Datenschutzskandal bei BASF in Ludwigshafen: Der illegale Drahtzum Polizeicomputer
■ Jahrelang hat der Werkschutz der BASF monatlich bis zu 300 Karteikarten mit Personaldaten zur "Abgleichung" an Polizei und Verfassungsschutz geschickt...
Der illegale Draht zum Polizeicomputer Jahrelang hat der Werkschutz der BASF monatlich bis zu 300 Karteikarten mit Personaldaten zur „Abgleichung“ an Polizei und Verfassungsschutz geschickt und mit dem Polizeicomputer „Polis“ abchecken lassen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.
Bei der Badischen Anilin- und Sodafabrik (BASF) in Ludwigshafen arbeiten nicht nur in den Laboratorien Vollprofis: Nach inzwischen bestätigten Informationen der Grünen im Landtag von Rheinland-Pfalz war der Werkschutzleiter des Chemiegiganten früher BKA- Mann in Wiesbaden — eine „delikate Vergangenheit“ im Zusammenhang mit dem Datenskandal bei BASF, so der Abgeordnete Harald Dörr. Mit all seiner Erfahrung aus BKA- Tagen, so die Grünen, habe der Werkschutzboß und Ex-Oberkriminalrat den „ominösen betriebsinternen Ermittlungsdienst“ geführt und offenbar die ruchbar gewordenen Dauerkontakte zur Ludwigshafener Polizei und zum Landesamt für Verfassungsschutz geknüpft. Ohnehin wurden von der BASF bevorzugt Polizisten und Geheimdienstmänner zu weit über den Beamtentarifen liegenden Gehältern zu Werkschützern gekürt, wie aus Gewerkschaftskreisen in Ludwigshafen zu hören war: „Lauter scharfe Hunde.“
Jahrelang wurden von diesen „Sicherheitsprofis“ der BASF monatlich bis zu 300 Karteikarten mit Personaldaten zur „Abgleichung“ vor allem an das Polizeipräsidium weitergeleitet und dort in der Abteilung Terrorismus mit dem Polizeicomputer „Polis“ abgecheckt. Doch noch immer behauptet die Konzernleitung, daß „nur“ Mitarbeiter sogenannter Fremdfirmen über die Rhein-Connection per Polizeicomputer in die vom rheinland-pfälzischen Datenschutzbeauftragten als „Schleppnetzfahndung“ bezeichnete Überprüfungsmaschinerie geraten seien. Damit ignoriert die BASF hartnäckig Erkenntnisse des Betriebsrates, wonach der Firma von der Polizei zwei Lehrlinge gemeldet worden waren, die 1988 an einer Demonstration in Mannheim teilgenommen hatten (siehe taz vom 3.3.). In einer Stellungnahme der BASF zu diesem Fall heißt es, daß sich die Polizei im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen lediglich danach „erkundigt“ habe, ob die Betroffenen bei der BASF beschäftigt seien — eine Einlassung, deren Wahrheitsgehalt gegen Null tendieren dürfte.
So ist nach Informationen der 'Frankfurter Rundschau‘ aus Polizeikreisen ein solches Vorgehen bei Ermittlungen „sehr unüblich“. Und auch der Betriebsrat sah bislang keinen Anlaß, seine zuerst in der taz veröffentlichte Stellungnahme im Sinne der BASF-Erklärung zu korrigieren.
Inzwischen hat die Staatsanwaltschaft in Frankenthal auf einen weiteren Vorfall aus dem Jahre 1977 aufmerksam gemacht. Seinerzeit sei ein Bewerber auf eine von BASF ausgeschriebene Stelle trotz anfänglicher Zusage mit dem Verweis auf eine Vorstrafe doch noch abgelehnt worden. Der Mann hatte sich damals an die Staatsanwaltschaft gewandt und war von Beamten vernommen worden.
Die Mainzer Staatskanzlei hat inzwischen bestätigt, daß der heutige Ministerpräsident und damalige SPD-Abgeordnete Rudolf Scharping vor dem Hintergrund auch dieses Vorfalls eine Anfrage an das seinerzeit CDU-geführte Innenministerium gerichtet hatte. Die lapidare Auskunft von Minister Böckmann, der auch Kreisvorsitzender der Union in Ludwigshafen war:„Ich gehe aufgrund der Nachforschungen des Polizeipräsidiums davon aus, daß der Werkschutz der BASF beim Polizeipräsidium häufiger fernmündlich um Auskunft über polizeiliche Erkennntnisse gebeten hat.“ Mit dieser Antwort hat sich damals (1980) offenbar auch die SPD-Fraktion zufriedengegeben.
