■ Das State Department erhebt Einspruch im Fall Möller: Reflex aus alten Tagen
Am Einspruch des US-Außenministeriums dürfte die de facto beschlossene Freilassung der RAF-Gefangenen Irmgard Möller kaum scheitern. Dem steht allein schon die Unabhängigkeit der bundesdeutschen Gerichte entgegen. Politische Vorgaben schlagen zwar immer wieder auf die Entscheidungsfindung der bundesdeutschen Justiz durch. Das war zuletzt im positiven Sinne im Fall der kurzfristig beschlossenen Demission der Mannheimer Richter am Landgericht zu sehen, weil diese dem NPD-Chef Deckert ein skandalös gutes „Führungszeugnis“ ausgestellt hatten. Die Vorgesetzten dieser Richter beugten sich dabei aber einem starken gesellschaftlichen Druck und keineswegs einer direkt durchgestellten Forderung aus der politischen Ebene. Im negativen Sinne hat sich das Beharren der Justizbehörden auf ihrer Unabhängigkeit in den vergangenen Jahren immer wieder dann gezeigt, wenn Innen- und Justizpolitiker versuchten, Einfluß zugunsten einer vorzeitigen Haftentlassung langjährig einsitzender RAF-Gefangener zu nehmen. Nach Jahren der Verweigerung ist in dieser Sache ein Prozeß des Umdenkens in Gang gekommen. Es ist daher kaum zu erwarten, daß die Entscheidungsfindung der Justiz nun durch eine Äußerung, auch wenn sie in Washington gefallen ist, in Frage gestellt wird.
Daß andererseits der Sprecher des Außenministeriums in Washington appelliert, auf eine Freilassung Möllers zu verzichten, liegt auf der Linie der amerikanischen Außenpolitik, die international ein restriktives Vorgehen gegen den Terrorismus einklagt. Das gilt im besonderen dann, wenn Bürger der Vereinigten Staaten Opfer terroristischer Anschläge wurden. Auf diesem Hintergrund ist die Intervention zu verstehen. Immerhin wurden bei dem Sprengstoffanschlag auf das Hauptquartier der amerikanischen Streitkräfte 1972 – für den Irmgard Möller verurteilt wurde – drei US-Soldaten getötet. In Washington dürfte aber auch bekannt sein, daß die RAF im Frühjahr 1992 einen Verzicht auf weitere Anschläge und Attentate erklärt hat und somit schon lange nicht mehr mit terroristischen Gruppen, etwa aus dem Nahen Osten, verglichen werden kann.
Die letzte Intervention der USA in Sachen Terrorismus erfolgte im vergangenen Jahr nach einem Besuch des Teheraner Ministers für Information und Sicherheit, Ali Fallahian, in der Bundesrepublik. Nicht nur Washington protestierte, daß die Bonner Politiker – allen voran der Geheimdienstkoordinator Schmidbauer – für den Mann den roten Teppich ausrollten, der weltweit als der Drahtzieher des staatlich betriebenen Terrors des Mullah-Regimes verantwortlich gemacht wird. Die Anklage war mehr als berechtigt, fruchtete in Bonn aber nur wenig. Der jetzige Appell des Außenamtssprechers im Weißen Haus ist dagegen eher ein Reflex aus alten Tagen. Wolfgang Gast
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