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Debatte Hartz IVNeofeudaler Elitedünkel

Kommentar von Rainer Kreuzer

Brauchen Arbeitslose nur den richtigen Anreiz, um arbeiten zu gehen? Dieser Glaube beruht auf einem zutiefst antiaufklärerischen Menschenbild

W enn wie jetzt über die Höhe der Unterstützung für erwerbslose Menschen gestritten wird, hat sich seit der von Gerhard Schröder verkündeten "Agenda 2010" ein Glaubensdogma etabliert: Arbeitslose brauchten Anreize, so heißt es, damit sie wieder eine Arbeit annähmen.

Dieses Glaubendogma geht davon aus, dass Arbeitsplätze im Prinzip angeblich genügend vorhanden wären, das eigentliche Problem sei vielmehr die Lustlosigkeit der Arbeitssuchenden. Von sich heraus habe der Mensch, so die Unterstellung, auf gar nichts Lust - außer regungslos auf dem Sofa zu liegen. Erst wenn ein finanziell messbarer Anreiz vorliege, würden Gehirnzellen und Gliedmaße in Bewegung gesetzt. Aber: Ginge es nach diesem neoliberalen "Naturgesetz", hätte die taz mit ihren anfangs absolut reizlosen Einheitslöhnen niemals gegründet werden dürfen.

Das Menschenbild, das hinter diesem Glaubensdogma steckt, ist mit dem emanzipatorischen Teil unserer europäischen Werte absolut unvereinbar: Gemeint sind die Würde des Menschen, die Freiheit der Person und Werte wie Verantwortung, Selbstverwirklichung, Mündigkeit und demokratische Gemeinschaft. Nichts von alldem ist denkbar, wenn man den Menschen auf einen rein mechanischen Reiz-Reaktions-Organismus reduziert. Dieses Menschenbild entspricht vielmehr jener Psychologie aus dem euphorischen Industriezeitalter, die das naturwissenschaftliche Kausalitätsgesetz umstandslos auf die Erforschung menschlichen Verhaltens zu übertragen versuchte. Sinnbild für dieses Denken ist der pawlowsche Hund, der auf einen akustischen Reiz so voraussehbar reagiert wie eine Maschine: ohne Reiz keine Reaktion.

Rainer Kreuzer

lebt als freier Journalist in Hamburg und ist dort auch als Sozialpädagoge tätig. Seine Themenschwerpunkte sind Sozialpolitik und Wirtschaft.

Der maschinelle Mensch

Dieses Modell passte einst gut zum Regime der Arbeitshäuser und Besserungsanstalten, die für "umherziehendes Gesinde" eingerichtet wurden. Der Mensch sollte - mit Zuckerbrot und Peitsche - an den neuen Rhythmus der Maschine angepasst werden. Der Rückgriff auf den Verhaltensmodus von Tieren verwundert da kaum, denn die mechanische Psychologie kannte keine Seele. Zwischen der Wahrnehmung einer Information (Reiz) und dem darauf folgenden Handeln (Reaktion) fehlte die vermittelnde Persönlichkeit. Die neoklassische Ökonomie, auf der die Anreiz-These basiert, griff dieses Menschenbild auf, um zu begründen, warum der Mensch nur durch ständigen Wettbewerbsdruck zur Leistung bereit sei.

Was diesem Homo oeconomicus fehlt, ist das typisch Menschliche: In der Bibel ließ Gott den Menschen die Wahl zwischen Gut und Böse. Adam und Eva reagierten nicht stumpf auf einen Anreiz, sondern trafen nach Gesprächen mit der Schlange und vernünftigen Abwägungen ihre freie Entscheidung, vom Baum der Erkenntnis zu kosten. Immanuel Kant nannte dies Autonomie: "Die Eigenschaft des Willens, sich selbst ein Gesetz zu sein." In der Kritischen Psychologie spricht man von Handlungsfähigkeit: Sie besagt, dass jeder Mensch von sich heraus über die Fähigkeit verfügt, sein Leben aktiv schöpferisch zu gestalten, und über den Impuls, von sich heraus etwas zu bewegen.

Pawlowsche Persönlichkeit

Äußere Anreize steuern das Verhalten nicht mechanisch. Es verhält sich genau umgekehrt: Der Mensch steuert sein Verhalten, indem er die Reize aus seiner Umgebung sortiert, nach ihrer Bedeutung gewichtet, die einen stärker bewertet und andere ausblendet. Er reagiert nicht nur stumpf, sondern steht selbst aktiv im Zentrum seiner Wahrnehmung und seines Handelns. In Artikel 2 der Grundrechte ist dieser Gedanke der Aufklärung verankert: Die freie Entfaltung der Persönlichkeit gilt als unverletzbar.

Bis zum Fall des Eisernen Vorhangs galt diese freie Entfaltung der Persönlichkeit als der entscheidende Vorteil unserer "freien Welt" gegenüber dem "Reich des Bösen". Nachdem Letzteres verschwunden ist, greifen Meinungsführer aus der Wirtschaftslobby immer häufiger auf vorbiblische Menschenbilder zurück: Sie billigen den Menschen am Rande des Arbeitsmarktes eine eigene, reife Entscheidung nicht mehr zu, sondern meinen, sie durch Anreize direkt steuern zu müssen. Der Atomindustrie hingegen billigte diese Regierung einen eigenen legitimen Willen zu, den es zu berücksichtigen galt.

Der gewöhnliche Mensch gilt in der neoliberalen Ideologie als "Gewohnheitstier": Er meide "von Natur aus Veränderungen" und folge seinen primitiven Instinkten. Nur die, die so reden, nehmen sich selbst von diesem Menschtypus aus. Sie sehen sich dazu berufen, Anreize zu verteilen, ohne selbst dazu motiviert werden zu müssen. Das ist neofeudaler Elitedünkel, in dem sich eine tiefe Verachtung gegenüber der Aufklärung ausdrückt - gegen das autonome Subjekt, das von sich heraus eigenständig fühlt, denkt und handelt, ohne sich im vorauseilenden Gehorsam den Geboten der Ökonomie unterzuordnen. Tatsächlich bedarf es ja saftiger Anreize, um die Menschen in Arbeitsverhältnisse und auf Lohnniveaus zu drücken, wie sie "die Märkte" gerade verlangen.

Sind Manager ohne Boni faul?

Die Manager unserer Skandalbanken bestätigen ihr Menschenbild hingegen auf zynische Weise. Ohne sechsstellige Bezüge oder millionenschwere Boni hätte ihnen womöglich der Anreiz gefehlt, mit jenen aberwitzigen Finanzluftschlössern zu handeln, mit denen sie die Welt vor zwei Jahren bis an den Rand des wirtschaftlichen Abgrunds brachten. Heißt das, unsere Boni-Banker sind von Natur aus faul? Würden sie ohne Spitzengehälter nur träge auf dem Sofa liegen? Zumindest gesteht diese Anreizelite damit ein, dass sie selbst kein Konzept von Arbeit besitzt, das auf der Freiheit der autonomen Persönlichkeit beruht.

Zwischen Mensch und Arbeit scheint es eine immer größere Kluft zu geben, die ruckartig durch Anreize (Armut für die einen und Boni für die anderen) überbrückt werden soll. Der zutiefst menschliche Wunsch, "etwas um seiner selbst willen gutzutun", den der US-Soziologe Richard Sennett einst im Handwerk erkannt hat, braucht jedoch keine Anreize, um sich auszudrücken, sondern eine solidarische Gesellschaft, die Sicherheit und Anerkennung bietet, um sich schöpferisch entfalten zu können.

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29 Kommentare

 / 
  • M
    Markus

    @ bibo:

     

    Deinem Kommentar entnehme ich, dass sich ein abhängig Beschäftigter angeblich zwischen verschiedenen Löhnen bzw. "Arbeitsverhältnissen" entscheiden könnte ... freie Marktwirtschaft, gelle. Arbeitnehmer können sich demnach ja angeblich aussuchen, ob sie für einen Lohn arbeiten wollen oder nicht und sich einen anderen Arbeitgeber suchen wollen.

     

    Diese erbärmliche Verdrehung der Realität, die dann noch den Niedriglöhnern die Schuld dafür in die Schuhe schiebt, so wenig zu verdienen, muss man den Wirtschaftswissenschaften hochgradig anlasten.

     

    Tatsächlich hat kaum ein abhängig Beschäftigter auch nur ein wenig Einfluss auf seinen Lohn. Bezahlt wird, wenn man Glück hat, nach Tarif, wenn man Pech hat, drunter oder "nach Leistung", berechnet nach Gutdünken des Arbeitgebers, was dann meist noch eine Stufe tiefer ist.

     

    ALG und HartIV sollen EIGENTLICH dem abhängig Beschäftigten ein wenig Luft verschaffen, nicht jede noch so sittenwiedrig niedrig bezahlte Schwerstarbeit annehmen zu müssen. Dass sich die Argen hier als Presspatrouille missbrauchen lassen, Menschen in eben solche Arbeitsverhältnisse zu drängen, ist schon fast kriminell.

     

    Hier aber zu behaupten, der Mensch definiere sich selbst einen Preis für die Arbeit, grenzt an eine bewusstes Missverständnis der Realität, dass sich die Frage aufdrängt, ob du Wirtschaftswissenschaften oder sogar nur Jura studierst? Kennst ja den Spruch:

     

    "Er studierte Jura und war auch sonst von mäßigem Verstand."

  • T
    Tschabaladores

    Schön, dass Sie in Ihrem Artikel den emanzipatorischen und aufklärerischen Gedanken hochhalten!!! Wenn man so die veröffentlichte und öffentliche Meinung des Mainstreams zum Thema Hartz 4 verfolgt, bekommt man das Gefühl, es droht ein dunkles Zeitalter von Barbarei, Inquisition oder schlimmstenfalls Faschismus. Sozialdarwinistisches Denken, der Mensch nur noch als Mittel zum Zweck (der Profitmaximierung) - aber mal ehrlich: Ist dies nicht der kapitalistischen Produktionsweise inhärent? Wer also die Entmenschlichung und Degradierung des Menschen zum reinen Handlanger und Untertanen beklagt sollte die Dinge auch beim Namen nennen. Und wer wirklich etwas verändern will, sollte eine Gesellschaft anstreben, in der der Mensch und seine Bedürfnisse sowie die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen rational in den Mittelpunkt gestellt werden und nicht das vollkommen irrationale Profitsystem. Wer die Emanzipation und Aufklärung konsequent weiterdenkt, muß eine partizipatorische Demokratie bei vergesellschafteten Produktionsmitteln und gesellschaftlicher Planung der Wirtschaft anstreben. Der Kapitalismus hat sich überlebt und gehört auf den Scheiterhaufen der Geschichte.

  • G
    Gobilo

    Treffender ist es, die gedankliche Rückkehr zu den Wurzeln zu betreiben. Wer Hunger oder Durst hat, versucht, das Bedürfnis zu befriedigen. Von der natürlichen Art und Weise sind Mitteleuropäer seit der Industriezeit entwöhnt. Sie gehen auf "Maloche", werden entlohnt und können dann "konsumieren". Fehlt die Maloche, bleibt dennoch der Hunger. Der wird nicht befriedigt. Dafür gibt es unter bestimmten Umständen abgezählte Gelder, um Konsum zu ermöglichen mit dem Ziel, den Hunger zu stillen.

    So war die Theorie. Fehlt aber immer verbreiteter die "Maloche", kracht es im Gebälk...Bis der Mensch entdeckt, dass er "Arbeit", wie sie früher definiert wurde, eigentlich gar nicht braucht... Befreit von Lasten, von denen schon in der Bibel zu lesen ist...

  • K
    Knut

    Eine sehr einfache Widerlegung dieses simplen Menschenbildes stellen die Menschen dar, die sich immer wieder als Feinde der ALG II Bezieher zu Wort melden: Erich Eifrig, 44, arbeitet 60std+ am Tag und hat weniger Geld als sein Hartzer-Nachbar, der faul auf dem Sofa sitzt und Kinder zeugt.

    Auch wenn man an der Realität dieser Selbstbeschreibungen in Kommentaren und Leserbriefen Zweiffel anmelden kann, scheint es sie doch zumindest im Ansatz zu geben: Menschen, die viel arbeiten und weniger Geld verdienen, als wenn sie nicht arbeiten würden.

    Nebensächlich in diesem Zusammenhang ist zwar, dass sie ihren Berufsgenossen damit einen Bärendienst erweisen, indem sie beim bösen Spiel des Lohndumpings mitmachen.

    Jedoch im Spiel von Anreiz und Reaktion sind genau diese Arbeitswütigen ein Zeichen für den Fehler dieses Gedankengebäudes.

  • H
    Hans

    Ich finde den Kommentar ganz gut, allerdings ist dieses Menschenbild auch eine ganz gute Entstellung der wirklichen Finanzierung von Sozialstaat und Arbeitslosenabsicherung: Der Bürger zahlt für diese Leistung. Und die Unternehmen steigen aus diesem System - dank einer starken Lobby - immer mehr aus. Gerade die Steuerfinanzierung von Hartz-IV ist ein Weg in die Sozialhilfe für Arbeitslose.

    Ich vermute, dass dieses System zu vielen Problemen führen wird, wenn Deutschland tatsächlich wieder massiv Arbeitskräfte braucht, denn aus dem Ausland lässt sich dann die Lücke nicht füllen. Zum einen werden viele qualifizierte Kräfte nicht kommen, für die gibt es Neu-Seeland, Kanada, Amerika und Australien. Zum anderen ist die Fremdenfeindlichkeit und die bürokratische Regulation nicht reizvoll.

    Außerdem riskieren die Politiker eine rechtsradikale Beweugung, wenn sie mehrere Millionen Arbeitslose und Sozialgeld-Bezieher haben, aber gleichzeitig 150.000 Arbeitskräfte aus dem Ausland haben wollen.

    Das wird nicht gehen.

    Deswegen wird dieses abstruse Menschenbild bald Risse haben und es ist an den Parteien, Wissenschaftlern und Gewerkschaften ein neues Gesetz für Arbeitslose zu entwerfen. Hartz-IV ist eine gescheiterte Reform, die eher kulturelle und ökonomische Werte transportiert, als eine realistische Zielsetzung für die Integration von Arbeitslosen.

    Bei der massiven Erfolglosigkeit von ARGEn müssen dann immer wieder neue Ballons an den Himmel gebracht werden, damit der Durchschnittsarbeitnehmer nicht merkt, wie er um seine Steuern und Sozialabgaben geprellt wird, aber im Notfall im Regen vergeßen wird.

  • B
    BiBo

    Nun ja in der volkswirtschaftlichen Lehre gibt es ja den Begriff der "freiwilligen" Arbeitslosigkeit.

     

    --> http://www.wirtschaftslexikon24.net/d/freiwillige-arbeitslosigkeit/freiwillige-arbeitslosigkeit.htm

     

    Zusammengefasst, Je niedriger die Loehne, desto groesser die Arbeitsnachfrage der Unternehmen, je hoeher die Loehne, desto groesser das Arbeitsangebot der Menschen.

     

    Natuerlich ein wenig komplexer. Man kann jetzt davon halten was man will, Tatsache ist aber, dass der Mensch sich selbst einen Preis fuer seine Arbeit definiert, nach welchen Kriterien auch immer - halt sehr individuell. Da staatliche Leistungen so gesehen einen Mindestlohn darstellen - denn das ist der "Lohn" den man bekommt wenn man nicht arbeitet (die Gruende spielen hier keine Rolle). Je hoeher dieser "Lohn" (also auch Grundeinkommen), so koennen sich immer mehr Einkommensgruppen entscheiden, was sie machen, nicht arbeiten oder Arbeit suchen (den Aspekt ob man welche findet klammere ich hier aus).

    Das heisst, bei 1000Eur netto z.b. bleiben ne ganze Menge zu Hause und die Frage ist auch, wie dieses dann finanziert wird.

     

    So und bevor ich nun als totaler Kapitalist abgestempelt werden. Ich halte Gewerkschaften fuer unverzichtbar und befuerworte einen Mindestlohn, der wirklich spuerbar ist. Aber halt als Gegenwert zur gelieferten Arbeit. Da Kosten aber nicht alles sein sollten, muessen sich dann die Produkte und Ergebnisse an der Qualitaet orientieren, denn dann finden sich auch Abnehmer (ohne diese kein Verkauf, keine Kohle, kein Mindestlohn). So koennen Unternehmen den Mindestlohn zahlen.

     

    Und am Rande, beim Gehalt von Managern und Bankern wird macht der Bonus den Groessten Teil aus. Alos versuchen diese diesen so hoch zu gestalten, wie es geht. Wann bekommt man einen hohen Bonus? Wenn die Ziele erreicht oder uebererfuellt sind. NUn ist die Frage, was steht in diesen Zielen. Waeren diese anders formuliert, oekologischer, nachhaltiger, langfristiger, sozialer, dann wuerden die Personen zo handeln, denn der Anreiz den Bonus so hoch wie moeglich zu bekommen ist ja da. Nur solange der Shareholder Value (und das ist auch und vor allen bei Unternehmen der Fall, wo der Bund die Mehrheit hat, Telekom, Bahn) die oberste Maxime ist, kuemmert sich keine Sau um die Umwelt.

  • K
    Karola

    Es wird immer verschiedene theoretische Richtungen geben zwischen Behaviorismus, auch Rattenpsychologie/Verhaltenstherapie genannt und den gesprächstherapeutischen, analytischen, ganzheitlichen Gruppen.

     

    Die Frage ist, welche Menschentypen wenden sich welcher Richtung zu.

    Schröder und die anschliessenden Akteure von Arbeitsmarktpolitik haben noch das alte, deutsche Erziehungsmodell im Kopf nach dem sich ja auch heute noch viele Lehrer/innen, Ausbilder usw sehnen. Ja sagen und gehorchen, reden wenn man gefragt wird, also "schwarze Pädagogik", wie Alice Miller diese in ihren Büchern treffend und dramatisch beschreibt.

     

    Diktatur úber die Seele, die freie Entfaltungsmoglichkeit blockieren, Erziehung zum Tier bzw., arbeiten,essen, sich vermehren.Wieviel gebraucht wird, bestimmt der Staat.

     

    Ein Leben auf Stammhirnebene. Angst machen gehört dazu, Sanktionen, genau wie die Politik es seit Schröer propagiert und exerziert. Der Mensch wird schlecht geredet, eine Marketingstrategie. Denn ist der Mensch schlecht, muss man ihn beherrschen.

     

    Freie Geister sind in einer Diktatur nicht willkommen. Darum das Ganze.

  • K
    Karol

    Einen so guten Artikel habe ich lange nicht gelesen, zumal er endlich auch einmal den psychologischen Hintergrund dieser 'Wende" aufzeigt.

     

    Bei G.Schröder reagiere ich wie der pawlowsche Hund, denn warum konnte gerade dieser Mann uns alle so verführen und vorführen ?

    Selbst aus armen Verháltnissen stammend traute man ihm Hilfe zu für die Unter-Arbeiterschicht, soziale Gerechtigkeit, Chancengleichheit, weil man voraussetzte, der, der weiss wie es ist, es anders und besser machen werde als Union/FDP.

     

    Aber er hat stattdessen angefangen, diese Schicht, aus der er stammte, per Gesetz sukzessiv zu vernichten. Er hat diese Schicht, aus der er stammte, zum Abschuss frei gegeben.

     

    Warum? Schämte er sich seiner Abstammung? Wollte er bei den ganz Grossen mitmischen und vergessen, warum er gewählt wurde? Keine Solidaritát mit denen da unten, sondern jasagende Solidarität mit den Mächtigen, von denen er endlich einer war?

     

    Ich denke, dass das so war, denn sonst wáre alles jetzt nicht so, wie es ist.

    Ich denke auch, dass sehr viele Politker so sind wie er. Vergessen woher sie kommen und bedingungsloses Gehorchen den Grossen gegenüber, die sie bewundern und respektloses, verachtendens Verhalten den Kleinen gegenúber. Dazu die Psychologie/Philosophie wie der Autor sie beschreibt und keine/r muss mehr ein schlechtes Gewissen haben.

  • A
    Advaita

    Es ist wohl schon ein kleiner Unterschied ob jemand zur Maloche in einer Fabrik oder zum Schreiben von Zeitungsartikeln zu motivieren ist. Würden die macher der TAZ sich für geringe Löhne ans Band stellen oder Büros bzw. Städte reinigen? Wieviel % der Bevölkerung können kreativen Jobs nachgehen - Jobs die manche sogar ohne Bezahlung gerne machen?

  • D
    dietah

    Der Artikel ist, dass muss ich mal sagen, gut und treffend.

     

    Allerdings billige ich dem Neoliberalismus die Intellektualität nicht zu, über dieses überhaupt reflektiert zu haben.

     

    Im Grunde genommen sind es doch nur ein Haufen geldgieriger Egomanen, die billige Argumente an den Haaren herbeiziehen um ihren Profit zu maximieren und unbeschränkten Zugriff auf wehrlose Opfer zu erhalten.

     

    Mich stimmt viel nachdenklicher warum die Menschen auf diesen Zug aufspringen.

    Eigentlich hätte man sie auslachen sollen.

    Warum ist das nicht geschehen?

  • E
    ennzo

    Danke für diesen Beitrag, Dank an den Verfasser.

    Das sollten sich jene durch den Kopf gehen lassen, die ansonsten immer stolz auf ihr "europäisches Erbe" sind und in ihren Parteinamen noch das Wort "Christlich" führen oder sich "liberal" oder "sozial" nennen.

