piwik no script img

Debatte Arabische RevolutionDie Türkei ist kein Vorbild

Jürgen Gottschlich
Kommentar von Jürgen Gottschlich

Die Türkei wird jetzt als Vorbild für die arabische Welt gehandelt. Aber die Ägypter haben Besseres verdient als weichgespülte Muslimbrüder.

Türkische Sicherheitskräfte vor einer Moschee in Ankara. Bild: dapd

W as folgt aus der arabischen Revolution? Was wird aus Libyen, was aus dem US-Flugzeugträger Bahrain? Nach dem Triumph der Protestbewegungen in Ägypten und Tunesien müssen dort neue Strukturen entwickelt werden, damit ein demokratischer Machttransfer überhaupt stattfinden kann. Erst wenn dieser mühsame und überaus gefährliche Prozess erfolgreich abgeschlossen ist, werden wir wissen, ob man von einer geglückten Revolution sprechen kann.

Vielfach wird den Menschen im Nahen Osten derzeit empfohlen, sich die Türkei zum Vorbild zu nehmen. Das scheint auf den ersten Blick plausibel. Gemessen an den Maßstäben des Nahen Ostens, ist die Türkei eine funktionierende Demokratie und ein Rechtsstaat. Das Land besitzt eine säkulare Verfassung, erprobte Institutionen und kann auf eine erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung zumindest in den letzten zehn Jahren verweisen. Und: Ihre Bewohner sind zu 98 Prozent Muslime.

Darüber hinaus wird die Türkei von einer islamischen Partei regiert. Die AKP von Tayyip Erdogan ist eine Partei, die versucht hat, die Türkei in die EU zu bringen, und diesen Versuch bis heute - zumindest offiziell - noch nicht aufgegeben hat und die es geschafft hat, das Militär in die Schranken seiner Kasernen zu verweisen.

Das ist mit Blick auf Ägypten besonders wichtig. Denn die größte Gefahr, die der demokratische Revolte dort droht, ist, dass das Militär die Macht, die es jetzt allein innehat, nicht wieder aus der Hand gibt.

Wie man das Militär einhegt

Bild: taz

Jürgen Gottschlich, ist taz-Korrespondent für die Türkei und lebt in Istanbul. 2008 erschien sein Buch "Türkei – ein Land jenseits der Klischees" und 2010 "Der Bibeljäger. Die abenteuerliche Suche nach der Urfassung des Neuen Testaments" (beide Ch. Links Verlag).

Genau betrachtet, besteht die Vorbildfunktion der Türkei also darin, dass sie nicht einfach nur eine Demokratie ist, sondern eine muslimische Regierung besitzt, die eine jahrzehntelang dominierende Armee zurechtgestutzt hat und das Primat der Politik vor dem Militär durchsetzen konnte. Das ist nicht wenig. Trotzdem kann man die ägyptischen und tunesischen Demokraten nur davor warnen, dem Vorbild Türkei zu folgen. Denn tatsächlich sind sie der Zeit im Vergleich zur Türkei weit voraus.

Die revoltierenden Menschen in Arabien haben etwas geschafft, was ihnen weltweit niemand zugetraut hätte und auch die Türken nie zustande gebracht haben: Sie haben sich erfolgreich gegen einen Diktator und ein despotisches System erhoben. Die Menschen auf dem Tahrir-Platz in Kairo haben eine Stunde null eingeläutet, mit der in Ägypten eine neue Zeitrechnung beginnt.

Für den Übergang zur Demokratie haben sie es gar nicht nötig, sich an der Türkei zu orientieren. Denn auch wenn die Menschen in Ägypten mehrheitlich Muslime sind - Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Meinungsfreiheit und soziale Rechte sind universelle Werte, Werte, für die die Menschen in Ägypten gekämpft haben und die keines muslimischen, christlichen, buddhistischen oder anderen religiösen Vorzeichens bedürfen.

Man sollte deshalb die Unterschiede zwischen der Türkei und den arabischen Ländern beachten. Die Erfolgsgeschichte der türkischen AKP begann in einem Land, das am Boden lag und in dem die Mehrheit der Menschen völlig demoralisiert war.

