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"Und das Feuilleton - nicht zuletzt der taz - gibt bereitwillig Flankendeckung..." Herzliches Beileid, Herr taz, Sie sind zum Mann mutiert!
@XXX:
Stimme Dir da uneingeschraenkt zu! Meines Erachtens gilt es, diese Problematik zu diskutieren, mit der jeder Sozial- und Gesiteswiss.schaftler konfrontiert ist, statt fortlaufend ueber Plagiate zu diskutieren.
Denn, im Unterschied zu Dir denke ich, dass die Geistes- und Sozialwissenschaften einen sehr wichtigen Beitrag leisten koennen - und geleistet haben, und zwar durch interdisziplinaere Analyse, konzeptionelles Arbeiten, geschichtliches Verstehen, etc. Eine geistlose Gesellschaft, die sich reinem Biologismus & Materialismus verschreibt, ist nicht wuenschenswert. Aber es muss wieder mehr Raum den Geisteswissenschaftlern gegeben werden, eigene Interpretationen und Schluesse zu ziehen. Autoren wie Hegel, Marx, Luhmann, etc etc, heute so geschaetzt von vielen, wuerden ja heute nicht mehr als "wissenschaftlich" wahrgenommen, da sie sich nicht dem puren Formalismus unterwarfen in ihren damaligen Forschungsvorhaben.
@Ariane: ich denke, dass die Ideenlosigkeit auch daher rührt, dass man sich als Doktorand kaum noch traut, einen Satz ohne Fußnote zu verfassen... Fußnotenfetischismus führt dazu, dass man eher noch froh ist, einen eigenen Gedanken irgendwo wiederzufinden und das dann angeben zu können, da man sonst in den Verdacht bloßer "Meinungsäußerung" oder gar platter, normativ gefärbter Polemik gerät. Letztere können sich erst Wissenschaftler erlauben, die sich einen gewissen Ruf erarbeitet haben. Ohne ein Element des Spekulativen und der Übertreibung zu erlauben, ist es m.E. aber schwierig in den geistes- und sozialwissenschaftlichen Bereichen überhaupt mal etwas von Interesse zu schaffen.
Die "eigene Leistung" kommt dann in einer Diss nach einem zusammengeschusterten Theorieteil meist über "Empirische Untersuchungen" zu standen, deren Erkenntnisgehalt gering bis nichtig ist. So jedenfall in den mir vertrauten Bereichen, in den Naturwissenschaften mag es anders sein.
@Gallier
Selbstverständlich ist der Doktor ein Karrierehelfer. Genau wie Hauptschulabschluss, Lehre, Abi, Studium, Diplom oder ein Führerschein. Eben nur auf einem anderen Niveau... Sollte es anders sein? Mir ist es egal, ich kann auf der gesamten Bildungsklaviatur spielen... Den meisten anderen aber nicht, insbesondere nicht denen, die ihre berufliche, persönliche und finanzielle Stellung nicht erben können...
@Kichererbse:
Ich lebe auch im Ausland, und kann deinen Eindruck nicht bestaetigen. Weltweit gibt es einen Handel mit Titeln - also sollte man nicht uebertreiben mit der Dramatik, die sich angeblich durch Faelle wie Gutenberg einstellt.
Insgesamt muss man eher sagen, wie weiter oben schon beschrieben, dass der deutsche Titelspleen in englischsprachigen Laendern belaechelt wird.
Zu der "Signifikanz" von Dr.arbeiten, wie der Artikel vorgibt - fuer den Schreibenden eine lange Durststrecke und signifikanter Lernprozess, - fuer die Allgemeinheit oder wissenschaftliche Kollegen oft wenig signifikant. Ich habe persoenlich schon so viele schlechte Doktorarbeiten und Habilitationen gelesen (in Philosophie, Pol. wiss., Soziologie, Germanistik), dass mir die 'allgemeine Signifikanz', die ja erst die Fallhoehe fuer Artikel wie den obigen bildet, nie offenbar wurde...auch wenn viele dieser aus meiner Sicht vollkommen ideenlosen Arbeiten hochgelobt daher kamen. Sie waren zwar kein Plagiat, denn alles brav mit Fussnoten versehen, aber sie entwickelten auch keine eigene Idee. Ueber letzteres sollte man mal diskutieren.
Generell sollte bei den Doktortiteln
geachtet werden, dass der Praxisteil
(Umgang oder Entwicklung neuer Technologien,
handwerkliche Facharbeiterfertigkeiten,
Laborarbeit und möglicherweise interdiszplinäre
Kommunikation) einen festen Anteil
an der Gesamtpromotionsleistung hat.
Hierbei soll die Anschlussfähigkeit an
das wirtschaftliche und wissenschaftliche
Berufsleben gewährleiset sein und der
Führungsanspruch bestätigt werden.
Weiterhin sollten wir unsere Promotionskultur
nicht zerstören lassen.
Die deutsche Wissenschaft ist besser als Ihr Ruf.
Sie muß noch besser werden.
Aber für Plagiatoren darf es keine Gnade geben.
Und wenn wir unsere Betrüger identifizieren
und mit Amtsenthebung abstrafen, dann wurde
gerade der Chancengleichheit Genüge getan.
Es sind die moralisch verwahrlosten Politiker
der EU-Gremien, welche sich gegen jede
Redlichkeit mit falschen Federn (Doktortiteln) aufplustern
und damit die entbehrungsreiche Arbeit von
Promotionen abwerten und sie als Autoritäts-
und Prestigeinstrument mißbrauchen.
Und das letzlich zu Lasten des Rufes der deutschen
Wissenschaft.
Fazit: Natürlich ist gesunder Menschenverstand
wichtiger, als wissenschaftliche Publikationen
ohne Gehalt oder Plagiatekollagen.
Natürlich sollten mehr Absolventen bestimmter
Fachrichtung einen besseren Zugang zu
Forschungslaboren und Entwicklungsressourcen
haben, um besser eigene Ideen verwirklichen zu können und nicht nur die verhältnismäßig
wenigen Doktoranden.
Aber die wissenschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung von Doktorarbeiten darf nicht
nivelliert werden, da hier ein besonderer
gesellschaftlicher Beitrag zur Fortschrittlichkeit
und Überlebensfähigkeit Deutschlands und
mittelbar der EU und Weltwirtschaft geleistet
wird und manchmal auch Lösungen zu existentiellen
Problemen gefunden werden.
Im Übrigen sind Promotionen tatsächlich wichtig,
weil Sie EIGENSTÄNDIGES Denken und Arbeiten
beweisen, sollen.
Während in den Abiturprüfungen und Bachelorprüfungen
die Wiedergabe von Information und Anwendung
bestimmter Verfahren abstrakt geprüft werden.
Also bei Doktorarbeiten geht es um die
Entfaltung einer eigener Gedankenwelt auf Basis erlernten
Grundwissens und der Beiträge anderer Wissenschaftler und gegebenenfalls deren Umsetzung.
Am Schluss soll das Wissensextrakt im Wissen
der Menschheit Eingang finden.
Das vorher war nur diszipliniertes Lernen
unter sozial individuell variierenden Stressbedingungen. Auch Abiturnoten und
Bachelor-, Diplomnoten sind keine objektiven
Meßindikatoren der Leistungsfähigkeit.
Auch hier hat Geschlecht, soziale Herkunft,
vorherrschende Jugendkultur, Elternhaus,
Leitbilder und Qualifikation des Lehrpersonals
einen maßgeblichen Einfluss auf den Erfolg
des vorher unverdorbenen Menschen.
Der Doktor-Titel ist im deutschsprachigen Raum zu einem Karrierehelfer geworden, deswegen ist er von den Juristen so begehrt.
Im Ausland ruft dieser german spleen nur Unverständnis, Verwunderung oder Spott hervor. Dort wird der Titel nur ausnahmsweise erwähnt oder dem Namen hinzugefügt, um gegebenenfalls eine fachliche Kompetenz zu unterstreichen.
Insbesondere der letzte Satz des Artikels ist dick zu unterstreichen.
Dem kann ich mich nur anschließen: guter Kommentar.
Ich lebe im Ausland und dort, was man so hört, ist der Ruf unseres deutschen Wissenschaftsstandorts schon lange auf lange Zeit geschädigt. Unsere so genannten Doktorväter und Doktorträger stehen im Verdacht von Lug und Betrug. Es ist sogar schon soweit, daß man in Deutschland nicht mehr seinen Dr. machen möchte um der späteren Karriere nicht zu schaden.
Das kritische Nachdenken darüber, warum der Doktortitel auch in den 'ausserwissenschaftlichen' Beschäftigungsfeldern so begehrt ist, ist schon lange überfällig. Gleiches gilt für die Anforderungen vieler Fachhochschulen, die die Inhalte ihrer Studiengänge ausschließlich der Praxis verschrieben haben und am Ende von ihren Studenten wissenschaftliche Arbeiten erwarten - ohne diesen jemals die dafür erforderlichen Kompetenzen vermittelt zu haben.
Guter Kommentar - Daumen hoch
vg, stefan
Das neue Album hören und sie reich machen: Fans feiern Taylor Swift als „Business-Genie“ und die Charterfolge wie den Meistertitel des Lieblingsteams.
Debatte Doktorendämmerung: Der Nutzen der Promotion
Politik, Presse und Bevölkerung verharmlosen gern wissenschaftliche Täuschungsmanöver. Die Konsequenzen sind ernst - Einspruch muss erlaubt sein.
Eher im Foyer als im Hörsaal abgehangen und trotzdem politische Karriere gemacht. Bild: AllzweckJack / photocase.com
Kaum war man gewillt zu glauben, dass die Selbstregulierungsmechanismen von Wissenschaft und Politik im Falle des Verteidigungsministers zu guter Letzt doch noch funktionierten, schien der heilsame Effekt seines Rücktritts schon wieder verflogen. Nun sah es, böswillig formuliert, im Gegenteil so aus, als sei ein aberkannter Doktortitel geradezu ein Kompetenznachweis für die Beförderung zum Vollmitglied im europäischen Forschungsausschuss.
Es bedarf wohl einer gewissen Chuzpe anzunehmen, Europa sei hinreichend weit weg, weiter jedenfalls als die Hardthöhe, um nun mit einer Haltung durchzukommen, die im Falle zu Guttenbergs noch gründlich schiefgegangen ist - der Ansicht nämlich, bewusste wissenschaftliche Täuschungsversuche sollten für die Sphäre politischer Karrieren bedeutungslos bleiben.
Ressentiment
Gern wird uns dies von interessierter politischer Seite als pragmatischer Realismus verkauft - und eine Mehrheit der Bevölkerung ist geneigt, dem Glauben zu schenken. Denn sie erinnert sich nicht nur nachsichtig eigener Täuschungsversuche, sondern findet Nahrung für ein Ressentiment. Sie meint, die Debatte um das Verhältnis von Amt und akademischen Titel sei doch eine weltfremde Überbewertung ständischer Verhaltensweisen nach den Maßstäben von Aufrichtigkeit, Nachvollziehbarkeit und Fairplay im Wettstreit um Erkenntnis.
Und das Feuilleton - nicht zuletzt der taz - gibt bereitwillig Flankendeckung: War der Versuch nach Maßgabe postmoderner Übergeneralisierungstheorien, nach denen jeder Text nur Zitat eines anderen Textes sein kann und Autoren infolgedessen per definitionem Plagiatoren, auf den ersten Blick noch als Entlastungsstrategie zu verstehen, so wurde auf den zweiten Blick doch schnell deutlich, dass man mit diesem Argument alle Geltungsansprüche der Textgattung Dissertation preisgibt. Und ist das Produkt erst einmal desavouiert, kann direkt zum Generalangriff auf die Lebensform "Doktorand" geblasen werden, die "rechthaberisch" seien und "kleinlich".
Gern würde man angesichts derartiger Vorgänge eine gelassene Heiterkeit entwickeln, wären die zu befürchtenden Konsequenzen nicht so überaus ernste: nämlich fortgesetzte Verharmlosung einerseits und drohende Missachtung echter wissenschaftlicher Leistungen andererseits. Und spätestens hier muss Einspruch erlaubt sein.
Matthias Mayer leitet den Bereich Wissenschaft bei der Körber-Stiftung in Hamburg. Dort ist er unter anderem verantwortlich für den Deutschen Studienpreis, den einzigen bundesweiten Wettbewerb für Dissertationen, der allen Disziplinen offensteht.
Missachtung
Vermutlich gibt es wenige Menschen in der Republik, die pro Jahr mehr Dissertationen sehen als das Team des Deutschen Studienpreises. Dieser Wettbewerb für NachwuchsforscherInnen motiviert jährlich vier- bis fünfhundert DoktorandInnen aller Disziplinen, ihre Dissertationsschrift zu einem Wettbewerbsbeitrag zu kondensieren und beides zusammen mitsamt den wissenschaftlichen Gutachten einer unabhängigen Jury vorzulegen. Der Anspruch des Wettbewerbs ist es, von den fachlich besten Promotionen die gesellschaftlich bedeutsamen auszuzeichnen. Wer gerne der Meinung sein möchte, Dissertationen seien per se eine uninteressante, weil irrelevante Gattung, dem oder der stellen wir gern eine Liste der bearbeiteten Themen zusammen.
Diese Liste würde reichen von skandalösen Befunden zu Antibiotikarückständen in Böden und Grundwasser über die grundrechtlich nicht haltbare Lage von Intersexuellen bis hin zur fundierten Kritik westlicher Statebuilding-Ambitionen auf dem Balkan oder in Afghanistan. Wer dies für esoterisches wissenschaftliches Glasperlenspiel halten mag, scheint mir die gesellschaftliche Bodenhaftung verloren zu haben. Dass sich de facto vom Bundestag über den Deutschlandfunk, der eine ganze Reihe von Diskussionsrunden mit PreisträgerInnen produziert, bis zu dieser Zeitung eine breite Öffentlichkeit für solche Forschungsergebnisse interessiert, mag immerhin beweisen, dass es um den öffentlichen Nutzen und um den Rezipientenkreis solcher Forschung so schlecht nicht bestellt sein kann.
Ein Gutes immerhin hat die gegenwärtige Debatte: Endlich einmal können die Situation von NachwuchswissenschaftlerInnen und einige Merkwürdigkeiten des deutschen Promotionswesens unvoreingenommen in Augenschein genommen werden.
Anerkennung
Da ist zunächst die Anerkennung der schlichten Tatsache, dass ein Großteil der Forschungsleistungen an deutschen Hochschulen von Doktorandinnen und Doktoranden erbracht wird. Ohne sie könnte der Wissenschaftsbetrieb vermutlich ganz einfach dichtmachen. Dass sie sich dabei im Rahmen der sogenannten Individualpromotion immer noch allzu oft in unguten persönlichen Abhängigkeitsverhältnissen befinden, ist eine nicht gern gehörte Vermutung in arrivierten Wissenschaftskreisen.
Die Vermutung ist aber so falsch nicht. Sie wurde bereits an doktorväterlichen Bemerkungen der Art deutlich, dass ein pädagogisches Verhältnis von Doktorand und Betreuer vor allem auf wechselseitiges Vertrauen gegründet sein müsse. Daccord was das Vertrauen anlangt, aber vielleicht wäre es an der Zeit, von primär pädagogischen Beziehungsmustern Abstand zu nehmen und DoktorandInnen als das anzuerkennen, was sie sind: Kolleginnen und Kollegen in Forschung und Lehre.
Wenn darüber hinaus ein kritisches Nachdenken darüber einsetzen würde, warum ausgerechnet in Deutschland der Doktortitel ein solch begehrtes Zertifikat ist - auch für Beschäftigungsfelder, die mit wissenschaftlichem Arbeiten kaum bis gar nichts zu tun haben -, wäre dies ein zweiter positiver Ertrag der Ereignisse. Auf diesem Feld voranzukommen, würde allerdings auf beiden Seiten Bewegung voraussetzen: auf Seiten der Wissenschaft ein klares Bekenntnis dazu, dass mit diesem Titel die Fähigkeit zu selbständigem und erfolgreichem wissenschaftlichen Arbeiten und somit auch ein signifikanter wissenschaftlicher Ertrag zertifiziert wird und nichts sonst. Auf Seiten der Abnehmer die Einsicht, dass Dissertationen sinnvolle Zugangsvoraussetzungen für Wissenschaftskarrieren sein mögen, aber im Hinblick auf soziale Distinktion und vernünftige Personalpolitik verzichtbar sind.
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Kommentar von
Matthias Mayer