„Das ist vererbt, das wird bleiben“

Peter Freiberg ist mit Borussia Dortmund aufgewachsen. Für die Misere seines Vereins macht er die Dortmunder Großmannsucht verantwortlich – und in Sonderheit den Expräsidenten Gerd Niebaum

Peter Freiberg, 51, Drehbuchautor (u. a. RTL-Serien „Nicola“, Ritas Welt“ „Alles Atze“) wurde vier Kilometer von den Dortmunder Stadien entfernt geboren und ist seither Anhänger von Borussia Dortmund. Das bleibt auch so.

taz: Herr Freiberg, wie schlimm ist die Situation des BVB-Anhängers?

Peter Freiberg: Sehr schlimm. Das gönnt man seinem ärgsten Feind nicht. Nicht einmal Schalke.

Und doch sind Sie immer noch Anhänger der Aktiengesellschaft Borussia Dortmund. Warum?

Ich bin kein Anhänger einer Aktiengesellschaft, ich bin Anhänger eines Fußballklubs.

Wo ist der Fußballklub geblieben?

Im Zweifelsfall auf den Rängen. Und nicht in der VIP-Lounge. Deshalb kann man die Aktiengesellschaft auch einstampfen; aber die Idee Borussia wird überleben.

Was ist die Idee?

Das ist vererbt, das ist da und es wird auch bleiben: Du wohnst in Dortmund, also bist du BVB-Fan. Die Leute, die Fußball nicht als Teil der Dienstleistungsgesellschaft begreifen, werden der Idee BVB immer treu bleiben. Aber man muss sich abwenden von den Leuten die das Desaster repräsentieren und verantworten.

Eine echte Katharsis?

Ja, wenn Sie das große Wort benutzen wollen. Für die ganzen Fans aus dem Umland sieht das etwas anders aus, aber für mich als Dortmunder gilt: warum nicht in die Regionalliga und dort wieder Spaß haben? Gegen St. Pauli vor 80.000? Das hätte was. Ein bisschen schwierig würde es allenfalls mit der Schalker Häme. Aber das ist ja nur eine Frage der Zeit, bis die auch so weit sind.

Wie tief würden Sie mit Borussia hinabsteigen?

In die Oberliga gehen wir auf jeden Fall mit. Wenn es aber in die Bezirksliga geht, dann geh ich lieber zu TuS Eichlinghofen. Da habe ich früher selbst gespielt.

Was sagt uns der Fall der Borussia über Dortmund? Manche spürten mit dem Aufstieg zum Champions-League-Sieger und Wirtschaftsunternehmen die große Welt.

Ach, lächerlich. Das ist die provinzielle Großmannsucht des Dortmunders. Nehmen Sie unser Konzerthaus, das sollte die Innenstadt aufmöbeln. Jetzt stellt die Stadt fest: Mensch, das muss man ja subventionieren. Damit haben die nicht gerechnet. Diese Stadt war früher nichts anderes als ein Arbeitslager für den Kohle- und Stahlbau. Es gibt überall in Dortmund Beispiele, wo ein Ballon groß aufgeblasen wird, aber keiner daran denkt, dass er platzt , wenn er an einen Nagel kommt. Niebaum …

… der zurückgetretene Expräsident und Exgeschäftsführer der Kommanditgesellschaft …

… war auch so einer. Er hat die größten Erfolge, aber jetzt auch das größte Desaster zu verantworten. Ich weiß gar nicht, wo der jetzt hinwill. Im Fanforum schwatzgelb.de diskutieren sie, ob und wie noch „Kapitalerhöhungen“ möglich sind. Typisch Dortmund. Jeder ist nicht nur der bessere Trainer, sondern auch der bessere Finanzmakler. Da diskutieren Jungs, die bald Hartz-IV-Opfer werden, wie man das Finanzproblem des BVB löst. Kein Mensch kann das.

Was ist das Schlimmste?

Dass wir grade jetzt seit langem wieder eine Mannschaft mit Perspektive haben. Vor allem aber, dass den Kids der Boden unter den Füßen weggezogen wird. Für uns alte Säcke geht’s ja noch, wir können noch von den guten Zeiten erzählen. Was mir Leid tut, ist eine junge Generation, die mit leuchtenden Augen in ihren Trikots unterwegs ist und die jetzt erleben, dass Leute aus einem Fußballklub eine Firma gemacht haben. Sollen wir die zum VfL Wolfsburg schicken? Das geht doch nicht.INTERVIEW: PETER UNFRIED