piwik no script img

■ DaumenkinoBruder Kain

Während die Hauptfigur dieses schwindelerregenden Psychothrillers mindestens vier Persönlichkeiten hat, haben seine Gegenspieler meist keine. Carter (John Lithgow), ein Kinderpsychologe, hat sich aus seiner Praxis zurückgezogen, um seine kleine Tochter rund um die Uhr zu betreuen. Daß diese Overprotection etwas mit grinsendem Wahnsinn zu tun hat, wissen wir spätestens, wenn die Tochter auf einem Videoscreen im Schlafzimmer der Eltern erscheint, in kleine, zitternde Bildschirmpünktchen zerlegt. Der Vater als „Peeping Tom“ – der Film, den de Palma einmal als seinen career-ender bezeichnet hat. So kommt pünktlich zur Massenhysterie um sexuellen Mißbrauch, wie sie in den USA seit dem Abtritt der Russen zu verzeichnen ist, Regisseur Brian de Palma mit einem Ausbügler für seine letzte Schlappe, „Bonfire of the Vanities“.

Das Milieu sind die „Die besten Jahre“ – aber gegen den bügelfaltigen Strich gebürstet. Carter will Experimente an seinen Kindern, ist aber selbst nur als Homunculus dem Labor des Vaters entstiegen. Eine androgyne, haarlose Analytikerin ist ihm auf der Spur: Dressed to kill. An den 360-Grad-Schwenks, den holprigen Kamerafahrten, der allgemeinen räumlichen Desorientierung des schwankenden Zuschauers und an den Fahrten im Aufzug sollt ihr ihn erkennen, Meister de Palma wieder ganz der Alte, mit ein bißchen mehr Humor vielleicht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen