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Debatte EU, Lateinamerika und ObamaLateinamerika braucht Obama

Kommentar von Gerhard Dilger

Kolumbien kämpft gegen seine Guerilla nach dem Muster des "Kriegs gegen den Terror". Washington gibt diesen Kurs vor. Europa sollte stattdessen auf Verhandlungen drängen.

So überraschend, wie die Krise zwischen Kolumbien und seinen Nachbarn Ecuador und Venezuela ausgebrochen war, so schnell schien sie wieder beigelegt. Vor drei Wochen entschuldigte sich Kolumbiens Staatschef Álvaro Uribe wegen der Attacke auf das Lager der Farc-Guerilla auf ecuadorianischem Gebiet am 1. März und versprach, derartige Grenzverletzungen künftig zu unterlassen. Doch die Spannungen können jederzeit wieder hochkochen. Denn Kolumbien setzt weiterhin auf eine militärische Lösung im jahrzehntelangen Krieg gegen die Guerilla. Verteidigungsminister Juan Manuel Santos rechtfertigte die Aktion, bei der Farc-Vize Raúl Reyes getötet wurde, dieser Tage als legitime Kriegshandlung.

Militärische und diplomatische Schützenhilfe kommt von der US-Regierung. Doch bei dem Ministertreffen der Organisation Amerikanischer Staaten in Washington Mitte des Monats standen Kolumbien und die USA allein auf weiter Flur. Die Regierung Bush distanzierte sich ausdrücklich von jener Passage der Resolution, mit der die Lateinamerikaner auf den Prinzipien der multilateralen Konfliktlösung und staatlicher Souveränität beharrten.

Man dürfe aus der Terrorismusbekämpfung keinen heiligen Krieg machen, bei dem alle Prinzipien internationalen Rechts außer Kraft gesetzt würden, warnte Brasiliens Außenminister Celso Amorim. Es war eine deutliche Antwort auf seine US-Amtskollegin Condoleezza Rice, die in Brasília für das Recht Kolumbiens auf "Selbstverteidigung" und ein regionales Sicherheitskonzept geworben hatte.

Der Angriff auf ecuadorianisches Territorium, bei dem wie im Irak und in Afghanistan "intelligente Bomben" zum Einsatz kamen, war der erste Versuch, die Bush-Doktrin von 2002 auf Lateinamerika auszuweiten. Diese sieht Präventivschläge im Antiterrorkrieg ausdrücklich vor. Doch er hat auch eine regionale Vorgeschichte: Es ist der 1999 von US-Präsident Bill Clinton aufgelegte "Plan Colombia", der als Antidrogenstrategie noch nie funktioniert hat.

Zunächst begründete man die Präsenz von US-Beratern, privaten Söldnern und die milliardenschwere Militärhilfe mit dem Feindbild der Drogenmafia, wobei die Verstrickungen des kolumbianischen Staates und regionaler Eliten mit den rechten Paramilitärs meist großzügig ignoriert wurden. Nach dem September 2001 gerieten die Farc explizit ins Visier der Washingtoner Falken; im Februar 2002 kündigte Kolumbiens Regierung die Friedensgespräche mit der Guerilla auf.

Die Farc haben diese Entwicklung mitbefördert. Mit ihrem militaristischen Kurs ebneten sie 2002 Uribe den Weg an die Macht und waren 2006 erneut seine besten Wahlhelfer. Wegen ihrer politischen Einfallslosigkeit, hundertfachen Entführungen und ihre Verwicklung in den Drogenhandel scheint das Etikett Narcoterroristen plausibel. Dennoch bezeichnen die übrigen lateinamerikanischen Regierungen - anders als die USA oder die EU - die Farc wohlweislich nicht als Terroristen, sondern als irreguläre Kräfte. Dadurch nämlich könnte eine Verhandlungslösung erleichtert werden, an der sämtliche Nachbarn Kolumbiens größtes Interesse haben.

Venezuelas Präsident Hugo Chávez müsste aufgrund seiner ideologischen Nähe zu den Farc Teil einer solchen Verhandlungslösung sein. Doch ihn hat Uribe im November auflaufen lassen, als er ihm das Vermittlungsmandat für einen humanitären Austausch zwischen Farc-Geiseln und inhaftierten Rebellen entzog. Mit seinem Vorschlag, die internationale Gemeinschaft solle die Farc zur Kriegspartei aufwerten, fand Chávez keine Resonanz. Stattdessen ordnete Uribe die Attacke auf das Lager von Reyes an, nachdem Chávez erreicht hatte, dass die Aufständischen einseitig sechs entführte Politiker freiließen.

Die USA möchten durch die weitere Militarisierung der Region den lateinamerikanischen "Linksruck" ausbremsen, bevor er überhaupt richtig begonnen hat. Mehrere Regierungen der Region versuchen, die Verfügungsgewalt über die eigenen Ressourcen zu erlangen. Langfristig könnte dieser Kurs die Interessen der westlichen Multis berühren, vor allem ihren Zugriff auf die Rohstoffe des Subkontinents.

