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Archiv-Artikel

Das rechte Spektrum entlarvt sich

betr.: „Die Fürsten der Prignitz“, taz vom 27. 3. 09

Einerseits: Die mythisch-esoterische Überhöhung des Germanentums allein ist vielleicht in einem kruden Sinn konservativ, aber nicht rechts. Dazu zählt auch der ganze damit verbundene ideologisch-religiöse Komplex der Naturmedizin, Runenkunde, Dendromantie etc. Auch die Abgrenzung vom Grundgesetz findet man nicht nur in der rechten Szene: Dass die Bundesrepublik ohne Volksabstimmung aus der Taufe gehoben wurde, direkte Demokratie (eigentlich) nicht vorgesehen ist und die alliierten Besatzer/Befreier gleich den rechten Flügel stark gemacht haben, stößt auch manchem Linken sauer auf.

Andererseits: Im späten 19. Jahrhundert gab es eine Menge antimoderner Gruppen, deren Schnittmenge mit der Nazi-Ideologie nicht nur in der verschwurbelten „Lebens“-Rhetorik und der Suche nach dem Wahren, dem deutschen Wesen Angemessenen, bestand. Diese Gruppen und Grüppchen waren nicht selten unter der Führung alternativ gesinnter Künstler und Pseudowissenschaftler, die früher oder später der integrierenden Kraft der NSDAP erlagen und dabei wohl „nicht alles gut“, aber auch eben „nicht alles schlecht“ fanden. Dieses Mitläufertum war eine Basis für den anfänglichen Erfolg des NS-Regimes.Und wer sich schon in seinem Selbstbild neben dem Kaiserreich positioniert und sich vom Grundgesetz abgrenzt und dabei auch noch historisch argumentiert, wie es die Fürstentümler tun, der muss auch Stellung beziehen zu dem, was dazwischen war: dem „Dritten Reich“. In der Neuheidenszene entlarvt sich das rechte Spektrum damit, dass gesagt wird, man sei ja „unpolitisch“, also kein Nazi. Wer eine solche Religion oder Lebensanschauung vertritt und nebenbei die Germania beschwört, muss sich auch mit dem darauf zumindest teilweise begründeten Terrorregime der Nazis auseinandersetzen. Unterbleibt dies, muss man sich bei allem Pazifismus und Toleranzgelaber den Vorwurf gefallen lassen, man sei rechts. CHRISTOF KNODEL, Lübeck