■ Daumenkino: Was ihr wollt
Shakespeare-Stoffe besitzen fürs Kino zur Zeit offenbar eine besondere Magie. Ob Al Pacino oder Baz Luhrmann, fast ist es, als würde das Kino in Shakespeare einen Bezugspunkt erkunden, an dem sich programmatisch abgearbeitet wird: die Geburt des Films aus dem Geist des elisabethanischen Dramas. Trevor Nunn versetzt in seiner Verfilmung von Was ihr wollt die Handlung ins 19. Jahrhundert, wobei viktorianische Prüderie wohl als Kontrastmittel für den gender trouble der Viola (Imogen Stubbs) dienen soll. Als Cesario darf sie mit falschem Schnurrbart dem Herzog Orsino (Toby Stephens) in der Badewanne den Rücken bürsten und wird ausgesandt, um für ihn die Gräfin Olivia (Helena Bonham Carter) zu akquirieren. Orsino liebt Olivia. Olivia liebt Cesario/Viola, und Viola/Cesario liebt Orsino: Was bei Shakespeare eine turbulente Konstellation abgibt, versickert bei Trevor Nunn leider in einer schleppenden Inszenierung mit eingeebneter Dramaturgie. Dabei ist in den Shakespeare-Filmen von Kenneth Branagh zu sehen, daß theaterähnliche Filmadaptionen keineswegs zu Langeweile führen müssen, vorausgesetzt, das Timing stimmt. Doch Nunn sucht den Boulevardcharakter der Vorlage und findet ihn vor allem in stets betrunkenen Nebenfiguren, die sich mühsam vorwärtslallen und fast allein an der Überlänge des Films schuld sind. Schade denn auch um die „evokative Filmmusik“ (Presseheft), die doch vergeblich evoziert. Hannes Klug
„Was ihr wollt“. Regie: Trevor Nunn. Mit Imogen Stubbs, Helena Bonham Carter, Ben Kingsley u.a. GB/ USA 1996, 134 Min.
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