■ Dauerbrenner Olympia-Skandal: Wer zuletzt lacht
Was den zehn Jahre zurückliegenden Fall Antes von der Berliner Olympiabewerbung unterscheidet, ist unter anderem die Leichtigkeit, mit der sich Korruption heute schönreden läßt. Während Eberhard Diepgen beim damaligen Bauskandal nur mühsam den Kopf aus der Schlinge ziehen konnte, überläßt er heute scheinbar mühelos seinem Sprachrohr Butz die Vorwärtsverteidigung. „Kleingeister“ seien die Olympia-Kritiker, darf Diepgens Mann fürs Grobe Weltläufigkeit zeigen, die von „diplomatischen Regeln“ und „Freundlichkeiten“ keine Ahnung hätten. Als gelte es, das Wahlvolk im Wahljahr endgültig ans Nehmen und Geben, Teilen und Herrschen zu gewöhnen, werden Meißner Vasen, Bypaß-Operationen oder Freiflüge nachgerade zum Bestandteil der politischen Kultur stilisiert, der sich nur wenige Nörgler noch in den Weg stellen. Die derzeit vieldiskutierte Frage, ob die Korruption hierzulande eher Ausnahme sei oder vielmehr Regel, nirgends wird sie so offen und ehrlich beantwortet wie in Berlin.
Doch mit der Vase für die IOC-Präsidentengattin und der mutmaßlichen Beihilfe zur Bestechung durch die ranghöchste Abgeordnete des Landesparlaments ist mehr Porzellan zerbrochen, als den offen lebenden Korrupten dieser Stadt lieb sein kann. Der gewohnt lässige Ton, in dem der Senat seit Monaten immer neue Bestechungsdetails kommentiert, täuscht nicht darüber hinweg, daß sich das Verständnis für die Gesten der Gönner angesichts verordneter Sparappelle und Gürtelengerschnallerei längst schon erschöpft hat. Wo es keine Kavaliere mehr gibt, gibt es auch keine Kavaliersdelikte. Dazu kommt, daß der Olympia-Untersuchungsausschuß nicht zwangsläufig enden muß wie das Hornberger Schießen, sondern durchaus der eine oder andere Treffer noch zu erwarten steht. Immerhin, daran läßt selbst die FDP keinen Zweifel, handelt es sich dabei um die zentrale Wahlkampfveranstaltung der Opposition. Noch scheinen Diepgen und Co. darauf zu bauen, daß Geheimnisträger wie Axel Nawrocki oder Nikolaus Fuchs loyal bleiben oder käuflich. Doch die ebenfalls in den Zeugenstand geladenen IOC-Mitglieder sind allemal für eine Überraschung gut. Ausgezählt wird dann im Oktober. Wer über Korruption nicht stürzt, kann schließlich immer noch abgewählt werden. Wenn's sein muß, sogar nach diplomatischen Regeln und mit Freundlichkeit. Uwe Rada
Siehe Bericht Seite 22
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