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De Maiziere feuert vier Minister

■ DDR-Regierungschef nutzt Bauernproteste zum Durchgreifen / SPD-Finanzminister muß gehe

Berlin (afp/taz) - DDR-Ministerpräsident Lothar de Maiziere hat gestern abend vier seiner Minister entlassen. Angesichts der anhaltenden Bauernproteste gegen die Maisiere in der Landwirtschaft wurde der zuständige Minister Peter Pollack (parteilos, auf Vorschlag der SPD) gefeuert. Gleichzeitig entledigte sich der Regierungschef seines größten Störenfriedes zwischen Bonn und Berlin - des mißlieben Finanzministers Walter Romberg (SPD). Beide Minister wurden, so de Maiziere vor der Presse, wegen fehlerhafter Entscheidungen entlassen. Angeblich auf eigenen Wunsch wurden Justizminister Kurt Wünsche (parteilos, Ex -Liberale) und Wirtschaftsminister Gerhard Pohl (CDU) von ihren Ämtern entbunden. Alle vier werden mit Wirkung von heute von ihrer Funktion abberufen. Die Ressorts sollen in der restlichen Amtszeit der Regierung von den Staatssekretären weitergeführt werden.

Mit Romberg bestehe ein „nicht heilbarer Dissens“ über Finanzfragen bei der Aushandlung des Einigungsvertrages, sagte de Maiziere. Der Minister sei nicht bereit, die Richtlinienkompetenz des Ministerpräsidenten zu akzeptieren. Romberg war im Kabinett der schärftste Kritiker an der CDU -Linie zum Einigungsvertrag. Vor allem seine Einwände gegen die geplanten Regelungen zur Länderfinanzierung, zur Unterstellung der Treuhand-Gesellschaft unter ein Bundesministerium und zur Eigentumsfrage verärgerten CDU -Politiker in Ost und West. De Maiziere hatte Romberg noch am Dienstag eine Ultimatum von 24 Stunden gestellt, binnen dessen dieser erklären sollte, nicht länger querzuschlagen.

Landwirtschaftsminister Pollack war vor allem in den vergangenen Tagen Zielscheibe protestierender Bauern. „Wer wird zur Schlachtbank geführt - wir oder die Schweine?“ fragten gestern rund 250.000 LandwirtInnen auf Transparenten auf der landesweit größten Protestkundgebung seit dem Herbst 1989. Sie machten die Regierung de Maiziere für den „totalen Zusammenbruch der Landwirtschaft“ verantwortlich und forderten Soforthilfe. Auf dem Berliner Alexanderplatz hatten sich 50.000 empörte DemonstrantInnen versammelt. Einige attackierten Pollack mit Faustschlägen und zertrümmerten die Heckscheibe seines Dienstwagens. Unter Tomaten und Eierwürfen versuchte der Noch-Minister vergeblich, seine Rede zu Ende zu führen. SIEHE AUCH SEITE

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