David Guetta und Berlin geht nicht gut zusammen. Beim Abhängen im Biergarten aber stören guetta-artige Klänge nicht weiter: Jens Spahn, meiden Sie das Birgit&Bier
Ausgehen und Rumstehen
vonAndreas Hartmann
Zwanzig Jahre Fuckparade, daraus hätte man auch einen pompösen Jubiläumsumzug machen können, schließlich hat man ja immerhin den alten Feind, die Loveparade, locker überlebt. Aber man hielt die Sache dann möglichst klandestin und sogar die genaue Route der Parade am Samstag wurde erst kurz vorher bekannt gegeben. Von der Potsdamer Straße ging es einmal quer durch Kreuzberg bis nach Treptow. Alles war letztlich wie immer: Eine Handvoll Trucks zogen durch die Straßen und beschallten die Tanzenden hinter ihnen mit Bumm Bumm.
Warum hätte man dieses bahnbrechende Konzept auch großartig ändern sollen? Straßen sperren lassen, um durch diese mit ohrenbetäubendem Lärm zu ziehen mit kaum einer anderen Message als genau diesem ohrenbetäubendem Lärm, hat einfach immer noch eine umheimliche Kraft. Anwohnern fallen die Kinnladen runter, Touristen sind irritiert, was will man denn bitte schön mehr?
Der Zug der Liebe, der sich inzwischen ebenfalls einmal im Jahr durch Berlin schlängelt, setzt auf allerlei Parolen, Tanzen für eine bessere Welt wird dort von so gut wie jedem Wagen herab versprochen. Bei der Fuckparade hat man erkannt, dass all das letztlich nur vom Wesentlichen ablenkt: der Musik. Hier trug niemand Transparente gegen Trump oder sonst wen, „Antifaschistische Aktion“ war auf einem der Technolaster zu lesen, das war dann auch schon Aussage genug.
Die Musik war hart und schnell, die Fuckparade blieb auch im zwanzigsten Jahr ihres Bestehens vor allem eine Veranstaltung für Gabba-Fans. Auf einem T-Shirt war in Anspielung an einen französischen Mainstream-DJ zu lesen: „Fuck Guetta! This Is Berlin!“, womit die klare Kante gegen zu schlappe Beats in ein klares Motto gefasst wurde. Wie immer zog die Straßenreinigung der Fuckparade, einer wandernden temporären autonomen Zone, direkt hinterher. Damit diese nicht wirklich sichtbare Spuren im Stadtbild hinterlassen konnte.
Fuckparade-Techno lässt sich sicherlich auch mit manchen der Gerätschaften produzieren, die es beim ersten Synthesizer-Flohmarkt im Birgit&Bier am Sonntag zu erstehen gab. Vielleicht nicht unbedingt mit dem Theremin, das man dort ausprobieren konnte, aber sicherlich mit ein paar der Drum-Maschinen und Synthesizern, die zum Verkauf angeboten wurden.
Wer jedoch erwartet hatte, dass es dort vielleicht auch alte Vintage-Kisten, vielleicht aus dem Keller von Westbam oder Riccardo Villalobos persönlich zu beschnuppern gab, sah sich sicherlich enttäuscht. Das Angebot war eher klein, nur ein paar Besitzer von flohmarkttauglichen Synthesizern fanden sich ein. Gut, das war der erste Flohmarkt dieser Art, vielleicht wächst die Veranstaltung ja noch.
Im Birgit&Bier war es an so einem Sonntagnachmittag dennoch unheimlich voll. Für Berlin-Touristen scheint der Partybiergarten ein neuer Hotspot zu sein. Überall wurde Englisch oder Spanisch gesprochen. Dem CDU-Politiker Jens Spahn hätte es hier also sicherlich überhaupt nicht gefallen. Womit auch so ein Abhängen im Biergarten mit Techno, der auch von David Guetta stammen könnte, eine politische Dimension entfalten konnte.
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