Debatte Bundespräsident: Wir sollten Köhler erlösen
Das Verhalten Horst Köhlers wirkt unsouverän. Vielleicht sollte die aktuelle Debatte ein Anlass sein, über die Sinnhaftigkeit seines Amtes neu nachzudenken.
Ralph Bollmann ist Leiter des Parlamentsbüros der taz.
Der Präsident lügt. "Ich entscheide selbst, wann ich mich zu Wort melde", sagt Horst Köhler in seinem ersten Interview seit langem. Er gewährte es, nachdem so ziemlich alle Medien sein "dröhnendes Schweigen" kritisiert hatten. Die Opposition verlangte, das Staatsoberhaupt solle endlich mal Schwarz-Gelb kritisieren, die Konstellation, die ihn ins Amt gebracht hatte. Und was macht Köhler? Er kritisiert Schwarz-Gelb. Kurzum: Das Verhalten des Ersatzsouveräns wirkt ein wenig unsouverän.
Dabei sind die Vorschläge, die er in dem Gespräch unterbreitet, alles in allem recht vernünftig. Er entfaltet die Theorie bürgerlichen Regierens, die sich von der christlich-liberalen Praxis so eklatant unterscheidet: weniger Schulden, mehr Bildung und dafür notfalls auch höhere Steuern. Wie man so etwas konkret anstellt, sagt Köhler allerdings nicht. Wie man etwa die Bildung reformiert mit 16 renitenten Ministerpräsidenten und einer Bevölkerung, die, wie zuletzt in Hamburg, gegen jede Veränderung aufbegehrt.
Weil der außerparlamentarische Opponent im Schloss Bellevue seine Forderungen nicht konkret umsetzen muss, wirken seine Appelle immer auch ein bisschen billig. Er begibt sich in den parteipolitischen Streit, ohne darin wirklich etwas ausrichten zu können. Er pflegt den Gestus des Unangepassten und folgt meist doch der Mehrheitsmeinung.
Die alten Republiken wie die Schweiz, die Vereinigten Staaten oder auch die Freien Reichsstädte im früheren Deutschland kannten die Trennung von Staatsoberhaupt und Regierungschef nicht. Der Präsident als Ersatzmonarch ist eine Erfindung der verspäteten Demokratien. Vielleicht sollte die aktuelle Debatte ein Anlass sein, über die Sinnhaftigkeit dieser Erfindung neu nachzudenken - und den Mann im Schloss von seinem Unglück zu erlösen.
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