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Archiv-Artikel

Das ganz große Geschäft vor Augen

KNOCK-OUT Mit maximaler körperlicher Überlegenheit und minimalem Aufwand lässt Wladimir Klitschko auch Francesco Pianeta keine Chance. Nun winkt ein Superdeal im Kampf gegen Alexander Powetkin

„Das schafft man nicht nur mit ukrainischen Steaks“

PIANETAS COACH DIRK DZEMSKI ÜBER KLITSCHKOS PHYSISCHE ÜBERLEGENHEIT

AUS MANNHEIM SUSANNE ROHLFING

Auch im Lager des Herausforderers hatte es einen kurzen Moment des Hochgefühls gegeben. In Runde zwei riss Trainer Dirk Dzemski in seiner Ecke stolz die Arme hoch. Gerade war Francesco Pianeta an Wladimir Klitschko herangekommen und hatte tatsächlich zwei, drei Schläge am Astralkörper des ukrainischen Mehrfachweltmeisters angebracht. Nur vier Runden später allerdings war Dzemskis Geste der Wahl tröstendes Schultertätscheln. Und bei dem in Gelsenkirchen aufgewachsenen Italiener Pianeta flossen die Tränen in Strömen. Klitschko siegte durch Knock-out in Runde sechs, feierte damit den 60. Triumph im 63. Profikampf und bleibt Schwergewichtsweltmeister der Verbände WBA, WBO und IBF.

Pianeta bleibt nur die Erinnerung an den durchaus warmen Applaus des Mannheimer Publikums, das schon dankbar war für einen Klitschko-Gegner, der im Ring nicht gänzlich tatenlos gewesen, der nicht nur weggelaufen war. Eine wirkliche Chance hatte der 28-Jährige allerdings zu keinem Zeitpunkt. Klitschkos Mittel mögen einfach sein: Ein bisschen Stochern mit der Linken, um den Gegner auf Abstand zu halten. Dazu links, rechts hauen, pam, pam, dann auf schnellen Beinen wieder Distanz herstellen. Und wenn der Gegner ihm doch mal zu nahe kommt, klammern und auf den in der Regel kleineren Kämpfer lehnen. Bei seinen drei Niederlagen hat Klitschko gelernt, dass er es nicht gut verkraftet, getroffen zu werden. Also hat er seine Defensivarbeit perfektioniert und gleichzeitig seine Angriffstaktik minimalisiert. Das mag nicht schön anzusehen sein, aber das ist kraftsparend, und mehr ist dank Klitschkos physischer Überlegenheit gegen kaum einen Gegner nötig.

Pianetas Coach Dirk Dzemski vom Magdeburger SES-Stall, der gerade erst Robert Stieglitz mit einer perfekten Taktik zum Sieg gegen den ehemaligen Mittelgewichtsweltmeister Arthur Abraham geführt hatte, war nach der Niederlage Pianetas ratlos angesichts der körperlichen Überlegenheit von Wladimir Klitschko. Er flüchtete sich in die vage Dopingverdächtigung: „Das schafft man nicht nur mit ukrainischen Steaks, mehr will ich nicht sagen.“ Gestand allerdings auch ein: „Wir hatten einen Plan, aber der hat nur in Teilen funktioniert. Das war nicht konstant genug.“ Die einzige Chance sei, die von Klitschko erzwungene Distanz zu durchbrechen. „Dann kriegt Wladimir Ärger, dann hat er Stress. Aber das geht nur über die Physis.“

Der ehemalige Schwergewichtsboxer Luan Krasniqi sieht die Sache so: „Ein Boxer, der Wladimir schlagen will, der muss spritzig sein, der muss schnell sein, der muss Wladimir drängen, der muss Wladimir drücken.“ Das Problem dabei sei: „Die Kunst, minimalen Einsatz bei maximalem Erfolg so zu praktizieren, das kann nur Wladimir Klitschko.“ Der Kölner Boxexperte Jean-Marcel Nartz ist überzeugt: „Ein Gegner, der Wladimir schlagen soll, muss noch größer sein und eine noch größere Reichweite haben.“ Seine Hoffnung ruht auf der wieder aufgelebten Beziehung Klitschkos zu US-Schauspielerin Hayden Panettiere: „Wenn er jetzt die große Liebe gefunden hat, kann es ja mal sein, dass er aufhört, der Junge ist 37 – und dann werden die Karten neu gemischt.“

Zunächst hat Wladimir Klitschko aber den größten Zahltag seiner Karriere vor Augen. Der Moskauer Promoter Vlad Hrunov hat nie da gewesene 23 Millionen Dollar für die Rechte an der Austragung des WBA-Pflichtduells zwischen Superchampion Klitschko und dem regulären Weltmeister Alexander Powetkin aus Russland geboten. 75 Prozent der Summe gingen als Börse an Klitschko, sollte Hrunov das Duell der Olympiasieger (Klitschko 1996/Powetkin 2004) tatsächlich wie geplant im September in Moskau auf die Beine gestellt bekommen.

Hrunov, ein kompakter Mann, der sich nicht all zu tief in die Karten blicken lässt, war am Samstag auch in Mannheim. Warum er 23 Millionen Dollar für einen Kampf geboten hat, den er locker auch für weniger als die Hälfte hätte bekommen können, erklärte er nicht. Nur so viel: „Wir geben Geld aus, und wir verdienen Geld, so ist das.“ Die russische Mafia und Geldwäsche, Dinge, über die in deutschen Profiboxkreisen spekuliert wird, erwähnte er freilich nicht. Und warum Russen dem Ukrainer Klitschko eine so immense Börse zahlen wollen, erklärte Hrunov mit undurchdringlicher Miene und diesen Worten: „Jeder wollte diesen Kampf. Das ist der Preis für Klitschko, er ist ein Held, wie Michael Jackson.“ Klitschko selbst gab sich unbeeindruckt von dem Megadeal. Er sagte: „Mein Ziel im Sport ist nicht und war niemals das Geld. Mir geht es um die Leistung. Hätte ich Geld als Priorität gehabt, wäre ich heute nicht da, wo ich bin.“