Gut zwei Jahre vor der demokratischen Machtergreifung der AKP, 1999, war das Land von einem schweren Erdbeben getroffen worden, das fast 50.000 Todesopfer forderte und rund um das Marmarameer den industriellen Kern des Landes teilweise zerstörte. Nicht zuletzt dieses Erdbeben war mitverantwortlich für die schwerste Wirtschaftskrise seit ihrer Gründung, die die türkische Republik 2001 erlebte.

Vom Erdbeben erschüttert

Bei den Wahlen 2002 wurden all jene Parteien und Politiker, die es nicht geschafft hatten, auf das Erdbebenfolgen angemessen zu reagieren, und das Land anschließend in die Wirtschaftskrise geführt hatten, abgewählt - keine der damals im Parlament vertretenen Parteien überlebte die Wahl.

Stattdessen kam die AKP, weil sie eine Antisystempartei war, nicht zum Politklüngel gehörte, entsprechend als nicht korrupt galt und mit Tayyip Erdogan einen charismatischen Führer besaß. Dass die AKP ursprünglich dem politischen Islam entstammte, war allen Umfragen nach nur für den kleineren Teil ihrer Anhänger ein Grund, sie zu wählen. Die Mehrheit wählte sie aus Verzweiflung über den Mangel an Alternativen und nahm dabei den islamischen Background mehr oder weniger notgedrungen in Kauf.

Keine Putschgefahr mehr

Die AKP war zwar von Beginn an den Angriffen des Militärs und ihm nahestehender Kreise ausgesetzt. Doch eine echte Putschgefahr, wie die Partei sie immer wieder beschwor, gab es nie. Ein Putsch wäre einfach nicht mehr möglich gewesen.

Die Türkei hing völlig am internationalen Tropf, während ihre Wirtschaft in die globalisierte Ökonomie integriert war. Vor allem aber hätten die USA und die EU, anders als beim Putsch 1980, die Putschgeneräle nicht mehr unterstützt.

Der Kalte Krieg war vorbei, eine Militärdiktatur hätte keinerlei internationale Unterstützung gehabt, der IWF hätte keinen Kredit mehr gegeben, und das Land wäre innerhalb weniger Wochen pleite gewesen. Das wusste der Generalstab, weswegen er Putschpläne unterer Ränge nicht mehr unterstützte, und das wusste die AKP-Spitze.

Der Kampf der AKP ist vor allem der Kampf einer neuen, islamischen Elite gegen die alten Eliten der Republik. Wenn es stimmt, dass Freiheit auch immer die Freiheit des Andersdenkenden ist, dann spielt Freiheit in dieser Auseinandersetzung nur eine sehr geringe Rolle.

Den Menschen in Ägypten wird die AKP nicht aus demokratischen, freiheitlichen Erwägungen als Vorbild empfohlen, sondern weil sie aus Sicht der USA und einiger europäischer Vordenker im Vergleich zu einer islamisch-fundamentalistischen Strömung das kleinere Übel darstellt.

Da die USA selbst nicht mehr darauf hoffen können, selbst im Nahen Osten als Vorbild gesehen zu werden, geht es nach Auffassung der außenpolitischen Strategen jetzt darum, das Modell Erdogan gegen das Modell Chomeini zu propagieren.

Warum aber die kostbare Stunde null an ein kleineres Übel verschwenden? Die Demokraten vom Tahrir-Platz haben etwas Besseres verdient als eine weichgespülte Variante der Muslimbrüder.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Jürgen Gottschlich
Auslandskorrespondent Türkei
Mehr zum Thema

24 Kommentare

 / 
  • FT
    Ferdi Tayfur

    Gegenfrage:

    Demokratie Deutschland?????

    Das ich nicht lache...

    Minderheiten werden Diskriminiert,Ausgegrenzt und Beleidigt...

    Das im Namen der sogenannten freien Meinungsaüßerung,die die persönliche Ehre vieler aufs tiefste Beleidigen....

    Ich rede nicht nur von den Moslems.Was ist mit den Hartz4-lern???

    Wir haben hier keine Demokratie!

    Wir leben in einer Aristokratie bzw Plutokratie...

    Menschen die Denken können,wissen das.

    Die Türkei ist vielleicht nicht viel besser,aber zumindest Menschlicher...

    Alte,Behinderte,Arme,der Barmann,der Strassenverkäufer,der Müllmann und sogar der Schuhputzer werden mit Respekt behandelt.Nicht nur wegen der Mentalität.Unsere Sprache lässt es aufgrund seines Sprachgebrauchs erst gar nicht zu..Linguisten werden wissen was ich meine;-)

  • MA
    Monsieur Achie

    Europa ist kein schönes Vorbild...

    die arabische Völker brauchen keine Vorbilder. Die Europa schon mal gar nicht. Die Europäer haben die Despoten all die Jahre in arabischen Länder unterstützt. Viele Kommentatoren wissen noch nicht Mal, wo die Türkei liegt aber trotzdem wollen sie alle Türkei Experten spielen.

    Erste türkische Abgeordnete (Frau) saß im Jahr 1920 im türkischen Parlament. Schlechte Vorbilder. So einen schlechten Artikel gibt selten.

    Es geht grundsätzlich darum, dass man irgendeinen Grund findet auf die Türken zu schimpfen. Eine schöne Beschäftigung. Auch für TAZ. Viel Spass beim Schimpfen.

  • OD
    omnis determinatio est negatio

    Wenn sogar so viele TAZ-Leser gibt, die von orientalischen Sicht verblendet sind, dann wundert es mich nicht warum EU politiker die neue Dynamik nicht verstehen. Die Türkei ist natürlich nicht perfekt, und hat immer nocht nicht viele grundsätzliche Rechte verrinerlicht. Aber die Kommentare hier sind ebenso verurteilt wie der Artikel und trägt einen verborgenen Haß, daß ich für die Zukunft von Europa fürchte. Übrigens, weißt einer jemand von euch, daß in der Türkei nicht das arabische Alpabet benutzt wird? %90 von Deutschen wissen das nicht, leben sie vielleich in der Vergangenheit ;)

  • N
    Norega

    Sie vergleichen die Türkei mit den Arabischen Ländern leider nur in politischer Hinsicht. Dabei lassen sie die gesellschaftlichen Unterschiede, zwischen Arabischen Staaten und der Türkei bewusst außen vor.

     

    Der freiheitliche Lebensstandart, den die Menschen in der Türkei haben, ist nicht mal annährend vergleichbar z.B. mit Ägypten. Es geht dabei nicht um die Art des Wahlrechts oder wie unabhängig die Justiz ist, sondern inwiefern die Menschen weltoffen sind und mehrheitlich eine moderne Lebenseinstellung haben.

     

    Selbst die islamistischte Bewegung in der Türkei, ist eher harmlos im Vergleich zu politisch/Religiösen Zuständen in Nahost.

     

    Übrigens: In der Türkei durften die Menschen letztes Jahr über eine Verfassungsänderung abstimmen und haben sich für mehr demokratische Freiheiten entschieden. Soetwas wäre doch hier in Deutschland undenkbar! Wann lässt man denn schon das Volk an Entscheidungen teilhaben??? Wäre ja viel zu Riskant!

    Ich würde eher sagen, kein Staat ist perfekt, jeder hat aufholbedarf, aber dass sich türkische Verhältnisse in Ägypten oder Libyen durchsetzen, ist kurzfristig gesehen eher utopisch.

    Es reicht nicht einfach die Verfassung zu ändern, es müssen sich vorallem alte Denkmuster in der Bevölkerung ändern und das geht nur durch Bildung über mehrere Generationen und wirtschaftlichen Wohlstand.

     

    Außerdem wird den Ägyptern nicht "vorgeschlagen", wie sie suggerieren, sich an der Türkei zu orientieren, sondern viele vorallem junge Ägypter sehen die Türkei als modernen Staat, der kein Wiederspruch zwischen Islam und Demokratie darstellt und somit als erstrebenswertes Vorbild gilt!

  • M
    Martin

    So ein Kommentar ist es eigentlich nicht einmal wert kommentiert zu werden. So etwas Schlechtes habe ich in der taz selten gelesen.

    Erstens kann man die Türkei nicht nur auf die AKP verengen. Es gibt u.a. die nationalistische MHP, die kurdische BDP, die sozialdemokratisch-kemalistische CHP. Es gibt verschiedenste Fernsehsender und Zeitungen von verschiedenster politischer Färbung. Und wenn man die Mediendiskussionen verfolgt, dann kriegt man mitunter den Eindruck, weniger Diskussion und Streitereien wären besser, so sehr funktioniert die Medienwelt in der Türkei. Und am 12.Juni sind die nächsten Parlamentswahlen. Und wenn die Türken wollen, können sie eine andere Partei zur Regierung verhelfen. Sollten sie mit der AKP zufrieden sein, bleiben sie an der Regierung. In welchem anderem Land mit muslimischer Bevölkerung hat das Volk diese Möglichkeit!?

