Daten-Albtraum FriendFeed & Co.: Die hausgemachte Überwachung
So genannte soziale Aggregatoren sammeln alles, was ein Nutzer im Netz tut - vom Onlinestellen der neuesten Fotos bis zur Nutzung von Kommunikationsdiensten. Mitgemacht wird freiwillig.

Suchmaschinen wie Google wurden vor allem deshalb so mächtig, weil sie es den Nutzern erstmals ermöglichten, schnell und unkompliziert auf Daten zuzugreifen, die zuvor verstreut und damit unauffindbar im ganzen Internet lagen. Im so genannten sozialen Web, das immer mehr Freunde insbesondere unter den jüngeren bis mittelalten Nutzern findet, fehlte es bislang noch an solchen Diensten.
Wer seine Fotos bei Flickr, seine Videos bei YouTube, seine Blogeinträge bei Blogger, seine Lieblingsbücher bei Amazon und seine aktuellen Statusmeldungen bei Twitter einstellte, meldete dies nicht auch noch an eine zentrale Institution, wo all die Daten zusammengeführt wurden. Das Resultat: Trotz der großen sozialen und für jeden mitverfolgbaren Web-Aktivitäten blieb noch ein letzter Rest an Anonymität, weil das Auffinden der gesammelten Informationen verhältnismäßig schwierig war. Jeder Dienst musste einzeln durchgegangen werden.
So genannte soziale Aggregatoren ändern dies nun: Sie sammeln die vom User bei seinen Multimediatouren durchs Netz hinterlassenen Spuren und stellen sie übersichtlich auf einer eigenen, nutzerbezogenen Homepage dar. Mitgemacht wird dabei freiwillig: Die Nutzer melden sich mit ihren eigenen Daten an, damit Dienste wie "FriendFeed" oder "Socialthing" Zugriff auf die Informationen bei Drittangeboten erhalten. Was dabei herauskommt, könnte sich in den nächsten Jahren zum nächsten großen Datenschützer-Albtraum nach dem Ärger um Privatsphärenprobleme in sozialen Netzwerken entwickeln.
Breite Profile einzelner Menschen entstehen automatisiert, auf die mit wenigen Klicks auch böswillige Personen Zugriff erhalten. Ganze Online-Leben ("Lifestreams") werden dabei zusammengetragen und archiviert, können später auch bequem ergoogelt werden, wenn man den Nutzernamen kennt. Bei Friendfeed werden inzwischen Informationen von A wie Amazon bis Y wie YouTube erfasst - inklusive Google-Diensten wie Google Reader, sozialen Netzwerken wie LinkedIn und Linksammlern wie Digg.
Von über 35 externe Angeboten sammelt der von ehemaligen Google-Mitarbeitern gegründete Dienst bislang Daten, regelmäßig kommen neue hinzu. Das funktioniert auch deshalb so gut, weil kaum ein Web 2.0-Angebot heutzutage mehr ohne Schnittstellen nach außen auskommt, über die sich Daten bequem exportieren und in andere Dienste integrieren lassen.
Natürlich bestimmt auch bei FriendFeed & Co. allein der Nutzer, welche Daten er mit anderen teilt. Auch lässt sich einstellen, wie groß der Informationsumfang tatsächlich sein soll. Das Problem dabei: Manche User melden sich einmal bei einem solchen Dienst an und vergessen dann, dass er weiterläuft. Auch sorgt die Zentralisierung von Daten dafür, dass erstmals echte Profile entstehen: Bedeutet ein einzelnes Foto bei Flickr nicht viel, kann es in Kombination mit bei Twitter hinterlassenen Statusbotschaften beispielsweise bei Identitätsdiebstahl hilfreich sein.
Eine weitere, möglicherweise problematische Funktion bei FriendFeed nennt sich "Imaginary Friends" - ausgedachte Freunde. Dabei werden Daten von Nutzern angezeigt, die noch gar keinen FriendFeed-Zugang besitzen. Das Unternehmen betätigt sich hier als Suchmaschine über diverse soziale Web-Dienste und trägt dann ein Profil öffentlich zugänglicher Informationen zusammen.
Was das Problem des Privatsphärenschutzes anbetrifft, berufen sich Dienste wie FriendFeed stets darauf, dass sie nur Daten darstellen, die längst frei zugänglich sind. Auch muss sich ein Nutzer erst einmal bei den sozialen Aggregatoren anmelden, bis tatsächlich all seine Aktivitäten dargestellt werden. Wer möchte, könne ja entscheiden, seinen "Feed" auf privat zu schalten, heißt es dazu in der Nutzerdokumentation.
Dann erhielten nur zuvor zugelassene Nutzer Zugriff auf die Informationen. Das Problem dabei: Die wenigsten User entscheiden sich erfahrungsgemäß tatsächlich dafür, ihre Informationen geschützt ins Netz zu stellen. Bislang konnte es ihnen egal sein, weil die Auffindbarkeit eher kompliziert war. Mit sozialen Aggregatoren ändert sich das nun.
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