     

    Mit Verwunderung nehme ich jedoch die bis jetzt Kommentarlose Taz-Online Leserschaft zur Kenntnis!

  • M
    Markus

    Lieber Rainer Kreuzer,

     

    danke für deinen sehr guten Artikel!

     

    Wenn man die Sache konsequent zu Ende denkt, dann kann der gutbetuchte Neoliberale bald auf einen großen Pool von Menschen zurückgreifen, die betreuen, putzen, gärtnern, chauffieren, kochen und was "Hochwohlgeboren" sonst noch so braucht, weil sie von der Allgemeinheit dazu gezwungen werden, diese "Arbeitsplätze im Dienstleistungssektor" zu Minimallöhnen anzunehmen. Und um es auf die Spitze zu treiben, kann er dann die "naturgemäß" geringe Leistung dieser "Arbeitnehmer" mit einigen Peitschhieben als Anreiz noch steigern.

  • B
    BeobachterHH

    Ihren Kommentar hier eingebenExcellenter Arbeit zur Arbeitsontologie! Bravo!!! Bleibt nur hinzuzufügen, dass „Arbeit“ ja auch – wie im Artikel indirekt herauszulesen – nicht die natürlich Form menschlicher Tätigkeit ist. Als „Arbeit“ wurden früher auch nur solche Tätigkeiten bezeichnet, die von Sklaven als Dienst für Ihre Besitzer erbracht wurden. Alle anderen arbeiteten nicht, sondern waren „Freie“, die für sich selbst tätig waren und ein Handwerk verrichteten oder Ackerbau und Viehzucht betrieben usw.

     

    Heute sind wir alle dermaßen für das Kapital domestiziert wie Haustiere, dass wir so grundlegende Fragen und Begriffe kaum noch nachdenken. Genau das sollten wir aber tun. Die Zeit dafür ist überreif. Mein Tipp: es macht Sinn sich zu beschäftigen mit der „modernen Wertetheorie“, z.B. Bücher und Texte von Robert Kurz. Infos und Fachtexte findet man auch im Netz: www.exit-online.org

  • G
    gundi

    Danke.

     

    Dank für diesen Kommentar als Gegenmittel gegen die tägliche Dosis Depression, gespeist aus stereotypisch gleichgeschalteten Hetzkampagnen neoliberaler Meinungsmache.

  • HR
    Hermann Reinecke

    Ihren Kommentar hier eingeben

    Diesen Artikel sollte mal Herr Joachim Gauck lesen. Aber den versteht der wahrscheinlich nicht. Er leidet heftig an diesem Weltbild - ebenso viele Grüne und Sozialdemokraten.

  • A
    Amos

    Wer nicht auf der UNI war, und auch sonst nur ein Rädchen im Ausbeuter-System, der ist arm wenn er arbeitet und auch später wenn er nicht mehr arbeitet.

    Das spornt natürlich an! Besonders, wenn er die "Bonis" der Zocker sieht und die Selfmade Millionäre in der Politik, die Geld von den "Großen" kriegen, damit sie die "Kleinen" ständig unterdrücken, damit sie von dem großen Kuchen so wenig als möglich abbekommen. Jetzt werden einige von der skrupellosen

    FDP behaupten: "Jeder sei ja seines Glückes Schmied".

    Aber was soll jemand schmieden, wenn er weder Hammer noch Amboss hat?

  • R
    Rod

    Vielleicht sollte man die faulen Parlamentarier, Beamten, Großgrundbesitzer, Wohnblockvermieter, Manager und reiche Müssiggänger zur Zwangsarbeit auf Erdeer- und Spargelfelder, in Reifenfabriken und Callcenter treiben, damit sie einmal sehen, wo das Geld herkommt, dass sie abschmarotzen.

  • HW
    H. W.

    Antiaufklärerisch?

     

    Die Verbindung von Behavorismus, Arbeitslosigkeit und Hartz IV ist ein interessanter Aspekt, der mir in der Diskussion um das ALG II leider viel zu kurz kommt. Dass Herr Kreuzer darauf hingewiesen hat, finde ich sehr begrüßenwert. Seine Ansicht allerdings, dass diese Haltung antiaufklärerisch sei, halte ich für historisch falsch. Zumindest für den "Erfinder" der operanten Konditionierung B.F. Skinner, der in der Nachfolge von Pawlows klassischer Konditionierung zu sehen ist, gilt, dass eines seiner philosophischen Vorbilder der "Leviathan" von Thomas Hobbes ist.

     

    Hobbes mit seinem Menschenbild, dass davon ausgeht der Mensch werde durch seine negativen Eigenschaften geformt und bedürfe daher eines absoluten Herrschers, der ihn anleite, steht nun aber am Beginn "der" Aufklärung.

     

    Die Kritik daran warum sich eine Politik im 21. Jahrhundert offensichtlich immer noch an lerntheoretischen Modellen des frühen 20. Jahrhundert orientiert, die sich in ihren schlimmsten Zügen, expl. bei J. B. Watson, erschreckend sozialdarwinistisch ausnehmen, ist das Eine. Dass diese absolutistische Denkungsart gleichwohl durchaus ihre Tradition in Teilen der Frühaufklärung hat, ist das Andere. "Die" Aufklärung schlechthin als Ideal einer besonnen Poltik hinzustellen, hilft in meinen Augen nicht weiter.

  • AS
    Andreas Suttor

    Die Ausführungen über das aufklärerische Menschenbild sind vom Grundsatz her richtig und zu begrüßen. Allerdings ist es ein großer Fehler, dieses Menschenbild mit seiner schöpferischen Entfaltung mit solch unnatürlich schnöden Dingen wie Erwerbsarbeit in Verbindung zu bringen.

    Selbstverständlich brauchen alle Menschen Anreize, um einer Erwerbsarbeit nachzugehen. Wer dieses freiwillig tut und darin auch noch einen Akt schöpferischer Selbstentfaltung sieht, ist durch das erzieherische und mediale Dauerfeuer der letzten 200 Jahre bereits so psychisch deformiert, daß er eigentlich der Behandlung bedarf.

    Erwerbsarbeit ist in den wenigsten Fällen wirklich sinnvoll und kann daher auch nicht zur Selbstverwirklichung taugen. Ganz im Gegenteil - in der Masse der heutigen Fälle führt sie zur Entfremdung, zur inneren Emigration und zu körperlichen und geistigen Beschwerden. Also: solange die Menschen nur durch Zwang zur Arbeit gebracht werden können, ist alles in Ordnung!

  • K
    Klingelhella

    Danke. Ein sehr guter Kommentar. Ich vermisse schon seit langem eine Debatte über das Menschenbild, welches vielen politischen und gesellschaftlichen Entscheidungen (offensichtlich) zugrundeliegt.

     

    Dass ein solches entmenschlichendes Menschenbild die erste Meile eines Gleises nach Auschwitz darstellt, möchte ich (überspitzt) noch hinzufügen.

  • B
    bjan

    Es ist nicht so, dass alle Arbeit hätten, wenn sie nur wollten. Es ist aber sehr wohl so, dass es leider ganz schön viele Menschen mit ganz schön hohem Anspruchsdenken gibt und ganz schön niedriger Eigenmotivation gibt. Auch unter den Hartz IV Empfängern.

    Das trifft längst nicht alle, die Leistungen beziehen. Aber ich bin durchaus der Meinung, dass es richtig ist, nach adäquaten Anreizen zu suchen, eben diese Menschen ausreichend zu motivieren.

    Man kann sich trefflich streiten, was denn diese Anreize sein sollen. Aber nur implizit das Gegenteil zu behaupten, dass alle Hartz IV Empfänger ja überhaupt keine Chance hätten irgendeine Arbeit zu bekommen, halte ich für großen Unsinn.

  • S
    Steffi

    Immer gleich ein mechanistisches Menschenbild zu vermuten, nur weil jemand das Wort "Anreiz" verwendet, ist aber auch reichlich platt.

     

    Man spricht auch in jeder Diskussion darum, wie Steuern und Abgaben richtig zu verteilen sind, darum, dass die Anreize richtig gesetzt werden sollen, dass man zum Beispiel umweltschädliches Verhalten teurer sein soll als umweltschonendes, das der Faktor Arbeit im Verhältnis billiger werden soll, wenn der Faktor Energie teurer wird usw.

  • D
    deva

    Willkommen in der Berliner Republik, die restaurativ wieder an Wilhelminische Zeiten anknüpfen will.

    Architektonisch ist das Signal schon am Potsdamer Platz und dem "neuen" Berliner Stil angekommen.

     

    Danke für den Artikel.

  • C
    C:K.

    Schöpferisch tätig sein bei Müllabfuhr und Wasserwerken.

