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Das rasante Verschwinden der AmphibienDer Chytridpilz allein ist es nicht

Lange Zeit galt der Chytridpilz als Ursache für das Ende so mancher Amphibienarten. Studien widerlegen das. Es scheint so, als gäbe es eine lange Koexistenz von Pilz und Lurch.

Einige Froscharten kommen mit dem Amphibienpilz gut zurecht. Bild: dpa

BERLIN taz | Obwohl sie sich nie ganz entschließen konnten, auf dem Festland zu leben, haben sich Amphibien unaufhaltsam über den ganzen Globus verbreitet. Weltweit bekannt sind etwa 6.500 Arten, die in diese Wirbeltierklasse eingeordnet werden.

Dabei wirken diese, auch als Lurche bezeichneten Tiere auf den ersten Blick sehr zart. Ursache dafür ist ihre meist feuchte Haut, unter der sichtbar das Herz pulsiert. Mit ihrer Hilfe trinken und atmen sie, manche so intensiv, dass sie daneben keine Lunge mehr benötigen.

Ausgerechnet diese hochleistungsfähige Haut bildet die Angriffsfläche für den Amphibien-Chytridpilz Batrachochytrium dendrobatidis (Bd). Die von ihm ausgelöste Chytridiomykose raffte seit den 1980er Jahren in Süd- und Mittelamerika schon ganze Lurchgemeinschaften dahin.

Neben dem Klimawandel und der ökologischen Verwüstung ihrer Habitate gilt Bd als Hauptursache dafür, dass weltweit die Amphibien mit sehr viel größerer Geschwindigkeit aussterben als andere Tierklassen.

Nach den vorsichtigen Angaben des britischen Programms EDGE (Evolutionarily Distinct and Globally Endangered) gelten 32 Prozent der Lurcharten als weltweit bedroht. Über 165 Amphibienarten wurden bereits ausgerottet.

Die Herkunft der Seuche ist unbekannt. Bis vor Kurzem galt sie als nicht aufhaltbar. Nun gibt es Entwarnung: In Asien und Europa sind nicht so viele Amphibienpopulationen von dem Pilz befallen wie angenommen. Und manchen befallenen Gruppen scheint die Mykose kaum etwas anzuhaben.

In den Jahren zwischen 2001 und 2009 nahm sich ein internationales Team von 33 Forschern eine gewaltige Black Box in der Amphibienforschung vor: den asiatischen Kontinent. Sie stammten aus 26 Institutionen aus dem Untersuchungsgebiet sowie Nordamerika, Europa und Australien.

Nur wenige Frösche infiziert

Die Mitte August in dem Open-Access-Fachmagazin PloS One publizierten Resultate der Studie zeigen: Nur in 6 von 15 untersuchten Ländern wurden überhaupt infizierte Tiere angetroffen, in den Philippinen, Kirgisien, Laos, Indonesien, Malaysia und Südkorea. Von allen untersuchten Fröschen waren es ganze 2,35 Prozent.

"Die neuen Ergebnisse könnten dahingehend interpretiert werden, dass sich Bd entweder erst seit Kurzem in Asien ausbreitet oder schon lange dort ist und die Amphibienfauna inzwischen gut angepasst ist", schreiben die Forscher.

Der deutsche Teilnehmer Dennis Rödder vom Zoologischen Forschungsmuseum Alexander König in Bonn empfiehlt, die asiatischen Frösche im Auge zu behalten für den Fall, dass ihnen die eigentliche Epidemie noch bevorstehe.

Diesmal, so meint der Amphibienexperte, sollte man dem Aussterben ganzer Arten durch die Erhaltungszucht gesunder Tiere zuvorkommen. Es sei allerdings noch unklar, wie man diese Populationen später wieder aussiedeln könne.

Die Situation in Deutschland

Eine Berliner Forschergruppe vom Institut für Mikrobiologie und Hygiene der Charité, dem Museum für Naturkunde und dem Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung an der Humboldt-Universität veröffentlichte im März dieses Jahres in der Zeitschrift für Feldherpetologie eine eigene Deutschlandstudie zum Thema und fasste außerdem europaweite Resultate zusammen.

In den Jahren 2003 bis 2009 sammelten zahlreiche Helfer an Amphibienschutzzäunen in der ganzen Bundesrepublik für dieses Projekt rund 3.100 Hautabstriche von allen hier existierenden Arten mit Ausnahme des Alpensalamanders. Das Resultat: Die DNA des Chytridpilzes wurde bei einem Drittel aller untersuchten Populationen und fast allen einheimischen Arten nachgewiesen.

Der Anteil der infizierten Tiere betrug 7,5 Prozent. Doch von einem Rückgang der Arten aufgrund der Mykose kann bei uns keine Rede sein. Bis auf wenige Populationen in extremer Umwelt gilt dies auch für unsere Nachbarländer.

Tödliche UV-Strahlung

Je höher das Gebirge, desto kränker die Salamander und Kröten - zumindest in Spanien. Dass bei unseren südlichen Nachbarn in Höhen von über 1.600 Metern schwere Chytridiomykoseverläufe und dramatisch hohe Sterberaten bei Geburtshelferkröten auftreten, führen Herpetologen auf die starke UV-Strahlung im Hochgebirge zurück.

Schon vor einigen Jahren wurde die These aufgestellt, auch das Ozonloch begünstige den zunehmenden Bd-Befall. Doch das Grassieren der Mykose kann nicht auf einen einzelnen Faktor zurückgeführt werden.

So vermehren sich die Bd-Sporen vor allem im Wasser. Wegen der kurzen Hochgebirgssommer schaffen es die Kaulquappen der betroffenen Kröten kaum, sich in einer Saison bis zur Metamorphose zu entwickeln, und verweilen manchmal mehrere Jahre im Nass.

Ihre Schwestern aus derselben Art in Frankreich werden zwar auch bisweilen infiziert, können aber erfolgreich mit der Mykose leben.

Wärme mag er nicht

Sind sie nicht bereits durch andere Faktoren geschwächt, können sich erkrankte Tiere in der Natur auch erholen. So überlebt der Pilz nur bei Temperaturen bis zu 29 Grad Celsius.

Damit ließe sich wenigstens zum Teil erklären, warum in Brandenburg Wasserfrösche, die man in den Frühlingsmonaten 2009 und 2010 als infiziert diagnostiziert hatte, jeweils im Herbst wieder gesund waren.

Weitere Gründe für eine solche Resistenz fand man im Westen der Vereinigten Staaten: In der Sierra Nevada ließen sich bei schon länger Bd-befallenen Populationen wesentlich häufiger pilzhemmende Bakterien auf der Haut nachweisen.

Die ältesten gut erhaltenen Amphibienpräparate stammen aus den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Auf verschiedenen Kontinenten finden sich darunter Spuren von Chytridiomykose. Daraus lässt sich schließen, dass Lurche schon lange mit dem Pilz zusammenlebten, vielleicht sogar Jahrmillionen.

Der Mensch verbreitet den Pilz

Der Pilz selbst ist wenig mobil. Er kann durch den Tierhandel verbreitet werden, etwa durch resistente Amphibienarten, aber auch über Gummistiefel, Gefäße und Kescher ihrer menschlichen Helfer.

"Am besten schützen wir Frösche, Kröten und Salamander vor dem Pilz, indem wir ihnen eine amphibienfreundliche Umwelt schaffen", sagt Torsten Ohst, Biologe am Institut für Mikrobiologie und Hygiene der Charité und Mitverfasser der Berliner Studie.

Heute spricht Torsten Ohst sogar von einer gewissen Gefahr dieses "Pilzhypes", wie er ihn nennt, und fährt fort: "Wenn man Batrachochytrium dendrobatidis zum Schuldigen am globalen Amphibien-Massensterben macht, hat man eine einfache Ursache für ein in Wirklichkeit sehr komplexes Geschehen gefunden. Und es ist für Regierungen billiger, Forschungsprogramme für ein paar Wissenschaftler aufzusetzen, als ganze Regionen ökologisch zu sanieren."

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