: Das Volk zahlt gern - mit Nerven und Adrenalin
■ betr.: "Flugverkehr wird nasch Schönefeld umgelenkt", "Gedenken an Berliner Blockade", taz vom 13.5.92
betr.: »Flugverkehr wird nach Schönefeld umgelenkt«, »Gedenken an Berliner Blockade«, taz vom 13.5.92
Die Schlagzeile »Flugverkehr...« hätte mit mehreren Fragezeichen versehen werden müssen, wie alles, was Herr Haase zum Thema »Flugverkehr« zu vermelden hat. »Überzeugungsarbeit«, die Herr Haase zu leisten vorgibt, hat bisher weder zur 100prozentigen Auslastung von Flugzeugen noch zur Verhinderung von Nachtflügen, noch zum Abzug einer Fluggesellschaft von einem der innerstädtischen Flughäfen geführt. Ein solcher Abzug kann nur mit der knallharten Erhöhung von Start- und Landegebühren erreicht werden. Die Absichtserklärung des Senators, eine Erhöhung einvernehmlich mit den Fluggesellschaften festsetzen zu wollen, klingt unglaublich naiv.
Infam ist der Versuch des Senators, die BIs von Tempelhof und Tegel zu spalten, indem er eine Schließung Tempelhofs von einer Erweiterung Tegels abhängig macht. Bisher nannte die CDU die Inbetriebnahme eines neuen, außerstädtischen Flughafens als Termin für eine Schließung Tempelhofs, während ihr Koalitionspartner mit den Schließungsdaten 1995/96 jongliert und den Regionalverkehr auf die Schiene verlagern möchte, wie BIs und Naturschutzverbände auch.
Nun ist in Haases gesammelten Worten nichts mehr zu neuem Flughafen außerhalb der Stadt und Umfunktionierung von regionalem Flugverkehr zu lesen. Das kann nur bedeuten, daß der Flugverkehr zwischen Tegel, Tempelhof und Schönefeld auf Dauer aufgeteilt werden und auf allen drei Terminals auch noch kräftig zunehmen soll. Tatsachen, die diesen Verdacht untermauern, gibt es genug: Befeuerungserneuerung in Tempelhof, Absicht zu Milliardeninvestitionen in Schönefeld, der Griff nach den Abfertigungsanlagen in Tegel.
Zum zivilen Flugverkehr, der in Tempelhof vom April des Vorjahres zum Vergleichsmonat dieses Jahres um mehr als 200 Prozent gesteigert wurde, kommt noch der militärische Flugverkehr, der just zum Jahrestag der Luftbrücke bedrohliche Ausmaße annahm. Im Halbstundenintervall wurden ab 7.30 Uhr morgens Truppen ausgeflogen, um im verbündeten Westen das Kämpfen zu üben. Die Maschinen, die heute (16.3.92) den dritten Tag eingesetzt werden, sind so voll, daß sie kaum die Hürde der im Wege stehenden Häuser schaffen. Olivgrüne Hubschrauber, die eigentlich von Norden oder Süden einfliegen sollten, knattern in so geringer Höhe über die Wohngebiete, als suchten sie den verlorenen Feind zwischen Blumenrabatten und braunen Tretminen. Die Zeiten von Manövern mitten in der Großstadt scheinen noch nicht der Vergangenheit anzugehören. Freundschaft verlangt ihren Preis, auch wenn dieser einseitig festgelegt wird? Wie immer zahlt auch hier das Volk gerne — mit Nerven und Adrenalin.
A. Schmidt
Bürgerinitiative Flughafen Tempelhof
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