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Es ist doch ein politischer Offenbarungseid, wenn gleich mehrere Länderregierungen gegen den ausdrücklichen Willen ihres Volkes, sogar unter Zuhilfenahme von Verfassungsänderungen(!) quasi mit Gewalt einen Vertrag durchpeitschen wollen, der ganz offensichtlich nur den einen Zweck hat, die Interessen einer allmächtigen Wirtschaftslobby zu wahren und für die Zukunft einen warmen Geldregen zu sichern - ebenso den Hütern dieses Schatzes: Den B-Politikern, die im Europaparlament dieses Desaster für den einfachen Euro-Bürger zu verantworten haben.
Ich hoffe inständig, dass die Iren NO sagen!!! Und ich hoffe, dass dieser gute Kommentar der Vorbote ist - für eine Artikelserie in der TAZ, die nicht nachlässt, die vielleicht auch andere Veröffentlichungen nach sich zieht, damit dieses Schweigen endlich aufhört und das Ausmaß der drohenden Katastrophe den Menschen zugänglich gemacht wird.
Der Kommentar ist schlecht recherchiert, enthält Falschinformationen und arbeitet vorwiegend mit Unterstellungen. Sie verzichten insbesondere darauf ihre zum Teil abenteuerlichen Auslegungen und Theorien durch irgendwelche Quellen zu belegen.
Ich kann mich daher nur dem Kommentar von E.Döhler anschließen, der darauf bereits hingewiesen hat.
Nur ergänzend:
Der Vertrag zwingt nicht zur Privatisierung von staatlichen Unternehmen. Die Eigentumsgarantie des Art. 295 EG bleibt unangetastet.
Auch im Steuerrecht liegen Sie völlig daneben. Die Vertragsänderung gewährt die Möglichkeit direkte Steuern anzugleichen. Dies muß einstimmig geschehen. Steuerwettbewerb auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner bekommen Sie dadurch nicht, ganz im Gegenteil, Harmonisierung ist gerade ein Mittel um schädlichen zwischenstaatlichen Steuerwettbewerb zu verhindern.
Es spielt gar keine Rolle, welche Details dieses Vertragswerk enthält. Viel schlimmer ist doch, dass alles hinter dem Rücken des gemeinen EU Bürgers abgelaufen ist. Die Medien haben es leider versäumt auf diesen Missstand hinzuweisen. Somit vielen Dank, Herr Sotscheck, für das kurze und knappe Statement. Man kann sich nur wünschen, dass die Iren einen klaren Kopf behalten und mit Nein stimmen.
Bravo Herr Ralf Sotscheck,
ein ausgezeichneter Kommentar!
Danke dafür, er zeigt deutlich auf, welche unsägliche Gefahren mit diesem EU-Vertrag auf die Gesellschaft in demokratischer, soziologischer und militaristischer Hinsicht zugemutet werden.
Die gewählten Beführworter (Parlamentarier) dieses Vertrages sollten sich schämen diesem zuzustimmen und damit gegen die Interessen Ihrer Wähler zu handeln.
Ausgezeichneter Kommentar, beschreibt die Wahrheit sehr treffgenau. Stimme auf der ganzen Linie zu. Man kann nur hoffen, dass die Iren den Widerstand aufbringen der uns nicht möglich ist...
Zu dem Beitrag von Herrn Sotscheck sind einige Anmerkungen zu machen:
1. Zwar wird im Lissabonvertrag gefordert, dass die EU-Mitglieder ihre militärischen Fähigkeiten verbessern sollen, jedoch ist, anders als beim Euro-Stabilitätspakt, keine Sanktion für Staaten vorgesehen, die das nicht tun.
2. Gemeinsame Auslandseinsätze müssen nach Art 31 EUV einstimmig beschlossen werden, Deutschland kann also zu keinem nicht gewünschten Militäreinsatz gezwungen werden (http://eur-lex.europa.eu/JOHtml.do?uri=OJ:C:2008:115:SOM:DE:HTML). Dieser Eindruck wird aber mit der Behauptung erweckt, dass schon der Vertrag selbst die EU zu Militäreinsätzen bevollmächtigt.
3. Dadurch, dass die Grundrechtscharta für rechtsverbindlich erklärt wird, können sich nun auch Bürger der EU bei Klagen vor dem EuGH direkt auf sie berufen. Sie ist keineswegs nur ein Feigenblatt.
4. Länder wie Schweden haben jetzt schon eine niedrige Besteuerung von Unternehmen, können aber dennoch ein hoch entwickeltes Sozialsystem über Mehrwert- und Einkommenssteuer finanzieren. Steuerwettbewerb führt also nicht zwingend zu einem Minimalstaat.
5. Einen Europarat gibt es in der Europäischen Union nicht. Es gibt nur den Europäischen Rat (Staats- und Regierungschefs) und den Rat der Europäischen Union (Ministerrat).
6. In Art.16 EUV steht nichts von Privatisierung, er befasst sich mit Befugnissen und Arbeitsweise des Rates der europäischen Union(Link s.o.). Im Übrigen fehlt in dem Kommentar ein Beleg, dass durch den Vertrag von Lissabon zusätzliche Marktliberalisierungen im Vergleich zum Istzustand erfolgen.
7. Nach Art. 48 EUV müssen Änderungen des Primärrechts auch im vereinfachten Verfahren von den Nationalstaaten gemäß ihrer verfassungsrechtlichen Bestimmungen einstimmig angenommen werden. Wie die Nationalstaaten diese verfassungsrechtlichen Bestimmungen ausgestalten bleibt ihnen überlassen.
Insgesamt ist der Kommentar unausgewogen und schlecht recherchiert.
Danke Ralf Sotscheck!
Als langjährige Abonnentin des Irland Journals
und Besucherin einer Lesung mit Ihnen, kenne
und schätze ich Sie eher von der menschlich literarischen Seite.
Aber Sie können auch anders:
Besser konnte man den EU-Vertrag mit seinen vielen Fallen für uns BürgerInnen nicht beschreiben.
Die Diskussion hierüber vermisse ich sehr in der taz.
Mir scheint, die einzige Bewegung, die sich aktiv einmischt, ist attac, die Aktivisten aus Deutschland zur Zeit vor Ort hat.
Diese ganze kritische Begleitung fehlt in der gesamten deutschen Presse, was ich skandalös finde.
Für die Zukunft meiner drei Kinder lassen die massiven neoliberalen Vorgaben wie die Förderung der Privatisierung von staatlichen Einrichtungen, Förderung Atomkraft und die Forderung nach ständiger Aufrüstungsanpassung Schlimmes befürchten. Es werden nur noch die großen Länder durch ihre Industrien das Sagen haben!
Also liebe Iren:
Ich hoffe, ihr seid mindestens so bockig wie euer Sänger Van Morrison 'no guru, no method, no teacher' und lasst Euch nichts einreden, say NO!
Israels Premier Netanjahu zündelt, um an der Macht zu bleiben. Die Menschen in der Region, die Frieden wollen, drohen unter die Räder zu geraten.
Debatte EU-Vertrag: Eine Gefahr für die Bürgerrechte
Der EU-Vertrag von Lissabon ist unsozial und undemokratisch. Deshalb sollten die Iren ihn ablehnen. Sie sind die einzigen EU-Europäer, die das per Referendum tun können.
Die Regierungen Europas zittern mal wieder vor den Iren. Heute entscheiden die 4 Millionen Einwohner der Insel am Rande Europas per Referendum über den EU-Vertrag von Lissabon. Irland ist das einzige EU-Land, in dem ein Volksentscheid abgehalten wird. Die restlichen 450 Millionen EU-Europäer dürfen nicht abstimmen.
Der Vertrag von Lissabon, das geben auch seine Befürworter zu, ist zu 95 Prozent identisch mit der EU-Verfassung. Die aber wurde vor drei Jahren von den Franzosen und Niederländern in Referenden abgelehnt. Deshalb gingen nun die Regierungen in Paris und Den Haag auf Nummer Sicher und verweigerten den Wählern das Votum. Das alleine wäre schon Grund genug, den Vertrag von Lissabon abzulehnen. Aber es gibt noch andere Gründe. Der Vertrag ist keineswegs eine "Aufräumübung", um verschiedene Punkte aus den alten EU-Verträgen unter einen Hut zu bringen - was uns seine Befürworter weismachen wollen.
Der Vertrag von Lissabon geht viel weiter. So wird die Militarisierung der EU vorangetrieben, die Mitgliedsländer müssen ihren Rüstungshaushalt erhöhen. Nach Artikel 28 kann die EU "Drittländern beim Kampf gegen den Terrorismus in ihrem Staatsgebiet" zu Hilfe kommen - und zwar ohne ein UN-Mandat. Es ist dieselbe Begründung, die für die Invasion in Afghanistan angeführt wurde. Es wäre naiv zu glauben, dass sich die erweiterte militärische Dimension der EU auf friedensstiftende und humanitäre Aufgaben beschränken wird.
Außenpolitische Experten der EU haben in einem Papier erklärt, dass der Klimawandel nicht nur ein Umweltthema sei, sondern auch ein "erhebliches Sicherheitsrisiko" darstelle. Die Wasserversorgung in Israel könnte in diesem Jahrhundert um 60 Prozent zurückgehen, schreiben Javier Solana und Benita Ferrero-Waldner in ihrem Bericht, Missernten im Nahen Osten und in der Türkei führen dann zu noch mehr Instabilität in der Region. Die Kriege um Zugang zu Wasser, so heißt es in dem Bericht, bedrohen auch die Energiesicherheit der EU. Der Vertrag von Lissabon bevollmächtigt die EU zu militärischen Einsätzen, um die eigenen Interessen zu schützen.
Die französische Regierung hat ihr Weißbuch über Verteidigung und Sicherheit, das die Strategie für die kommenden 15 Jahre festlegt, bisher zurückgehalten, obwohl es längst fertig in der Schublade liegt. Die irische Regierung hatte gebeten, es erst nach dem irischen Referendum zu veröffentlichen, weil sie befürchtet, dass die darin enthaltenen Punkte über die Erweiterung der EU-Verteidigungspolitik den Gegnern des Lissabon-Vertrags Auftrieb geben würden. Dem Vertrag ist außerdem in letzter Minute ein bindendes Protokoll beigefügt worden, das überhaupt nicht debattiert worden ist. Demnach sollen die "notwendigen Bedingungen für das zügige Wachstum der Atomindustrie geschaffen" und "die Investitionen für die Entwicklung von Atomenergie gefördert" werden.
Und was ist mit dem Argument der Ja-Seite, dass der Vertrag zum ersten Mal die Grundrechte der EU-Bürger festschreibe? Es ist schlichtweg falsch. Der Vertrag von Lissabon fasst lediglich bereits bestehende Rechte zusammen. Der Europäische Gerichtshof ist seit dem "Stauder-Urteil" 1969 an den Schutz der Grundrechte gebunden. Das Europäische Parlament hat sich in der Richtlinie 34 auf die Einhaltung der Grundrechts-Charta bei legislativen Entscheidungen festgelegt. Und auch die Europäische Kommission hat im Jahr 2000 erklärt, dass sie sich an die Charta gebunden fühle. Die Aufnahme der Charta in den Lissabonner Vertrag hat nicht mehr als symbolische Bedeutung - sie soll Demokratie vorgaukeln.
Artikel 16 des Vertrags von Lissabon sieht vor, dass Privatunternehmen sich um Dienstleistungen bewerben können, die bisher vom Staat angeboten werden. In vielen Bereichen ist das bereits so - mit fatalen Folgen, wie die Privatisierung von Eisenbahn und Wasser in Großbritannien gezeigt hat. Für Gesundheit und Bildung wären die Folgen noch verheerender, wenn sich die Privatwirtschaft die lukrativen Bereiche herauspickt, während weniger profitable Bereiche vom Staat kaum noch finanziert werden können.
Aus Patienten und Schülern werden dann Kunden. Und die betuchte Kundschaft wird stets zuvorkommender bedient. Darüber hinaus verliert Irland in 5 von 15 Jahren seinen EU-Kommissar. Das gilt zwar auch für die anderen Länder, aber für die kleineren Mitgliedsstaaten ist der Verlust dieser wichtigen Einflussmöglichkeit ungleich größer. Der irische Stimmanteil im Europarat schrumpft gleichzeitig von 2 auf 0,85 Prozent, während sich Deutschlands Stimmanteil verdoppelt.
Für die Iren steht noch mehr auf dem Spiel. Der Wirtschaftsboom der vergangenen 15 Jahre, der nun allerdings zu Ende geht, basierte auf der niedrigen Körperschaftsteuer von anfangs 10, heute 12,5 Prozent. Die neoliberale Lobby meint, dass der Markt die Ungleichheit und die sozialen Probleme schon regeln werde. Die irische Erfahrung lehrt, dass das nicht so ist, die Schere zwischen Armen und Reichen ist im Zuge des Booms weitaus größer geworden.
Die irische Regierung beruhigt die Unternehmen mit der Versicherung, dass nach Artikel 113 des Vertrags von Lissabon die Harmonisierung der indirekten Steuern geregelt wird, die direkten Steuern davon aber nicht berührt werden, denn dafür sei Einstimmigkeit nötig. Und die gibt es auf absehbare Zeit nicht. In diesem Fall aber wird der Konkurrenzkampf dafür sorgen, dass die Körperschaftsteuer angepasst wird - nach unten. Welche sozialen Folgen das haben wird, bleibt im Lissabon-Vertrag außen vor.
Einer der undemokratischsten Punkte ist Artikel 48. Er verleiht der EU das Recht, ihre eigenen Verträge zu modifizieren und zu ergänzen, ohne von der Regierungskonferenz dazu bevollmächtigt worden zu sein. Dadurch könnte die EU künftige Schwierigkeiten mit Irlands lästiger Verfassung vermeiden, die nun mal Volksentscheide vorschreibt. Was aber geschieht, wenn die Iren den Vertrag ablehnen? Am 20. Februar dieses Jahres wurde über eine Resolution im Europäischen Parlament abgestimmt, die besagte, dass man "das Ergebnis des Referendums in Irland respektieren" werde. Diese Resolution wurde mit 499 gegen 129 Stimmen bei 33 Enthaltungen abgelehnt.
Es wird das Gleiche wie vor sieben Jahren passieren, als Irland gegen den Vertrag von Nizza stimmte. Man machte damals ein paar minimale Zugeständnisse und schickte die Iren wieder an die Wahlurne. Dieser Plan B liegt auch diesmal schon bereit, wie Pierre Lequiller, der französische Delegationsvorsitzende für die EU, Mitte Mai erklärte.
Es wäre zu wünschen, dass die Iren dann erneut Nein sagen. Solchen Institutionen, die sich die Demokratie nur dann auf die Fahnen schreiben, wenn alles nach ihrem Willen abläuft, darf keinesfalls noch mehr Macht zugeschanzt werden.
RALF SOTSCHECK
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Kommentar von
Ralf Sotscheck
Korrespondent Irland/GB
Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net