Frau Kahane sollte ihre Worte besser wägen. Nicht alles, was von ihr als Antisemitismus gebrandmarkt wird, erfüllt die gängigen Definitionen. Insbesondere die hierzulande pauschal - im Regelfall ungehört und ungelesen - abqualifizierten Äusserungen des Herrn Ahmadinejad würde ich eher der Kategorie Antizionismus zuweisen. Und von jemand wie Frau Kahane würde ich mir wirklich wünschen, dass sie da ganz sauber trennt. Schliesslich dürfte ihr bewusst sein, wie schnell der Vorwurf des Antisemitismus in Deutschland missbraucht werden kann, um Debatten abzuwürgen und die Argumente anderer erst gar nicht würdigen zu müssen.
Sicherlich kann man Herrn Ahmadinejad vorwerfen, in punkto Rassismus selbst im Glashaus zu sitzen - beispielsweise wenn es um die Politik Teherans gegenüber nationalen Minderheiten wie den Kurden oder den Balutschen geht. Aber daraus zu folgern, dass die Kritik rassistischer Politik Israels jeder Grundlage entbehrt und man - Stichwort Antisemitismus - sich mit den Details dieser Kritik nicht mehr zu beschäftigen habe, finde ich schlicht falsch. Gerade wenn man Frau Kahanes Aussage zustimmt, der Westen müsse "den Kampf gegen Rassismus als einen Kampf um Gleichwertigkeit und Menschenrechte ernst" nehmen, muss sich der Westen erst mal auch jede Kritik an der eigenen Politik anhören. Ahmadinejads Worte sind ja nicht nur gegen Israel gerichtet, sondern mindestens im selben Mass auch gegen den "Westen".
Weiter sagt Frau Kahane: "Die Forderung nach Menschenrechten hat zum Fall der Mauer beigetragen. Wer aber heute überzeugen will, muss sich mit Rassismus auseinandersetzen." Völlig d'accord, aber wenn man sich anschaut, wie spätestens seit dem 11. September 2001 der Westen (in erster Linie natürlich die USA und Grossbritannien) in Afghanistan, im Irak und anderswo die Menschenrechte ganzer Völker mit Füssen tritt, dann darf man schon auch die Frage stellen, ob da nicht auch Rassismus drin steckt. Oder wie viele irakische Leben ist das eines Bürgers des Westens wert? Und warum sind sich im Westen alle einig, dass Omar Al Baschir, der Präsident Sudans vor den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag gehört, Herr Blair und Herr Bush aber nicht. Kann es nicht möglicherweise so sein, dass die Herren in Washington, in Berlin und London im Grunde gottfroh sind, dass sich der Herr Ahmadinejad so prima zur Verteufelung eignet, weil man dann vor lauter Empörung über diesen dreisten "Antisemiten" gleich auch die mögliche Debatte über die eigenen Fehlleistungenb umgehen kann.
Viele Grüsse
Simone Schneider
Berlin-Schöneberg
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