    Die arabischen Länder erfüllen nicht einmal die Grundvoraussetzungen einer Demokratie. Sie stehen politisch und auch wirtschaftlich dort, wo die Türkei in den 40ern und 50ern des letzten Jahrhunderts stand. Egal wen sich die Araber zum Vorbild nehmen, um auf das Niveau der Türkei zu kommen werden, werden sie noch lange arbeiten müssen.

  • E
    Exilant

    Die Türkei als eine Demokratie zu bezeichnen das ist eine Farce, sie ist sogar keine "lupenreine Demokratie" sondern einen Papierdemokratie. denn Menschen- und Minderheitenrechte existieren dort nur auf dem Papier.

  • OD
    omnis determinatio est negatio

    ‎"Der Kampf der AKP ist vor allem der Kampf einer neuen, islamischen Elite gegen die alten Eliten der Republik." Solche und andere Klischees sind so altmodisch. Für Europa besteht alle politischen Prozesse nur zwischen Eliten. Bitte lassen diese komische orientalische Analyse im 2011 zurück.

  • M
    Müller

    Über den Artikel, und die Kommentare kann ich nur den Kopf schütteln. Ich möchte doch alle Bitten ein wenig die Arroganz aus ihren Kommentaren rauzunehmen. Es beschämt mich doch sehr (als freidenkenden Europäer,)dass wir allen und jedem unsere Wertevorstellung aufdrücken wollen, ohne die Dimension der Probleme wirklich zu verstehen. Einige von uns sind erst dann glücklich, wenn überall rund um den Globus eine deutsche Bäckerei steht, wo sie ihre Bild Zeitung kaufen können und mit einem "Grüß Gott" empfangen werden. Kein Raum für Diversifikation. Flüchten wir auf einen anderen Trabanten.........

  • FK
    Felix Klinkenberg

    Lieber Herr Micheal Berger.

    Sie fragen welchen Sinn ein solcher Artikel hat. Natürlich, den hier lebenden Menschen, dass hier herrschende System, wo man sich ganz frei, bei jeder "Wahl" demokratisch zwischen Pest und Cholera entscheiden kann. Statt auf in Idee zu kommen, sich für Gesundheit, Sprich Demokratie, zu entscheiden. Sie fürchten sich vor dem Beispiel, dass man nun in den angeblich Rückständigen Kulturen des Arabischen Raums sehen kann.

    http://www.zeit-fragen.ch/ausgaben/2011/nr8-vom-2122011/das-demokratiedefizit-deutschlands/

  • OB
    Oktay Bahar

    Guten Tag

     

    Ich fange direkt an. Als diesen Artikel gelesen hat es in mir gekocht. Das WIR Türken uns ein beispiel an den Arabischen Ländern nehmen sollen die momentan eine Revolution hervorheben. Warum?

    In der Türkei gehen die Menschen auch auf die Straßen und Demonstrieren, die Menschen sagen auch ihr Meinung in den Medien und bewirken auch was damit.

     

    Meine Meinung ist das die meisten Deutschen Medien unteranderem die TAZ das Bild des Türken/ Muslimen kaputt machen möchte und nur das negative zeigt um die Menschen in Deutschland aufzubroddeln und ein Hass zu entwickeln oder der Hass der schon in den Herzen mancher Menschen in Deutschland gegen diese Gruppen gibt zu schüren.

     

    Anstatt zu versöhnen , Anstatt zu Leben , Anstatt zu Lieben.... Nein die meisten Medien führen den Hass.. EINE WAHRE MEDIENDIKATUR die bis heute anhält.

     

    Danke

     

    Mif freundlichen Grüßen

     

    Oktay Bahar

  • HG
    Herbert Gutzer

    Mein lieber Herr Gottschlich!

     

    Die Türkei ist ganz sicher kein weisser Ritter ohne Fehl und Tadel. Insofern auch kein Vorbild für Fans dieser Art von Vorbildern.

    Aber Politik ist die Kunst des Möglichen!

    Erdogan und seine AKP haben, gemessen an dem, was sie vorgefunden haben, unendlich viel erreicht, jedenfalls um Größenordnungen mehr, als z. B. Frau Merkel. (Sie weisen ja selbst auf die türkischen Erfolge hin.)

    Ich bin sicher, dass die revoltierenden arabischen Völker gottfroh wären, wenn sie die türkischen Standards schon erreicht hätten. Mehr erreichen kann man dann ja immer noch, man muss sich keineswegs mit einem "kleineren Übel" zufrieden geben.

     

    Ich frage mich also wie Andere im Forum: Was soll dieser Artikel?

  • DD
    Dr. Dr. Plagiarius

    "Trotzdem kann man die ägyptischen und tunesischen Demokraten nur davor warnen, dem Vorbild Türkei zu folgen."

    "Man sollte deshalb die Unterschiede zwischen der Türkei und den arabischen Ländern beachten." Herr Gottschlich, mich würde interessieren, wieso sie als Autor nicht aus Ihrer Sicht heraus formulieren, obwohl Ihr Text doch ein Kommentar darstellen soll. Stattdessen bemühen Sie ein "man", welches recht normativ daherkommt.

     

    Dann schreiben Sie pauschalisierender Weise von einer "arabischen Revolution", die doch wohl bei genauerer Betrachtung, recht unterschiedlich ausfallen dürfte. Jedenfalls würde ich neben der arabischen verschiedene soziale Gruppen ausmachen, die die Revolutionen vorangetreiben. Oder sind für Sie z.B. Nubier Araber?

     

    Meinen Sie nicht, dass vor dem Hintergrund des von Europa aus verübten Kolonialismus und Ihrem persönlichen als weißer Deutscher, die absolut formulierte Phrase "Die Türkei ist kein Vorbild" nicht problematisch ist und die Aussage"Die Demokraten vom Tahrir-Platz haben etwas Besseres verdient als eine weichgespülte Variante der Muslimbrüder." nicht anmaßend klingt?

     

    "Denn auch wenn die Menschen in Ägypten mehrheitlich Muslime sind - Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Meinungsfreiheit und soziale Rechte sind universelle Werte, Werte, für die die Menschen in Ägypten gekämpft haben und die keines muslimischen, christlichen, buddhistischen oder anderen religiösen Vorzeichens bedürfen." Ihr vorherig von mir angesprochener Hintergrund macht es in meinen Augen schwierig einen Universalismus zu proklamieren, ohne dabei in Eurozentrismus abzugleiten. Tatsächlich schreiben Sie dann auch von "Rechtsstaatlichkeit", obwohl Demokratie verschiedene Formen darstellen kann. Gegenüber dem europäischen Staatsmodell werden manche dieser demokratischen Gesellschaftsformen aus europäischer Sicht als "Stammesgesellschaft" abgewertet und ein hegemonial europäischer Maßstab etabliert, der die eigene Gesellschaftsform als fortschrittlich, modern, überlegen usw. hervorheben soll.

     

    In Ihren Ausführungen über die Rolle/Haltung der USA und EU-Staaten gegenüber der Türkei, erwähnen Sie nicht den für mich wichtigen Aspekt, dass die USA und EU-Staaten das türkische Militär mit Rüstungslieferungen und somit weiteren Machtmitteln ausstatten, die dann ja auch gegen Kurden eingesetzt werden. Außenvor lassen Sie auch wirtschaftliche Motive für das Handeln von EU-Staaten und USA.

  • FK
    Felix Klinkenberg

    Lieber Herr Micheal Berger.

    Sie fragen welchen Sinn ein solcher Artikel hat. Natürlich, den hier lebenden Menschen, dass hier herrschende System, wo man sich ganz frei, bei jeder "Wahl" demokratisch zwischen Pest und Cholera entscheiden kann. Statt auf in Idee zu kommen, sich für die Gesundheit, Sprich Demokratie, zu entscheiden. Sie fürchten sich vor dem Beispiel, dass man nun in den angeblich Rückständigen Kulturen des Arabischen Raums sehen kann.

    http://www.zeit-fragen.ch/ausgaben/2011/nr8-vom-2122011/das-demokratiedefizit-deutschlands/

  • F
    FAXENDICKE

    Gemessen an den Maßstäben des Nahen Ostens, ist die Türkei eine funktionierende Demokratie und ein Rechtsstaat. Das Land besitzt eine säkulare Verfassung, erprobte Institutionen und kann auf eine erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung zumindest in den letzten zehn Jahren verweisen.

