Das Stadion steht Kopf: Nur nach Hause gingen sie nicht
Das Geschehen auf dem Rasen war beim 2:1 von Hertha BSC gegen Augsburg eher Nebensache. Der Aufstieg war ja längst perfekt. Und perfekt war dann auch die Partylaune.
Es war der Tag der unbegrenzten Möglichkeiten. Nello di Martino, Teambetreuer von Hertha BSC Berlin, durfte sich vor den über 77.116 Fans im ausverkauften Olympiastadion als Ariensänger versuchen. Der Stadionsprecher begrüßte die Zuschauer "zum 34. Spieltag der 1. Bundesliga". Pal Dardai feierte am letzten Spieltag nicht nur sein Saisondebüt in der Zweiten Liga, sondern trat bereits nach 42 Minuten die Ehrenrunde an. Und auf der Pressekonferenz wurden Trainer Markus Babbel und Vereinssprecher Peter Bohmbach von den Spielern mit Sekt triefend nass gespritzt.
In der Aufstiegseuphorie nahm man es am Sonntag nicht so genau. Alles war erlaubt, das Geschehen auf dem Rasen sowieso Nebensache. Der Aufstieg in die Erste Liga steht seit zwei Wochen, der Gewinn der Meisterschaft seit einer Woche fest. Sportliche Fragen galt es beim 2:1-Erfolg gegen Augsburg nicht zu klären. Eigentlich fieberten die Hertha-Fans nur der Übergabe der Meisterschale entgegen. Um 15.30 Uhr bekam Kapitän Andre Mijatovic die einer Autofelge ähnelnde Trophäe ausgehändigt. Ein Jahr nachdem man beim Abstieg am selben Ort in graue und deprimierte Gesichter blickte, glänzten diese nun fast so wie der Rasen, der durch die Konfettikanonen einen silbrigen Überzug erhalten hatte.
Der guten Laune der Fans konnte auch die schwerfällige Vorstellung ihrer Lieblinge nichts anhaben. Die La-Ola-Wogen auf den Tribünen kontrastierten lange mit dem flachen Niveau auf dem Rasen. Für die erste aufsehenerregende Situation sorgte Trainer Babbel kurz vor der Pause mit der Auswechslung von Pal Dardai, der nach über 14 Jahren seinen Abschied von Hertha nahm. Just während er mit seinem Sohn auf den Schultern seine letzte Runde auf der Tartanbahn drehte, erzielte Pierre-Michel Lasogga (45.) nach Torwartfehler von Simon Jentzsch das 1:0. In der etwas lebendigeren zweiten Hälfte waren die Herthaner nach dem Ausgleich der Gäste durch Stephan Hain (60.) etwas eifriger. Als der Augsburger Gibril Sankoh Rob Friend im Strafraum umriss, entschied Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus auf Rote Karte und Strafstoß. Levan Kobiashvili rundete mit dem 2:1 den Tag nach Geschmack der Hertha-Fans ab.
Der Zweitliga-Countdown, den Hertha auf seiner Homepage vor Saisonbeginn startete, ist abgelaufen. Nun soll es in der Bundesliga wieder bei null losgehen. Das neue Image der Bescheidenheit soll weiter gepflegt werden. "Wir müssen bodenständig bleiben", sagte Babbel.
Die meisten haben vergessen, dass der Verein schon vor zwei Jahren versuchte, sich ein neues Gesicht zu geben. Nach dem Abgang von Dieter Hoeneß läutete man bereits einen Kurs der Bescheidenheit ein. Der durch Spielerverkäufe vorangetriebene Sparkurs wurde aber zur Farce, mit dem Abstieg verschuldete sich der Verein noch mehr. Nun fängt man wieder von vorne an - mit einem noch kleineren Erstligaetat und einem noch bescheideneren Ziel: dem Klassenerhalt.