■ Daumenkino: Big Night
Zwei italienische Brüder wandern in den prosperierenden Fünfzigern nach Amerika aus und eröffnen ein Restaurant in New Jersey. Der eine Bruder heißt Primo (Tony Shalhoub), der andere Secondo (Stanley Tucci) – warum, kann man sich denken, und dialektisch ist es auch. Primo ist der genialische Kochkünstler und Secondo der Pragmatische, aufs Einkommen Bedachte und Amouröse. Nun standen und stehen die Amerikaner ja angeblich unter der ausschließlichen Fuchtel von Hamburger und Hot dog. Primos Genie ist also verschwendet, ständig wirft er Perlen original italienischer Cuisine – Risotto! Ruccola! – vor die Säue, die diese nicht einmal haben wollen. Nein, die Amerikaner, diese Barbaren, wollen Spaghetti mit Fleischbällchen – igitt, kann Primo da nur sagen. Die wenigen Anhänger von Primos Purismus zahlen mit handgemalten Bildern oder gar nicht. Primos Mißmut nimmt stetig zu. Abend um Abend kocht er näher zu Gott und an den Ruin heran.
Campbell Scott – ungenannter Co-Regisseur war Stanley Tucci – spielt in seiner hübsch ausgeleuchteten Familiengeschichte den bewährten alten Zwist zwischen Kunst und Handwerk, Erst- und Spätergeborenem, alter Welt als Symbol von Kultur und nervösem amerikanischem Traum aus. Beigegeben sind weiterreichende Weltfragen: Soll man dem Volke geben, wonach es verlangt, und sei es noch so wider allen Geschmack? Das Schlitzohr Pascal (Ian Holm) führt ein zuerst erfolgreiches Restaurant. Es liegt zum ständigen Verdruß der Brüder Pilaggi ihrem gegenüber und ist Abend für Abend rappelvoll. Doch Pascal will kein Unmensch sein – Herkunft verbindet. Nicht nur ist lustig, daß der Regisseur wie eine von einem berühmten Künstler unsterblich gemachte Suppe heißt und hier einen Cadillac-Verkäufer übelster Bauart spielt, sondern auch, daß italienische Männer ihren ewigen Verlobten (Minnie Driver) gerade mal bis zum Décolleté reichen. Es fallen Sätze, bedeutende Sätze wie dieser hier: „Spaghetti sind gern allein für sich.“ Isabella Rosselini räkelt sich als leicht reife Konkubine zweier Herren – Pascal und Secondo – in den Kissen, und schließlich bläst man zur „Big Night“, einem Benefizabend für das Restaurant, an dem eine Big-Band-Berühmtheit zum Zwecke späterer Mundpropaganda bei den Pilaggis essen und Primo im allergrößten Stile zeigen darf, was er kann. Groß- und Detailaufnahmen einer Timbale – an dieser Stelle dürfte der Zuschauer vor Begehren aufjaulen. Das Ganze erinnert ein bißchen an „Babettes Fest“ oder „Eat Drink Man Woman“ und ist in seiner Überschaubarkeit recht hübsch anzuschauen, wenn auch nicht allzu spannend. Hinterher quält einen auf jeden Fall enormer, ja geradezu unanständiger Appetit. Anke Westphal
„Big Night“, Regie: Campbell Scott
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