■ Daumenkino: Bruder Kain
Während die Hauptfigur dieses schwindelerregenden Psychothrillers mindestens vier Persönlichkeiten hat, haben seine Gegenspieler meist keine. Carter (John Lithgow), ein Kinderpsychologe, hat sich aus seiner Praxis zurückgezogen, um seine kleine Tochter rund um die Uhr zu betreuen. Daß diese Overprotection etwas mit grinsendem Wahnsinn zu tun hat, wissen wir spätestens, wenn die Tochter auf einem Videoscreen im Schlafzimmer der Eltern erscheint, in kleine, zitternde Bildschirmpünktchen zerlegt. Der Vater als „Peeping Tom“ – der Film, den de Palma einmal als seinen career-ender bezeichnet hat. So kommt pünktlich zur Massenhysterie um sexuellen Mißbrauch, wie sie in den USA seit dem Abtritt der Russen zu verzeichnen ist, Regisseur Brian de Palma mit einem Ausbügler für seine letzte Schlappe, „Bonfire of the Vanities“.
Das Milieu sind die „Die besten Jahre“ – aber gegen den bügelfaltigen Strich gebürstet. Carter will Experimente an seinen Kindern, ist aber selbst nur als Homunculus dem Labor des Vaters entstiegen. Eine androgyne, haarlose Analytikerin ist ihm auf der Spur: Dressed to kill. An den 360-Grad-Schwenks, den holprigen Kamerafahrten, der allgemeinen räumlichen Desorientierung des schwankenden Zuschauers und an den Fahrten im Aufzug sollt ihr ihn erkennen, Meister de Palma wieder ganz der Alte, mit ein bißchen mehr Humor vielleicht.
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