■ Daumenkino: Sanfter Schnee
Dieser Film wäre leicht in zwei Sätzen zu beschreiben: Eine Mutter lebt mit ihren sieben Kindern auf einem Bauernhof in Südfrankreich. Wir beobachten sie beim Spielen, bei der Ernte, in ihrem Alltagsleben – mit all seinen Entbehrungen. Nichts Besonderes. Nichts Besonderes? In diesem Film ist alles besonders!
Da ist der Vater, der Padrone. Ihm gehört das Land und der Hof, der Traktor und seine beiden ehelichen, erwachsenen Söhne, die ihm wie Lasttiere folgen. Gehört ihm auch die Frau, mit der er manchmal schläft? Verheiratet ist er jedenfalls mit einer zweiten, weit weg auf einem anderen Gut. Die sieben Kinder sagen Vater zu ihm, auch wenn sie für Lohn mit der Mutter auf seinen Feldern arbeiten. Er bestimmt, wann die Tomaten reif sind und die Petersilie gepflückt wird.
Die Kraft und der Rhythmus des Films gehen aber von der Mutter und ihren Kindern aus. Wenn sie zusammen das Essen vorbereiten, sich die Erlebnisse erzählen, zu Bett gehen oder von der Mutter am Morgen geweckt werden, erwächst daraus eine besondere Stimmung, die einer tiefen Zuneigung entspringt. Bei all der harten, endlosen Arbeit auf dem Feld und den Unzulänglichkeiten des Lebens – auf ihre Mutter können sich die Kinder verlassen. Sie nimmt sie ernst und das Leben mit ihnen an. Und wie nebenbei entstehen aus den nebensächlichen Dingen schöne Begebenheiten: Ein Feuerwerk in der benachbarten Stadt wird zu einem Fest, aus vier großen Löffeln und einer Stahlkugel entsteht ein Tischtennismatch. Die Spiele der Kinder auf dem Heuboden, im Apfelbaum oder die mit Erde geformten Phantasiewelten sind der Mutter beschützenswert. Die Kinder ihrerseits machen der Mutter Komplimente, wenn sie sich schön anzieht, um in die Stadt zu fahren. Selbst der Lehrer ist neugierig auf die Frau, von der die Kinder in der Schule immerzu erzählen.
Sandrine Veysset, 1967 in Avignon geboren, sagt zu ihrem Debütfilm, der 1996 ausgezeichnet wurde: „Ich glaube, daß ich ihn nicht für andere gemacht habe. Ich habe ihn sogar gegen die anderen gemacht.“ Um so besser, wenn er am Ende den anderen entgegenkommt. Dafür ist er ja gemacht. Peter Grossman
„Gibt es zu Weihnachten Schnee?“ Buch und Regie: Sandrine Veysset. Mit Dominique Reymond, Daniel Duval. Frankreich 1996, 91 Min.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen