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Debatte Grundsatzprogramm LinksparteiVerhangen in Arbeiterschweiß-Rhetorik

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Die Linkspartei kann sich nicht der digitalen Boheme öffnen, sondern verharrt in ihrer traditionellen Ansprache. Trotzdem funktioniert die interne Machtbalance.

Hielt das Grundsatzprogramm eng an linker Tradition: Oskar Lafontaine am Freitag in Erfurt. Bild: dapd

I m März 2010 stellten Lothar Bisky und Oskar Lafontaine, damals beide noch Parteichefs, den ersten Entwurf für das Grundsatzprogramm der Linkspartei vor. Bisky mahnte damals, dass die Partei ohne Gewerkschaftsscheuklappen auf die bundesdeutsche Wirklichkeit schauen soll. Die Linkspartei müsse eine Ansprache für die digitale Boheme finden, für jene Milieus, in denen Selbstausbeutung und Selbstverwirklichung verfließen. Mit Arbeiterschweiß-Rhetorik komme man da nicht weit.

Die Linkspartei hat keine Sensoren für diese Milieus entwickelt. Biskys Aufruf verhallte ungehört, die Partei folgte Lafontaine, der all das für eine neoliberale Verirrung hält. Klug war das nicht, wie der Erfolg der Piraten in Berlin zeigte. Die spiegeln dieses Milieu, das irgendwie links, sehr basisdemokratisch und taub für Klassenkampfrhetorik ist, die man für ein Relikt der analogen Welt hält.

Das Grundsatzprogramm, das nun der Parteitag der Linke seinen Mitgliedern zur Urabstimmung vorlegen will, ist ziemlich blind für die Widersprüche des Post-Rheinischen-Kapitalismus. Dass neue soziale Unsicherheiten manchen als neue Freiheiten erscheinen, ist im entschlossenen Kampf gegen den Neoliberalismus nicht vorgesehen. Dieses Programm müffelt noch immer nach den 70er Jahren, als die Gewerkschaften noch stark waren, der Mann jeden Tag um fünf aus dem Büro kam und die Frau das Abendessen machte. Es ist zwar auch viel von Emanzipation die Rede, aber diese Passagen wirken nur wie das Verpackungspapier, das den Inhalt hübscher macht.

Bild: taz
Stefan Reinecke

ist Korrespondent im Parlamentsbüro der taz.

Der Ton des Programms ist seit dem März 2010 etwas weicher geworden. Aber gleich im dritten Satz der Präambel wird Beton angerührt: "Wir werden nicht wie jene Parteien, die sich devot den Wünschen der Wirtschaftsmächtigen unterwerfen." Die Linkspartei kritisiert zu Recht, dass Unternehmen Parteien Geld spenden. Aber rechtfertigt das so wuchtige Formeln, in denen alle anderen zu Bütteln des Kapitals schrumpfen?

So fokussiert dieses Programm vor allem, wie schrecklich eine Welt ist, in der Kapital und Imperialismus ihr Unwesen treiben. Der Markt kommt nur als etwas vor, das gebändigt und reguliert werden muss. Daran ist viel Richtiges. Vieles von dem, was Lafontaine über die Finanzmärkte gesagt hat, wirkt im Rückblick hellsichtig.

Aber welches Wirtschaftssystem die Linkspartei will, bleibt vage. Sie ist gegen Konzerne und Privatbanken, eine Planwirtschaft, eine DDR light, lehnt sie ab. Am ehesten scheint sie eine nach strikten, ordoliberalen Regeln organisierte Marktwirtschaft mit viel Staat zu wollen. Das könnte durchaus ein Konzept mit Strahlkraft sein.

Die gemütliche "Robin Hood"-Pose

Doch um dies überzeugend zu formulieren, müsste sich die Linkspartei zu einem positiven Begriff von Marktwirtschaft durchringen – zu einem politisch gelenkten Kapitalismus. Dazu fehlt ihr der Mut, weil dies das gemütliche "Wir gegen alle" und die Robin-Hood-Pose zerstören würde. Deshalb erscheinen die Märkte in diesem Programm nicht wie ein rationales, effektives Instrument, das man richtig benutzten muss, sondern wie ein Raubtier, das man gar nicht hart genug an die Kandare nehmen kann.

So bleibt alles in der Schwebe zwischen einer Art Hardcore-Ordoliberalismus und einem mit marxistischen Soundbites orchestrierten Misstrauen gegen alles, was mit Markt und Kapital zu tun hat. All das trägt die Handschrift von Lafontaine und Wagenknecht.

Aber deren Stärke ist nur die andere Seite der Schwäche der Reformer. Die Ostpragmatiker haben zwar eine differenzierte Beschreibung der Gesellschaft zu bieten, auch gute, praktikable Ideen wie öffentlich geförderte Beschäftigung. Was ihnen fehlt, ist ein zündendes identitätstiftendes Symbol. Zur Finanzmarktkrise haben sie bislang nichts Wesentliches beigetragen und freundlich für Sahra Wagenknecht das Feld geräumt.

Das Erfurter Programm zeigt in der Tat, dass die Linkspartei noch kompromissfähig ist. Die internen Deals funktionieren. Zu Bundeswehreinsätzen im Ausland bekommen die Fundis ein gesinnungsfestes und intellektuell klägliches Nein, dafür dürfen die Pragmatiker im Osten in den Ländern Realpolitik machen.

Das bildet die Machtbalance in der Linkspartei ab, die stabiler ist, als viele Medien meinen. Für die Zukunft ist das zu wenig. Dafür braucht sie mehr Bisky und weniger Lafontaine, mehr Offenheit für die bundesdeutsche Wirklichkeit, weniger Parolen.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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24 Kommentare

 / 
  • M
    Matze38

    die taz entwickelt sich genauso wie die grünen nicht zum besten,schade eigentlich.mainstreammedien und linken basher gibt es schon genug, da sollte es wenigstens noch paar medien geben, die etwas neutraler über die linken berichten.

    mich wundert das nix über die sed und kommunismus in dem artikel steht, das gehört eigentlich schon dazu,wenn man über die linken berichtet, das das der leser auch nie vergisst.

    was für die zukunft reicht, entscheidet nicht ein journalist, sondern immer noch die wähler, aber scheinbar kann es die journalie nicht abwarten, bis die linken endlich weg sind, dann können die neoliberalen und konservativen von den ackermanns über steinbrück, trittins, westerwelle und friede springer endlich party machen, die systemveränderer weg, dann kann sich die spd und grüne endlich in ruhe der mitte zuwenden und die kleinen leute hört niemand mehr.

    ich hoffe die wähler besinnen sich endlich und lassen sich nicht mehr von medien und parteien an der nase herumführen.

  • P
    pseudo

    mir gehts aufn keks wie der begriff bohème inzwischen selbstverständlich auf sämtliche nischenbewohner der kreativwirtschaft angewendet wird. sprechen wir hier von künstlern? "digitale kreative" träfe's schon eher. interessiert natürlich kein schwein.

     

    dass bisky als medienwissenschaftler einen anderen zugang zu sprache, propaganda und die angesprochene klientel hat, liegt auf der hand. seine richtigen einsichten zu ignorieren, zeugt von kindischem kompetenzgerangel innerhalb der partei.

  • W
    Waage

    @Winnfield

     

    Karl Marx hat Anno Tuk nicht geschrieben: "Religion ist Opium für das Volk" sondern Religion ist das "Opium des Volkes".

     

    Das Marx vor 20, 40, 80 oder 100 Jahren falsch zitiert wurde, darin steckte System oder Unwissenheit.

    In Zeiten des Internets sollte es aber kein Problem sein, Zitate auf ihre Richtigkeit gegenzuchecken.

  • A
    anke

    Bisky ist eben alte Schule. Er macht noch immer einen Unterschied zwischen Hirn- und Handarbeit. Dabei wissen wir spätestens seit Adolf Hennecke (DDR-Bergmann; "Aktivistenbewegung") und Klaus Lage (BRD-Musiker; "Monopoly"), dass Handarbeit vor Selbstausbeutung keineswegs schützt.

     

    Die Trennung zwischen der "digitalen Boheme" und dem "schwitzenden Arbeiter" ist eine, die sowohl von interessierter Boheme- als auch von Arbeiterseite hartnäckig gepflegt wird, vermutlich um die eigene, als zu gering erachtete Bedeutung hervorzuheben. Sinnvoll ist sie nicht. Sie nützt nämlich nur denen, die umstandslos jeden ausbeuten, wenn sie dadurch selbst weniger arbeiten müssen.

     

    Dass die Linkspartei "keine Sensoren" entwickelt hat für die "digitale Boheme", könnte sie mir fast schon sympathisch machen, wenn es denn wahr wäre. Die "digitale Boheme" nämlich hat ihrerseits auch keine Sensoren entwickelt für die Linke und ihre Klientel. Sie konzentriert sich ganz auf sich selbst. Eine Bringschuld hat allenfalls die Linke. Die Boheme hat, wie der Name schon sagt, keine. Ob das bloße Fordern auf Dauer ausreicht, um wirklich "Erfolg" zu haben (Piraten), wird man sehen. Ich zweifle stark.

     

    Dass die Linke "gleich im dritten Satz der Präambel [...] Beton angerührt" hat, wundert mich übrigens nicht. Sie wird wissen, von wo die größte Gefahr droht. Dass die Linke noch nicht geworden ist wie die Anderen schon sind, hat sie womöglich nur dem Umstand zu verdanken, dass sie noch nicht regiert. Wieso man die freiwilligen Selbstverpflichtung eines Pfeifers im Walde zu einer "wuchtige[n] Formel[n]" aufblasen muss, "in denen alle anderen zu Bütteln des Kapitals schrumpfen", verstehe ich überhaupt nicht. Mag sein, es ist das eigene, sehr schlechte Gewissen, dass hier (unbewusst) interpretiert.

     

    Und was den "Post-Rheinischen-Kapitalismus" angeht: Nach dem Rheinland ist vor dem Rheinland. Jedenfalls für den überzeugten Rheinländer. Richtig, Herr Reinecke?

  • J
    Jeff

    Im Allgemeinen finde ich Reineckes Texte ja echt schlecht, aber hier hat er mal den Nagel auf den Kopf getroffen.

     

    Schon alleine, dass die Linkenmitglieder den höchsten Altersdurchschitt aller Parteien haben und die Piraten den niedrigsten, sagt doch bereits alles.

    So gesehen kann man da vielleicht ganz zynisch auf die biologische Lösung warten.

  • W
    Winnfield

    Die Linke ist keine Arbeiterpartei, sondern eine Partei des öffentlichen Dienstes. Und was die "Drogenpolitik" (ahem...)angeht: Bei Marx hieß es doch, das die Religion Opium für das Volk ist. Im demokratischen Sozialismus gibt es das Opium (und noch viel mehr) als direkt von der Regierung. Darüber sollten wir aber bitte das Volk abstimmen lassen, gell? Ich glaube, die Mehrheit ist nicht so erbaut darüber, das ihre Kassenbeiträge dazu zweckentfremdet werden, irgendwelchen Junkies die private Sucht zu finanzieren. Aber irgendwie ist es auch folgerichtig: Lafontaine hat mal als für ihn wichtigsten Dinge im leben angegeben: fressen, saufen, vögeln. Da passt Nase pudern, doch ganz gut rein. Am besten mal die Sahra Wagenknecht fragen. Die ist ja immerhin mit einem Investmentbanker verheiratet, einem echten Sohn der Arbeiterklasse also. Wie sagte Marx doch so schön: das Sein bestimmt das Bewustsein ...

  • N
    Nadi

    Bei einem rot-grünen Regierungsprojekt störren nicht nru Piraten, sondern vor allem die Linke. Zum einen sagen sie das, was die anderen lieber unter den Tisch kehren, zum anderen fordertn sie vollkommen zu recht, einen links-liberalen Reformismus, eine Neuerfindung realer sozialer Gerechtigkeit und dagegen positionieren sich alle anderen Parteien. Und mit Lafontaine könnte eine neue rot-grüne Regierung schnell mächtig Ärger erhalten und in den Ländern auch schnell wieder verlieren.

     

    Wer sich aber Wachstumsprognosen für die nächsten Jahre ansieht, der ahnt, dass der antikapitalistische Diskurs noch stark an Bedeutung gewinnen könnte, denn Lösungen haben weder die Regierung noch die SPD bzw. die Grünen.

  • H
    Hans

    Lafontaine und Bisky schließen sich gar nicht aus. Der Kommentar ist bemüht, Fairness zu erzeugen, aber irgendwo liest sich das hier nicht als Abwägung, was kann und was will die Linke politisch erreichen. Für einen wohlhabenden Menschen mit Steuerprivilegien ist die Partei wohl gefährlich, aber für den Durchschnittsbürger rückt die Linke eben auch ins Bild.

     

    Die soziale Frage ist das Markenzeichen und damit liegen sie - leider - im Trend, denn Billigarbeit, 1-EURo-Jobs, Hartz-Verarmung, Nachfrageschwäche, Euro-Krise und Ausstieg aus Tarifbindungen sorgen im Prinzip für den optimalen Antrieb der Partei.

     

    Leider fordern ja jetzt schon Liberale einen Mindestlohn und Gabriel tritt wieder bei den Gewerkschaften auf - die Linke muss ihren Kern medial verteidigen, sie muss es schaffen, die SPD und die Grünen anzugreifen, ohne sich zu diskreditieren, ohne eine bürgerliche Regierung zu stabilisieren und das gelingt ihr im politischen Alltagsgeschäft nicht gut.

     

    Das ist weitaus eher das Problem - als das Programm. Das liest sich wie Jusos und PDS gemixt.

  • I
    istdochgut

    digitale boheme - wenn ich diesen begriff höre muss ich an lobo denken und ergo kotzen.

     

    und die drogenpolitik der linken ist nichtmal schlecht. viele sozialwissenschaftler plädieren seit jahren für eine entkriminalisierung des konsums um den süchtigen besser helfen zu können.

  • J
    Joey

    Stefan Reinecke: Du wirst es nicht mehr hinbekommen, auch nur ansatzweise "der taz angemessen normal" über die Linke zu schreiben. Fast jeden Tag gehts mit dir durch: unsachlich und einseitig, immer feste drauf auf die Linke. Weisst du eigentlich wie viele Linken-Wähler die taz kaufen (oder gekauft haben)? Natürlich nicht, denn es ist dir scheissegal als festangestellter "Redakteur".

     

    An die Chefredaktion und guten RedakteurInnen: stellt diesen Anti-Linken-Hetzer Stefan Reinecke als taz-Redakteur kalt !

  • W
    Webmarxist

    "In dieser Programmdebatte ist deutlich geworden, unsere individuellen Erfahrungen und Biografien fügen sich zusammen zu unserer gemeinsamen Geschichte als LINKE. Und auch in Konsequenz vor dieser linken Geschichte formulieren wir die Botschaft: Kein Sozialismus ohne Freiheit – sowohl auf dem Weg als auch in der Zielbeschreibung! "

     

    Matthis Höhn

    Landesvorsitzender der Linken in Sachsen Anhalt

     

     

    Quelle: Phoenix

     

    Die Linke will keinen Sozialismus mehr wie 20.Jahrhundert. Das hat ja nicht funktioniert. Sie will einem Sozialismus, in dem die Banken reguliert werden ,wo es einen gesetzlichen Mindestlohn gibt und sich die Bundeswehr nicht mehr an Auslandseinsätzen beteiligt. Krieg ist die höchste Form der Gewalt und die löst keine Probleme. Denn Gewalt erzeugt Gegengewalt. Man sollte vielmehr versuchen die Konflikte friedlich mit Diplomatie zu lösen.

  • UM
    Ulli Müller

    Nicht vergessen, es ist die Marktwirtschaft,

    die ihre Soldaten der Wirtschaftinteressen wegen nach Afghanistan schickt. Und Waffen an all diejenigen, die die Interessen des Westens, egal wie, vertreten, liefert.

    Da kann man wirklich SChwierigkeiten haben mit diesem Begriff zu arbeiten.

    Und das sind ja bekanntlich nicht alle Verbrechen der Marktwirtschaft.

  • R
    reblek

    Wie kommt es, dass mensch immer schon vor dem Lesen weiß, was Reinecke geschrieben hat?

    Und am Rande: "Im März 2010 stellten Lothar Bisky und Oskar Lafontaine, damals beide noch Parteichefs..." So, so Bisky war "Parteichefs" und Lafontaine war "Parteichefs". Na, das konnte ja nicht gutgehen.

  • FR
    F. Reichenbach

    Zu Artikeln wie diesen erübrigt sich fast jeder Kommentar.

    Nachweislich greift außer der Linken keine der Im Bundestag vertretenen Parteien die Themen auf, die in einer linken Debatte von Wichtigkeit sind.

    Das auch eine ehemals fortschrittliche Zeitung wie die TAZ Artikel, die man nur als neoiberale Meinungsmache bezeichnen kann überhaupt druckt, ist mehr als problematisch.

    Tip: Nachdenkseiten.de

  • R
    ruderboot

    Sowohl Linke als auch Grüne scheuen weiterhin davor zurück, ein BGE zu fordern. Es geht immer noch um Jobs, Arbeit, protestantische Ethik, bei den Helden der Arbeiterklasse wie bei der Manufactum-Ökopartei. Die Chance für die Piraten, diese Marktlücke zu füllen und diesem Arbeitskult den Kampf anzusagen.

  • G
    Gedankenspiegel

    Leider kann ich Herrn Reineckes Argumentation nicht gut heißen. Kritik auf der Basis davon, dass man Bezug auf die "Wirklichkeit" nimmt, bringt doch so seine Probleme mit sich: Es heißt, die Wirklichkeit gebe es im Plural. Für eine parlamentarische Demokratie ist es da wohl nicht das schlechteste, wenn es eine Partei gibt, die sich auch der Wirklichkeit der Lohnarbeitsgesellschaft annimmt. Offensichtlich hat die digitale Boheme diese doch bisher noch nicht ganz abschaffen können. Ich verstehe daher nicht, was daran falsch ist, wenn eine linke Partei sich primär den Nöten zuwendet, welche aus dem Zerbrechen der Grundlagen des alten Absicherungssystems insbesondere bei denen entstehen, welchen die Stütze durch eine gut betuchte Familie oder anderweitiger glücklicher Lebensumstände fehlt. Eine gewisse Absicherung der Lebenslage ist schließlich Voraussetzung dafür, dass jemand seine Individualität so entfalten kann, wie man es der digitalen Boheme zuspricht. Da ist es doch gut, dass eine Partei auf die Veränderung derjenigen Regeln abzielt, welche es möglich machen, dass jemand Freiheit nur als Freiheit der Wahl zwischen ALGII und Niedriglohnarbeit erfährt. Auch die digitale Boheme wird vllt einsehen, dass es dabei grundsätzlich auch um die Absicherung ihrer Lage geht und die Linke gerade mit ihrer "Arbeitsschweiß-Rhetorik" auch ihre Partei ist - der Umgang mit den Geschwächten zielt letztlich auf die Mitte der Gesellschaft.

  • AW
    axel wartburg

    "Aber welches Wirtschaftssystem die Linkspartei will, bleibt vage. Sie ist gegen Konzerne und Privatbanken, eine Planwirtschaft, eine DDR light, lehnt sie ab. Am ehesten scheint sie eine nach strikten, ordoliberalen Regeln organisierte Marktwirtschaft mit viel Staat zu wollen. Das könnte durchaus ein Konzept mit Strahlkraft sein. "

     

    Vorausgesetzt der Staat macht ein ePolitik aus dem Volk für das Volk.

     

     

    "Doch um dies überzeugend zu formulieren, müsste sich die Linkspartei zu einem positiven Begriff von Marktwirtschaft durchringen – zu einem politisch gelenkten Kapitalismus."

     

    Wie bitte? Was ist das für eine "realitätsfremde" Sichtweise?

     

    Wie wäre es mit dem klassichen Begriff der "Sozialen Marktwirtschaft". Hat es zwar noch nie gegeben, doch wär es an der Zeit sie einzuführen, denke ich. Oder sogar eine "Sozioökologische Marktwirtschaft". Wär noch stringenter und wäre wohl DIE Lösung sämtlicher diesjährigen im Land erlebbaren Proteste.

  • K
    Kommentator

    Ein mit "... marxistischen Soundbites orchestrierten Misstrauen gegen alles, was mit Markt und Kapital zu tun hat."

    Nicht schlecht Herr Reinecke, das ist mal Polemik mit Niveau.

  • W
    WaltaKa

    Na, Herr Reinecke, den Rufen des (neoliberalen, s. taz) Zeitgeistes zu folgen, ist ein Weg? Sicherlich. Allerdings bleibt zu bedenken, dass es eine Zeit in Deutschland gab, da haben viele "Heil" gerufen...und es war trotzdem der falsche Weg. Und...unter uns...es gibt positives jenseits des Neoliberalismus, ob Sies glauben oder nicht.P.S.: ich erlaube mir, Sie zu erinnern, dass das alles (die finanz- usw krise)nicht vom taz-Allah gegeben vom Himmel fiel, sondern ganz bewußt politisch dem neoliberalen Zeitgeist folgend erzeugt worden ist. Dazu führte Attac 2010 ein sogen. Bankentribunal durch.Fazit von Attac: "Gerhard Schröder (SPD) als Kopf der rot-grünen Bundesregierung (1998-2005) trägt die wesentliche politische Verantwortung für die Vorbereitung der Finanz- und Wirtschaftskrise in Deutschland" heißt es dazu in der FR vom 9.4.2010.

  • P
    Pirat

    "Robin Hood"-Pose?

     

    Robin Hood hatte keine Uranbergwerke in denen er Menschen verecken lies die politisch nicht passten, kein Bautzen, keine sonstigen Folterknäste, keine Diktatur und er brachte keine Unschuldigen um wenn sie Sherwood Forest verlassen hätten wollen. Da meineten sie eher den bösen Sheriff von Nottingham, der gegen den Willen des Volkes seinen gestohlenen Thron verteidigt und das Volk knechtet. DAS ist keine Pose, das passt zur "Linkspartei".Soviel zur SED, SED-PDS, PDS, Linkspartei oder wie sich die Truppe gerade nennt. Lafontaine ist mir mit seiner Strahlkraft und seiner starken Persönlichkeit als Lehrer der die Weltwirtschaft erklärt noch aus dem Saarland bekannt. Da hinterlies er neben einem grundgesetzwidrigem Pressegesetz welches er einführte als man ihn beim Steuerhinterziehen und bei Kontakten zu Rotlichtgrößen erwischte (Lex Lafontaine genannt) ein wirtschaftlich zerstörtes Bundesland in welchem jede Strukturreform verpasst wurde und in dem heute die als Altersvorsorge gedachten Häuser der Bergleute vor lauter Bergbauschäden wackeln. Geblieben ist sein Luxusanwesen , im Volksmund "Palast der sozialen Gerechtigkeit" genannt. Man muß der taz nur etwas mit dem roten Stern vor der Nase fuchteln und schon vergisst sie das alles. So wie die 180 000 000 Toten sozialistischer Experimente. Zum Glück stirbt die SED aus. Lafontaine ist auch fast so alt wie die alten Kader und seine Möchtegern-Rosa-Luxenburg Sarah Wagenknecht wirkt trotz aller ARD-Termine und sonstigen 68er-DDR-Kooperationsjournalisten auf die meisten Menschen so sympatisch wie Honeckers Arsch. Die kann ja weiter in Brüssel Hummer fressen und in Deutschland die Rächerin der Enterbten spielen. Da freut man sich wenigstens in der taz. Wenn die dann noch jemand liest. Wenn das SED-Geschleime "links" ist, dann will ich nicht links sein.

  • J
    Jakobiner

    "Deshalb erscheinen die Märkte in diesem Programm nicht wie ein rationales, effektives Instrument, das man richtig benutzten muss, sondern wie ein Raubtier, das man gar nicht hart genug an die Kandare nehmen kann."

     

    Wie richtig der Markt "benutzt"wurde, zeigt ja die rot-grüne Ära, die diesen neoliberalen Wildwuchs duldete.Hätte man sich mehr an die Vorschläge der Linkspartei gehalten, hätte es diese Finanzkirse niemals in dieser Form gegeben.Aber die grüne taz

    will das wohlvergessen machen mit ihrem Genörgel an der Linkspartei.Einem Milieu, in denen "die Grenzen

    zwischen Selbstausbeutung und Selbstverwirklichung verschwimmen" könnte etwas Klassenbewusstein durchaus nutzen. Und die Piraten--diese an Beliebigkeit nicht mehr zu überbietende Partei als Modell vorzustellen--warten wir einmal ab, wielange die noch existieren.

  • V
    vic

    Dass man die anderen Parteien problemlos "Büttel des Kapitals" nennen kann, liegt daran, dass sie Büttel des Kapitals sind.

    Und Sahra Wagenknecht in Sachen Finanzschweinereien "freundlich das Feld zu überlassen", ist ratsam. Schließlich versteht sie davon mehr als alle bisherigen Finanzminister- Oskar Lafontaine ausgenommen.

  • L
    Leidkultur

    "Wir werden nicht wie jene Parteien, die sich devot den Wünschen der Wirtschaftsmächtigen unterwerfen."

     

    Ach, nee? Und warum dann weiter und übehaupt Massenzuwanderung forcieren? Ist doch ausschließlich Wunsch der Kapitalisten, um in Deutschland Druck auf die Einkommen zu machen. Ihr schickt eure Blagen doch ebenso wenig wie die Grünen auf die multikulti Gemeinschaftsschule. Linke sind echt pfui.

  • RD
    Reiner Doll

    Die Linke leidet immer noch unter dem Image der muffigen Zonenpartei. Vielleicht gibt es eine Chance der Erneuerung, wenn erstmal die ganze "Bei Erich war alles besser"-DDR-Kader-Stammwählerschaft weggestorben ist. Bis dahin sind die Piraten für junge Wähler viel interessanter.