Ein besonderes Ärgernis stellen aus der US-amerikanischen Warte Venezuela, Ecuador und Bolivien dar - in erster Linie der polternde Antiimperialist Chávez, aber auch die ecuadorianische Regierung, die das Abkommen über den US-Militärstützpunkt nahe dem Pazifikhafen Manta 2009 aufkündigen will. In mehreren Ländern unterstützen die USA die rechte Opposition. Dagegen beharren die lateinamerikanischen Präsidenten - von der argentinischen Linksperonistin Cristina Fernández de Kirchner bis zum mexikanischen Rechtsliberalen Felipe Calderón - auf Nichteinmischung und Multilateralismus. Vorreiter dabei ist Brasilien: In Washington stellte der brasilianische Verteidigungsminister Nelson Jobim jetzt selbstbewusst das Projekt eines südamerikanischen Verteidigungsrates vor.

In der Europäischen Union sind die Befürworter ziviler Lösungen für Kolumbien nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit ins Hintertreffen geraten. Lediglich Frankreich übt Druck auf die kolumbianische Regierung aus, um die Freilassung von Ingrid Betancourt zu erreichen. Der jahrelange Antiterrordiskurs hat den europäischen Blick auf den Andenraum getrübt; das Uribe-Regime ist in Europa hoffähig geworden. Federführend dabei ist Spanien, das vor allem die Interessen seiner Firmen im Blick hat. Das ist konsequent: In wirtschaftlichen Fragen sind die Positionen von Nordamerikanern und Europäern gegenüber Lateinamerika seit jeher kaum zu unterscheiden.

Besonders innig sind die Beziehungen zwischen Berlin und Bogotá. Bundespräsident Horst Köhler war im letzten Jahr bei Uribe, Kanzlerin Merkel wird im Mai zu Staatsbesuchen nach Brasilien, Mexiko und Kolumbien reisen. Das Kolumbien-Büro der Konrad-Adenauer-Stiftung hat soeben in der Reihe "Uribes Ideen" einen Band herausgegeben, in dem der komplexe Konflikt in Kolumbien auf ein Terrorismusproblem reduziert wird.

Wenn die Bundesregierung und die EU zur dauerhaften Befriedung der Andenregion beitragen wollen, sollten sie sich aus dem Fahrwasser der USA begeben und sich an den Positionen der lateinamerikanischen Regierungen ein Beispiel nehmen. Die Europäer müssten zudem endlich entschieden auf Distanz zu der gescheiterten Antidrogenpolitik der US-Amerikaner gehen. Diese nämlich konterkariert nicht nur die eigenen, zivilen Ansätze in der Region, sondern hält auch über die Drogendollars den Krieg am Laufen. Schließlich müsste eine glaubwürdige EU-Menschenrechtspolitik sämtliche Konfliktparteien in die Pflicht nehmen.

Vom EU-Lateinamerika-Gipfeltreffen, das im Mai in Lima stattfindet, könnten positive Impulse ausgehen. Eine Chance für eine echte Wende im Andenraum gäbe es aber wohl nur unter einem US-Präsidenten Barack Obama.

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2 Kommentare

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  • I
    Ivanfi

    Mein Beitrag hierzu ist eine Analyse eines DLF-Berichts vom 2.4.2008, womit die Situation charakterisiert werden kann:

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    Sehr geehrter Herr Burkhard B.,

     

    der 1. April ist zwar vorbei, dennoch kann ich mein folgendes Schreiben an Sie nicht ersparen. Zu interessant und anregend fand ich Ihren Tonbeitrag heute. (DLF, 2.4.2008 um 13:25)

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    Das war der bisher rhetorisch best gelungener Beitrag, den ich in den letzten Tagen gehört oder gelesen habe, indem Sie die medial allesfressende BRD-Öffentlichkeit emotionell für die FARC und gegen Uribe, begeistern konnten. Länge: ca. 3'40".

     

    Ich möchte Ihnen eine kurze Analyse Ihrer Rhetorik darlegen. Ob Sie in Ihren Formulierungen bewusst oder als Tausendfach bewährter Fachmann in reiner Routine gehandelt haben, bleibt Ihr Geheimnis. Andererseits betrachten Sie bitte meine Ausführungen auch als Spiegelbild von Jemandem, der in dieser Thematik unabhängig und frei sprechen kann.

     

    1-Emotionelle Töne von Kouchner: so rasch wie möglich muss gehandelt werden. OK.

     

    2-Sehr konsequent formuliert Herr Birke: FARC-Gerilleros, bloß nicht das böse Wort Terrorist in den Mund nehmen. Selbst einen unvorsichtig ketzerischen Gedanken daran zu verschwenden wäre 3x Vaterunser wert.

     

    3-Sarközy fleht den blutrünstigsten (oder Blumenmädchenhaften?) Kommandanten, Marulanda an. Natürlich wird Marulanda als FARC-Guerilla-Anführer genannt, vom Terrorismus ist keine Spur. Er lockt die Terroristen mit Stolz und Eitelkeit, die ganze Welt würde Marulanda feiern. "Marulanda erhält den einhelligen Beifall der internationalen Gemeinschaft!"

    Sozusagen Betancourt freizulassen ist ja für Marualanda DIE Chance seines Lebens, als Held der Welt gefeiert zu werden.

    (Mit dieser Moral können wir alle Verbrecher der Welt aufrufen, ihre schändlichsten Taten straffrei zu gestehen, schließlich können sie weltweit zum Popstar der Woche werden.)

     

    4-Bislang haben sich die FARC zu den von Uribe angebotenen Austausch nicht geäußert, jedoch einige Geiseln ohne Gegenleistung freigelassen. (Freude kommt auf: FARC ist gut. Pluspunkt.)

     

    5-Nach Raul Reyes Ermordung durch Uribe, scheint ein Ansprechpartner bei der FARC zu fehlen. (Die Lehre daraus: Minuspunk für Uribe.)

    Das hat er davon; die Schönen und Guten Terroristen haben den Schwarzen Peter nicht mehr. Uribe hat sie in der Tasche, weil er ohne ein bisschen zu überlegen einen Ober-Terroristen ermorden ließ. Uribe: Pfui! Das machst du nicht wieder! Prima, Herr Birke, wie Sie uns die Sache rhetorisch geschickt beibringen.

     

    6-Die FARC hätte sich sooo gewünscht, ein bisschen Demilitarisiertes Gebiet einzurichten. Ehrlich! Aber Uribe lehnte ab. Wie dumm! Minuspunkt!

     

    7-Nun, wenn mit Uribe keine Kirschen zu essen sind, will Frankreich trotzdem mit der "militärisch stark geschwächtem FARC", deren Schwindsucht schon gar nicht mehr zu ertragen ist, "deren Kampfesstärke von 16.000 auf 8.000 halbiert sei" verhandeln.

    Uns kommen die Tränen, wegen dem stark geschwächten FARC. Wir machen uns ernste Sorgen und denken nach, wie wir mit einigen Container Ovomaltine diese armseligen Terroristen wieder aufpäppeln können.

    Sehr gut, Herr B., Pluspunkt für die FARC, Minuspunkt für Uribe, der die Entmilitarisierung ablehnt und dazu noch die FARC hungern lässt. Ein Punkt minus ist kulant, da kann er froh sein!

     

    8-"Frankreichs Humanitäre Aktion" ist wohl der rührendste Satz in dieser Geschichte. Wer um Gottes Willen hat noch in unserer unpersönlichen, vom Raffgier und Lust beherrschten Welt Herz, für Terroristen auf der Welt?

    Die Zeiten, wo wir noch alle ineinandergeklammert in Sprungschritten gegen die Kapitalistenschweine, stürmten sind längst vorbei. Aber Frankreichs NEUER, der zeigt es uns, wer noch heutzutage Herz hat. Vorausgesetzt, dass Marulanda seinen Leuten Urlaub gewährt. Wenn Frankreich sie aufgepäppelt hat, kann Marulanda sie wieder mit neuen Aufgaben vertrauen. Uribe würde sich bestimmt freuen.

     

    9-Betancourts Wert ist durch Frankreichs Engagement ins Unermessliche gestiegen. (Wieder ein Pluspunkt für die FARC. Wie schön.)

     

    10-Dann hören wir in der Relation zu Betancourt, wie viele andere Geiseln noch im Dschungel festgehalten werden und völlig ohne den Übergang anzukündigen werden plötzlich die, wie selbstverständlich ? schlimmeren Paramilitärs genannt, die, - welch eine Ungerechtigkeit ? mit wenigen Jahren Gefängnis billig davonkommen.

    Also: Minuspunkt für Uribe, der die Paramilitärs lieb hat, anstatt die FARC liebzuhaben.

     

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    Wenn wir dann die positiven und negativen Emotionen, durch Herrn B.s Rhetorik zusammenzählen, ist FARC eindeutig die Gewinnerin. Uribe muss sich leider mit Platz 2 begnügen.

    So ist das Leben. Man kann ja nicht immer gewinnen, nicht wahr, Uribe?

     

    Mit freundlichen Grüßen

    Ivanfi (Rostock)

    2.4.2008

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  • PG
    Peter Gabriel

    Die Welt wird aufatmen, wenn dieser paranoide, außer Kontolle geratene Warlord Bush von den Schalthebeln der Macht verschwindet. Es ist leider noch viel zu lange hin.

    Hoffentlich wird Clinton sich rechtzeitig bewusst, was sie mit ihrem Dickkopf dabei ist anzurichten. Und hoffentlich erweist sich Obama tatsächlich als einer der die "We own the world" Politik der USA nicht so blindlings fortführt und ebenso über Leichen geht wie letztlich alle seine Vorgänger.