Das rheinland-pfälzische Innenministerium hat am vergangenen Wochenende bereits eine andere Stellungnahme der BASF als reine Schutzbehauptung entlarvt: Bei den telefonischen Anfragen von Werkschutzmitarbeitern beim Verfassungsschutz, so das Innenministerium, habe es sehr wohl Rückmeldungen an die BASF gegeben. Noch in der vergangenen Woche hatte eine Firmensprecherin behauptet, daß es „keinen Austausch von personenbezogenen Daten zwischen BASF und Verfassungsschutz“ und deshalb auch keine Rückmeldungen an das Werk gegeben habe. Die Staatsanwaltschaft hat inzwischen — gegen den Protest der BASF — die Datensätze von 70.000 MitarbeiterInnen beschlagnahmt. Da der Weltkonzern dagegen Beschwerde eingelegt hat, werden die Disketten in einem Tresor beim Landgericht Frankenthal gebunkert, bis über die Rechtmäßigkeit der Beschlagnahme entschieden ist.
Nach Augenzeugenberichten soll der Staatsanwaltschaft und der Polizei bei einem zweiten „Besuch“ der Zutritt zum Werk zunächst verweigert worden sein. Deshalb sei es am Werkstor zu einem „Gerangel“ zwischen den Beamten und den Werkschützern des Ex-BKA-Mannes gekommen. BASF bestätigte inzwischen, daß ein Werkschützer von einem Polizeibeamten „am Arm angepackt“ worden sein soll. Die Staatsanwaltschaft bestreitet das. Anlaß für die erneute Durchsuchung der Personalabteilung der BASF am vergangenen Sonnabend war ein anonym bei der Staatsanwaltschaft eingegangener Hinweis, wonach man in der Chefetage der BASF das Wochenende für eine umfangreiche Aktenvernichtungsaktion nutzen wolle. Der Verdacht, so Oberstaatsanwalt Puderbach, habe sich aber nicht bestätigt.
Die Grünen im rheinland-pfälzischen Landtag haben inzwischen eine Sondersitzung des Innenausschusses zum Thema beantragt — ohne Aussicht auf Erfolg. Ein Sprecher der SPD-Fraktion wies gestern auf Nachfrage darauf hin, daß Ende März ohnehin die ordentliche Sitzung des Innenausschusses auf der Tagesordnung stehe und es „keinen akuten Klärungsbedarf“ gebe. Allerdings hat der sozialdemokratische Vorsitzende der Datenschutzkommission des Landtags, aus der die oppositionellen Grünen ausgeschlossen sind, einen Berichtsantrag für die nächste Innenauschußsitzung eingereicht: „Alle Fakten und Hintergründe müssen ans Tageslicht, denn Datenschutz darf nicht am Werkstor enden.“ Für den grünen Landtagsabgeordneten Dörr ist der Verzicht auf eine Sondersitzung nicht nur eine „apolitische Haltung“, sondern eine weiterer Beleg dafür, daß die Abgeordneten der anderen Parteien die „Schlafmützigkeit zur parlamentarischen Tugend erhoben“ hätten: „Faulenzia am Rhein.“ Die Grünen im Landtag von Baden-Württemberg haben zeitgleich eine Kleine Anfrage an die Landesregierung in Stuttgart gerichtet, weil die BASF auch in Baden-Württemberg über mehrere Tochtergesellschaften und -betriebe verfügt. Und der Abgeordnete Jürgen Rochlitz stellt der Regierung Teufel (CDU) die „Gretchenfrage“: „In welchem Umfang hat ein Datenaustausch zwischen Polizeidienststellen des Landes und den Personalabteilungen auch anderer großer Konzerne stattgefunden?“
Jürgen Rochlitz, der auch kritischer BASF-Aktionär ist und an Demonstrationen gegen den Konzern teilgenommen hat, wies im Gespräch mit der taz darauf hin, daß Demonstranten vor den Toren der BASF vom Werkschutz mehrfach fotografiert worden seien. Es müsse deshalb umgehend geklärt werden, was mit diesen Fotos geschehen sei. Nach der Aufdeckung des Datenskandals mit all seinen Facetten sei nicht auszuschließen, daß vom Werkschutz entsprechendes Fotomaterial an den Verfassungsschutz und/oder die Polizei weitergegeben wurde. Auch die rheinland-pfälzischen Grünen behalten sich weitere Schritte nachdrücklich vor. Fraktionschefin Gisela Bill: „Es kann ja nicht angehen, daß die Versetzung von zwei Beamten die einzige Konsequenz aus der Datenschutzaffäre bleibt.“ Klaus-Peter Klingelschmitt
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen