: Das niederländische Billig-Job-Modell: Die Melkertbanen
Die Niederlanden experimentieren schon seit sieben Jahren mit Niedriglohnjobs. Unsere Austausch-Redakteurin aus Groningen zieht eine ernüchternde Bilanz: Die subventionierten Jobber vernichteten reguläre Arbeit ebenso wie ehrenamtliches Engagement in Heimen und Schulen
In Deutschland sollen seit diesem Januar Arbeitslose mit Ein-Euro-Jobs wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden. In den Niederlanden erfand Sozialminister Ad Melkert schon 1998 die so genannten Melkertbanen. Das waren Jobs im öffentlichen Bereich, zum Beispiel in Altenheimen, Schulen oder Krankenhäusern. Auch andere gemeinnützige Institutionen konnten einen Antrag stellen. Die Gemeinden zahlten den Lohn und bekamen ihn von der niederländischen Regierung zurück.
Wer länger als ein Jahr arbeitslos war, konnte einen Melkertbaan (später ID-baan genannt) bekommen. Die Berechtigten erhielten bis zu 130 Prozent vom Mindestlohn (1.250-1.730 Euro brutto in 2003).
Menschen sollten so wieder in den Arbeitsrhythmus zurückgebracht werden, ein paar Erfahrungen sammeln und dann einen regulären Job annehmen können. Die Praxis sah anders aus. Menschen mit einem ID-baan blieben für Jahre auf dem subventionierten Arbeitsplatz. Und auch dort, wo vorher bezahlte Arbeitskräfte arbeiteten, gab es nach einiger Zeit nur noch ID-ers. Nach einiger Zeit konnten selbst private Firmen subventionierte Arbeitskräfte bekommen.
Dadurch wurden viele Arbeitsplätze vernichtet: Warum sollte man noch einen teuren Arbeitsplatz schaffen, wenn auch günstige ID-er zu haben waren? Die negativen Auswirkungen auf die normalen Jobs gerieten schnell außer Kontrolle. Denn wie soll ein Staat prüfen, ob in einem neuen Sportverein wirklich kein Geld für einen Hausmeister da ist?
Nach vielen Diskussionen sind die subventionierten Stellen jetzt von 60.000 auf 40.000 geschrumpft. Seit einem Jahr werden alle von den Gemeinden bezahlt. Die bekommen dafür Geld von der Regierung, über das sie jetzt frei verfügen können. Deshalb ist es viel schwieriger, ein ID-baan zu bekommen: Die Gemeinden müssen schließlich auch sparen und nutzen das Geld oft lieber für anderes.
Um eine Entlassungswelle zu verhindern, subventioniert die niederländische Regierung Arbeitgeber, die einem ID-er einen richtigen Job geben wollen.
Das System hat viele Spuren hinterlassen: Dort, wo ID-ers die Arbeit von Ehrenamtlichen übernommen haben, gibt es jetzt niemanden mehr. Zum Beispiel fehlen in Altenheimen Pfleger, in Schulen die Klassenassistenten, in den Städten die Ordner. Zur Zeit ist es für viele Institutionen sogar schwierig, Geld für Tierpfleger oder Hausmeister aufzubringen – Tätigkeiten, die vorher anerkannte Berufe waren oder dazu gehörten.
Ronald Paping von der niederländischen Gewerkschaft für den öffentlichen Dienst „Abvakabo“ sieht auch Vorteile für subventionierte Jobs. „Wir sollten subventionierte Stellen für die Leute behalten, die keine Chance auf einen normalen Job haben.“ Für die wenigen besser qualifizierten Arbeitslosen sollte der geförderte Arbeitsmarkt nur ein Sprungbrett sein.
TJITSKE YPMA (27) ist Redakteurin beim Dagblatt van het Noorden in Groningen. Im Rahmen des deutsch-niederländischen Austauschprogramms für Journalisten „IJP“ arbeitet sie zwei Monate für die taz nrw in Bochum