: „Das ist eben die neue CDU“
■ Die rüden Entlassungsmethoden der CDU / Gefeuerter Mitarbeiter kündigt Widerspruch an
Genau neun Minuten dauerte gestern vormittag der Termin vor dem Bremer Arbeitsgericht, dann schien der Vergleich zwischen Clemens Knobloch und der CDU-Fraktion perfekt: Seit dem 30. September sollte Knobloch nicht mehr wissenschaftlicher Mitarbeiter der Christdemokraten sein und eine Abfindung von 14.000 Mark kassieren. Die Anwälte nickten. „Die Parteien können den Vergleich bis zum 23. Oktober schriftlich widerrufen“, diktierte Arbeitsrichter Bertram Zwanziger aufs Tonband. Die Sitzung war geschlossen.
„Das ist ja ein dolles Ding“, kommentierte Kläger Knobloch den Beschluß Stunden später gegenüber der taz. „Ich werde auf jeden Fall Widerspruch einlegen. Schließlich klage ich auf Wiedereinstellung.“ Sieben langjährigen Mitarbeitern hatte die CDU angesichts knapper Kassen gekündigt. Die Fraktion bekommt künftig weniger Geld von der Bürgerschaft. Der sogenannte Oppositions-Bonus von 500.000 Mark wird nicht mehr überwiesen. Fraktionschef Ronald-Mike Neumeyer machte bei den Mitarbeitern die Runde, faselte etwas von „katastrophaler finanzieller Lage“ und schmiß sie raus (taz 18.9). Einige gingen zähneknirschend und suchten sich neue Jobs. Andere, wie der wissenschaftliche Mitarbeiter Clemens Knobloch oder die Telefonistin Karolina Pfeifer, fühlen durch die rüden Methoden der CDU über den Tisch gezogen.
Knobloch, der auch als persönlicher Referent für Spitzenkandidat Ulrich Nölles gearbeitet hat, zog vors Arbeitsgericht. Er hat einen befristeten Arbeitsvertrag bis zum 31. Dezember 1995, sollte jedoch schon zum 30. September gehen. „Aber ich bin schon drei Jahre bei der CDU, der Arbeitsvertrag ist damit unbefristet“, argumentiert Knobloch. Außerdem seien in der Zwischenzeit bei der CDU so viele Stellen frei geworden. „Für einen wissenschaftlichen Mitarbeiter wäre da bestimmt noch irgendwo ein Platz“, hofft er. „Die haben ja auch auch einen Pressesprecher eingestellt. Mir haben sie aber noch nicht mal irgendeinen anderen Posten angeboten. Und das ärgert mich“, schimpft Knobloch.
„Am meisten ärgert mich das Verfahren“, sagt Knobloch. „Neumeyer hat mir ein Schreiben vorgelegt, in dem stand, daß mein Arbeitsvertrag befristet sei. Er hat gesagt, ich müsse das jetzt unterschreiben oder mir würde sofort gekündigt“, erinnert sich Knobloch. „Das hat er getan, weil sich die CDU unsicher ist, ob mein Vertrag nach den drei Jahren noch befristet ist“. Als Knobloch sich weigerte, kam promt die Kündigung.
Daß es jetzt vor dem Arbeitsgericht zu einem Vergleich gekommen ist, schreibt Knobloch der CDU-Taktik zu. „Die CDU hat meinem Anwalt am 28. September geschrieben, sie habe gehört, daß ich nunmehr doch bereit sei, über eine einvernehmliche Regelung nachzudenken“, erzählt Knobloch. „Dabei stimmt das überhaupt nicht“, schimpft der studierte Politikwissenschaftler. „Die CDU hat in dem Schreiben eine Abfindung von 10.000 Mark geboten und gefordert, daß der Vertrag zum 30. September aufgelöst wird. So ist der Vergleich zustande gekommen“, rekonstruiert er. „Die lassen sich allerhand einfallen, um ihre Leute loszuwerden.“
Das mußte auch die Telefonistin Karolina Pfeifer erfahren. Sie arbeitete eineinhalb Jahre an drei Tagen der Woche für die Christdemokraten. Eines Tages sei Neumeyer zu ihr gekommen und habe sie gefragt, ob sie einen Moment Zeit habe, erzählt sie. „Und dann war meine Kündigung innerhalb von einer Minute unterschrieben“, erinnert sich die Frau. „Ich war so geschockt, daß ich unterschrieben habe. Am nächsten Tag wäre ich vors Arbeitsgericht gezogen. Aber nun ist alles zu spät. Ich bin 56 Jahre alt. Ich krieg' doch keinen Job mehr“, klagt Karolina Pfeifer. „Aber dem Neumeyer mit seinem 15.000 Mark im Monat kann das ja egal sein. Eine Minute hat das gedauert. So etwas Unpersönliches hätte es unter Kudella nie gegeben. Mit Kudella ist die Menschlichkeit aus dem CDU-Haus ausgezogen. Und das ist eben jetzt die neue CDU.“ kes
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