hat der Staat ein Interesse daran, denn "Arbeit=Steuern und weniger Sozialausgaben".

    - Andere gewöhnlich angeführte Gründe für "Arbeit=gut" ist ja die Selbstverwirklichung und die Einbindung in die Gesellschaft durch Arbeit. Also gilt in weiterem Sinne "Arbeit=Menschenwürde". Also: Durch Arbeit erreicht man Selbstverwirklichung und wahrt damit seine Würde. Durch Grundeinkommen kann der materielle Lebensstandard gesichert werden, womit man auch seine Würde wahrt. (Würde=nicht gegen seinen Willen aus der Gesellschaft fallen müssen). Beim direkten Vergleich ist Arbeit das mächtigere Mittel zur Wahrung der Würde. ALso sollte der Staat doch stärker Arbeit fördern als einfach Wohltaten zu verteilen. Arbeit fördern durch Anreize wie ein niedrigeres Grundeinkommen.

     

    Lasst uns also Hartz IV senken um die Menschenwürde zu stärken!

  • CW
    C. Weber

    Die Kinder sind die tatsächlichen Verlierer. Leider garantiert ein höhrere Regelsatz für Kinder oder einmalige Beihilfen (Schulbeihilfe) keine Besserstellung der Kinder. Es ist nämlich nicht nachvollziehbar, ob die zusätzlichen gezahlten oder höheren Leistungen tatsächlich den Kindern zu Gute kommen oder von den Erziehungsberechtigten in mannigfaltiger Weise anderweitig eingesetzt werden. Den Grundsicherungsträgern sind die Hände gebunden; eine Einforderung von Belegen ist bspw. bei der Schulbeihilfe nicht vorgesehen. Schade.