■ Das Tagebuch der Marie Kuhn: Kluge Beobachterin
Was hat die Nazi-Herrschaft in den Köpfen der deutschen Soldaten angerichtet? Eine in ihrer Genauigkeit bestürzende Antwort gibt das Tagebuch der Marie Kuhn, das hier erstmals in Auszügen veröffentlicht wird.
Marie Kuhn, geboren 1909 und in einem protestantisch-bildungsbürgerlichen Milieu aufgewachsen, heiratete den Physiker Heinrich Gerhard Kuhn. Ihr Mann verlor bereits am 1. April 1933 seine Universitätsstelle, weil die Nazigesetze ihn als „Halbjuden“ definiert hatten. Die Kuhns gingen im Sommer 1933 nach Oxford.
Kurz vor Kriegsbeginn wurden sie britische Staatsbürger. Nach dem D-Day im Sommer 1944 stellte sich Marie Kuhn dem Roten Kreuz als Dolmetscherin zur Verfügung. Im St. Hugh's College war ein Hospital für Kopf- und Wirbelsäulenverletzungen eingerichtet, in dem neben alliierten auch immer mehr deutsche, in der Normandie schwer verwundete Soldaten behandelt wurden. So kam es, daß deutsche POWs (prisoners of war) auf englischem Boden einer deutschen Emigrantin begegneten.
Marie Kuhn hat ihr Tagebuch handschriftlich geführt und in den späten vierziger Jahren abgetippt. Der hier auszugweise abgedruckte Text wurde übersetzt und zu einer knapperen Fassung verdichtet, die Frau Kuhn autorisiert hat. Schon im englischen Original sind die meisten Äußerungen der Verwundeten auf deutsch festgehalten.
Eine Publikation des vollständigen Textes wäre wünschenswert, zumal Marie Kuhn darin auch ihre Eindrücke aus den POW-Lagern nach Kriegsende und ihre Beteiligung an den „re-education“-Programmen für deutsche Kriegsgefangene schildert. Niels Kadritzke
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