Datenskandal in Rheinland-Pfalz: Die dreisten Hacker der Union
Mit Angaben der Polizei wollten CDU-Abgeordnete in Rheinland-Pfalz die SPD-Regierung bloßstellen. Doch dieser Schuss ging nach hinten los.
FRANKFURT/MAIN taz | Im Untersuchungsausschuss des Landtags zur geplatzten privaten Finanzierung des gut eine Drittel Milliarde Euro teuren Projekts Nürburgring 2009 trieb die Union in Rheinland-Pfalz die von Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) geführte Landesregierung bislang immer vor sich her. Doch das ist vorbei. Seit dem Jahreswechsel steht der christdemokratische Landtagsabgeordneten Michael Billen im Fokus der Kritik. Denn Billen schöpfte Ende 2009 illegal Daten aus dem Polizeilichen Informationssystem (Polis) ab. Dabei handelte es sich um dort gespeicherte Dossiers über Personen, die als Finanziers der diversen Bauprojekte am Ring in Erscheinung getreten waren.
An die Daten herangekommen war Billen über seine Tochter, die Kriminalkommissarin ist. "Zufällig" will er sie auf deren PC daheim "entdeckt" haben, behauptet er; und dass sich seine Tochter die Informationen "nur aus Neugierde" heruntergeladen habe. Dazu beauftragt habe er sie nicht. Mit den Daten wollten Billen und auch der Landtagsabgeordnete Peter Dincher (CDU), der sich die Informationen aus Polis über eine andere Quelle beschaffte, den Nachweis führen, dass es für die Regierung Beck durchaus möglich gewesen wäre, sich über das System Polis noch vor dem Abschluss von Verträgen mit privaten Geldgebern in Sachen Nürburgringprojekt über die kriminelle Vergangenheit dieser potenziellen Finanziers am Ring zu informieren. Und dass es dem roten Innenminister Peter Bruch (SPD) wohl am nötigen politischen Willen dazu gemangelt habe.
Der Schuss ging nach hinten los. Denn der Verstoß gegen alle Datenschutzbestimmungen und das dreiste Bekenntnis dazu, sorgte für landesweite Empörung bis tief in die Reihen der CDU hinein. Doch während Dincher auf Druck der Öffentlichkeit inzwischen sein Mandat niedergelegt hat, weigert sich Billen weiter standhaft, dessen Beispiel zu folgen. "Ich lege nichts nieder", sagt der Großbauer aus der Eifel trotzig. Schließlich habe er seinen Wahlkreis "direkt gewonnen". Einen danach von Mitgliedern der Landtagsfraktion geforderten Ausschlussantrag gegen Billen wollte Parteichef Christian Baldauf nicht einbringen. Er befürchtete, die notwendige Zweidrittelmehrheit in der Fraktion nicht zusammenzubekommen.
Ende letzter Woche verständigte man sich dann auf das "Ruhen" der Fraktionsmitgliedschaft von Billen. Das bedeute, so Baldauf auf Nachfrage, dass Billen die Fraktion jetzt nicht mehr im Landtag und auch nicht mehr in der Öffentlichkeit vertreten dürfe. Lange allerdings hielt sich Billen nicht an diese Auflage. In der Eifel jedenfalls trat er inzwischen schon wieder parteiöffentlich auf. Die Landtagsfraktion reagierte darauf zuletzt mit einer Art Abmahnung. Ein möglicher Fraktionsausschluss hänge jetzt "einzig und allein vom Verhalten von Michael Billen ab", konstatierte der düpierte Baldauf verärgert. Billen erklärte daraufhin, dass er gedenke, als frei gewählter Abgeordneter sowohl im Landtag als auch in seinem Wahlkreis weiterhin das Wort zu ergreifen, wann immer er das für richtig halte.
Es könnte für den Landeschef der Union noch schlimmer kommen. Die Linke in Rheinland-Pfalz wirft Baldauf vor, Billen nur deshalb nicht umgehend aus der Fraktion zu schmeißen, weil der damit gedroht haben soll, sein Wissen in der Affäre um den früheren Geschäftsführer der Landtagsfraktion, Markus Hebgen, öffentlich zu machen. Die Staatsanwaltschaft Mainz wirft Hebgen vor, Bordellbesuche mit der Kreditkarte der Unionsfraktion bezahlt zu haben. Davon sollen auch einige CDU-Abgeordnete profitiert haben, deren Namen bislang allerdings nicht genannt wurden. Billen aber soll sie alle kennen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Auf dem Rücken der Beschäftigten