    Den gleichen Scheissdreck könnte man auch über Deutschland schreiben.

    Die Verfassung steht bloß auf dem Papier, das Rechtssystem und die Institutionen sind durch und durch korrupt. Das einzigste was funktioniert ist die Wirtschaft, zum Schaden derer die sie mit ihrer Hände Arbeit am Laufen halten.

    Demokratien sind doch nur noch dazu da, dass Banken, Versicherer und Großindustrie dieselbe mittels Lobbyarbeit schamlos benutzen und aushöhlen. Das Ganze auf Kosten der immer ärmer werdenden breiten Masse der Bevölkerung. Wirkliche Demokratie zeichnet sich durch gleiche Bildungschancen für ALLE aus, wirkliche Demokratie verhindert Armut und unmenschliches Dasein für Erwerbslose und Rentner, wirkliche Demokratie garantiert für gleiche Arbeit gleiche Bedingungen und Löhne. Davon sind wir weit entfernt. Länder in denen seit Jahrhunderten patriachalische Stammes und Klanwirtschaft dominiert, finden am besten selbst heraus was in Richtung Demokratie möglich ist.

    Wir sollten uns mit guten Ratschlägen oder der Entsendung von Militär (Afghanistan) zurückhalten und erst einmal den eigenen verkommenen und verkauften Laden in Ordnung bringen.

    Aber dafür sind die meisten unserer gewählten Politiker ja offenbar zu korrupt, zu feige, oder zu blöde, vielleicht auch alles zusammen.

  • KM
    KARL MAY

    Ihnen ist wohl nichts besseres eingefallen: Ägypten und Tunesien sind weiter als die Türkei weil sie sich von Despoten befreit haben. Sie wollen doch nicht sagen, dass es einen Despoten in der Türkei gegeben hat von denen sich die Bürger der Türkischen

    Republik hätten befreien sollen. Wie weit ist den die deutsche Gesellschaft? Von welchem Despoten hat sie sich den befreit ? Ist sie nicht befreit worden?

     

    Ach ja, demoktratisch/ Demokratie : vielleicht hören

    Sie auf die Menschen die in Tunesien und Ägypten leben und nicht nur dem journalistischem Erwerbstreben nachgehen , diese Menschen selbst nehmen sich die Türkei als Vorbild laut letzten Umfragen über 70% wollen eine Regierunsstrultur explizit nach türkischem Vorbild. Ich denke Sie wollen den Wunsch der Menschen nicht journalistisch beugen und diesen Wunsch leugnen .

    Sie können es besser indem Sie näher am Thema sind !!

  • I
    Integritia

    Lieber Herr Gottschlich,

     

    in Ihrem Artikel haben Sie vergessen zu erwähnen, wie die Aleviten, Kurden, Yeziden, Armenier und Aramäer.... in diesem "Rechtsstaat" leben/gelebt haben. Ich glaube diese Volks- und Religionsgruppen nehmen die Türkei nicht als eine Demokratie wahr, weil es keine ist. Ihr Artikel ist einfach lächerlich...ich könnte hunderte von Fällen nennen, in denen der Despotismus und Tyrannei des türkischen "Demokratie-Modells" zu Tage tritt, werde dies allerdings unterlassen, damit Sie sich die Mühe machen und selbst dahinter kommen.

  • G
    gottschlichter

    "Türkei ist kein Vorbild"

     

    Das ist richtig, nur muss erstmal dieser Status erreicht bzw. überwunden werden. Eine säkulere Verfassung zu manifestieren und zu festigen wird noch einiges herausfordern, gerade in den arabischen Ländern.

  • TL
    Taz Leser

    Die Türkei entfernt sich immer mehr von westlichen, zivilisierten Standards, hier eine kleine Auswahl der Schlagzeilen aus diesem Land:

     

    "In der Türkei eskaliert die Debatte über das unvollendete Mahnmal türkisch-armenischer Versöhnung in Kars. Ministerpräsident Erdogan will es jetzt wieder abreißen lassen."

    taz.de/1/leben/kuenste/artikel/1/erdogan-in-der-provinzposse/

     

    "Gesetz verschärft Zensur"

    www.tagblatt.de/Home/nachrichten/ueberregional/politik_artikel,-Gesetz-verschaerft-Zensur-Marktoeffnung-fuer-auslaendische-Investoren-_arid,125825.html

     

     

    "Türkei lehnt Rechtsstatus für katholische Kirche ab"

    diepresse.com/home/panorama/religion/626549/Tuerkei-lehnt-Rechtsstatus-fuer-katholische-Kirche-ab-

     

    "Theologe gibt Dekolleté Schuld an sexueller Gewalt"

    www.welt.de/politik/ausland/article12583731/Theologe-gibt-Dekollete-Schuld-an-sexueller-Gewalt.html

     

     

    "Türkische Studenten halten Ehrenmorde für legitim"

    www.welt.de/politik/article90463/Tuerkische_Studenten_halten_Ehrenmorde_fuer_legitim.html

     

     

    "Darwin bringt türkischen Lehrer in Schwierigkeiten"

    www.welt.de/wissenschaft/article12335487/Darwin-bringt-tuerkischen-Lehrer-in-Schwierigkeiten.html

  • A
    Anatol

    Kann ein Land Vorbild sein, von dem wir solche schrecklichen Nachrichten lesen müssen:

     

    "Türkische Studenten halten Ehrenmorde für legitim"

     

    http://www.welt.de/politik/article90463/Tuerkische_Studenten_halten_Ehrenmorde_fuer_legitim.html

  • S
    Semion

    Die Türkei ist eine Scheindemokratie, denn zu Demokratie gehört auch die Achtung der Menschenrechte und eine Rücksicht auf religiöse Minderheiten, aber beide Sachen existieren in der Türkei nur auf dem Papier, seit der Machtergreifung durch die islamistsiche Partei AKP wird dieses Land zunehmend islamisiert und agiert immer feindlicher gegenüber dem Westen und Israel.

     

    Nein, die Türken können oder besser gesagt: Sie dürfen kein Vorbild für die arabischen Länder sein, denn der Weg der Türkei ist ein Weg in die Vergangenheit.

  • PD
    Prof. Dr. Micheal Berger

    Liebe taz,

     

    dürfe ich fragen, welchen Sinn und Zweck dieser Artikel hat?

    Diese Vergleiche zwischen Ägypten und Tunesien mit der "Türkei", besser gesagt mit der AKP sind sehr sehr schlecht, sowohl formuliert als auch recherchiert!

     

    Ich bin sprachlos.

  • H
    Huss

    "Gemessen an den Maßstäben des Nahen Ostens, ist die Türkei eine funktionierende Demokratie und ein Rechtsstaat."

     

    Nein. Der Osten des Landes wird vom Militär, lokalen Agenten und Dorfschützern regiert. Eigentlich sind die kurdischen Gebiete genauso wie die Nachbarregion: Keine Demokratie, keine Menschenrechte, korrupte Beamten, Polizisten und Geheimagenten. Mag sein, dass die Türkei mehr Fortschritte macht als Syrien oder Ägypten, aber im Detail ist die Türkei immer noch ein Problemfall. Außerdem hat das Land seit 1980 den Militärputsch in keinster Weise aufgearbeitet.

  • S
    steffen

    Danke für diesen Beitrag !!!

     

    Man hatte in den letzten Tagen schon den Eindruck, daß vor allem aus der linken Europäischen Ecke der Wunsch nach der Türkeiversion von Demokraie ein Vorbild für Tunesien und Ägypten sein soll.

    Nur sind es vor allem die dort lebenden Menschen selbst die davon garnichts wissen wollen. Dort wird sich eher an Frankreich oder dem Westen allgemein orientiert. Auch wenn anerzogene Beißreflexe weiterhin ziehen. Mann ist ja seit Jahrzehnten so erzogen worden.

    Am Ende wollen die Menschen aber genau das leben.

    Das wird ein langer Weg. Demokratisch sind diese Länder auch erst, wenn zukünftige abgewählte Regierungen ohne murren in die Opposition gehen.

    Das ist die Nagelprobe jeder Demokratie !

    Es wird ein langer Weg sein bis auch alle nötigen Instituionen funktionieren und ein erträglicher Lebensstandart erreicht werden kann.

     

    In guter Hoffnung !

  • JW
    Josef Weißhaupt

    Inhaltlich und strukturell ein sehr schlechter Kommentar. Note 5-