    Weg mit der Eisenfaust des Kapitals, Selbstverwirklichung für alle!

  • N
    noevil

    Nun bin ich beruhigt. Ich hatte immer befürchtet, ein Ketzer zu sein, der dieselben Gedanken hegt, wie Sie sie ganz gelassen aussprechen - und der sich deswegen schweigend verstecken muss, weil er als andersdenkender Mensch gerne ausgegrenzt wird, wenn er Derartiges gesagt hat. Denn diese Überlegungen kann man getrost noch auf eine ganze Menge anderer Gebiete übertragen.. Mancherorts wird man als Exot betrachtet, wenn man sich solidarisiert, ohne direkt betroffen zu sein.

  • SK
    Stefan K.

    Es gibt mittlerweile vorwiegend Anreize für Unternehmen, Niedrigstlöhne und Gehälter zu zahlen.

    Der Geist der Bildungsoffensive wird deutlich, wenn alles für die Reprodution der oberen Mittelschicht und der Oberschicht getan wird - denn nach deren Meinung, werden die Grundlagen für höhere Bildungsabschlüsse und Führungsaufgaben im familieren Umfeld gelegt - weshalb die Ausnildung der anderen Schichten am Ende zu teuer wird, weil es zuviel nachzuholen gibt.

    Die sogenannte Elite ist dabei unseren Staat - also die gesellschaft als Ganzes - auszuplündern.

     

    Denn wenn der Staat - also wir alle - sparen muss, dann sollte zuerst mit auskömmlichen Mindestlöhnen angefangen werden, da der Sozialtransfer, der den Unternehmen in Form von Aufstockung wegen nicht auskömmlicher Bezahlung, Unterstützung vom Arbeitsamt bei Neueinstellung von Arbeitslosen, den verminderten Sozialabgaben und Steuern aufgrund von Niedriglöhnen und daraus folgend auch Wohngeld etc. zukommt, sprengt die Dimensionen unserer sozialen Marktwirtschaft.

     

    Theodor Roosevelt sagte mal, "Ein Unternehmen, welches seine Mitarbeiter nicht auskömmliche bgezahlen kann, ist kein Unternehmen".

  • G
    grafinger

    Wer um Himmels willen glaubt an eine intrinsische Motivation der beruflichen Tätigkeit bei weiten Teilen der Berufstätigen?

    Wer sich nichts Schöneres als Arbeit vorstellen kann hat keine Phantasie.

    Oder lese ich da die unterschwellige Forderung nach einer Umerziehung zu willen- und phantasielosen Zombies heraus?

    grafinger, der lieber Heute als Morgen seinen Job hinwerfend und sich der "Erforschung von Angelegenheiten"(G.Polt) widmend wäre,wenn der wirtschaftliche Statur gesichert wäre.

  • TK
    Tanja Keller

    Super! Anreize schafft man nicht durch Arbeitszwang, Erpressung und Niederträchtigkeit sondern durch Ermutigung, Zutrauen und Anerkennung.

     

    Grundeinkommen für alle!

  • T
    txxx666

    Ein paar Binsenweisheiten zum Euthanasieprogramm „Agenda 2010“ (Hartz IV und Gesundheitsreform):

     

    Menschen, die Arbeiten annehmen müssen, für die sie nicht oder unzureichend ausgebildet sind, haben häufiger Arbeitsunfälle und sterben früher.

    Menschen, die aufgrund ihrer Armut keine sozialen Kontakte mehr pflegen können, Depressionen bekommen und Selbstmord begehen, sterben früher.

    Menschen, die wegen ihrer Arbeitslosigkeit als faule Sozialschmarotzer stigmatisiert werden, Depressionen bekommen und Selbstmord begehen, sterben früher.

    Menschen, die nicht zum Arzt gehen, weil sie sich die Praxisgebühr nicht leisten können, sterben früher.

    Menschen, die sich bestimmte Medikamente oder Zusatzleistungen nicht leisten können, sterben früher.

    Menschen, die sich keine adäquate Winterkleidung leisten können, sterben früher.

    Menschen, die sich keine gesunde Ernährung leisten können, sterben früher.

    Menschen, die sich aufgrund ihrer aussichtslosen Situation in Drogen und Alkohol flüchten, sterben früher.

    Menschen, die eine solche Politik durchsetzen, mittragen oder auch nur gutheißen, machen sich mitschuldig.

    http://misanthrope.blogger.de