: Das Schweigen der Musikanten
„Straße ist Straße und keine Konzeptkunst“, behauptet Ulf Aminde in der GAK – und bringt beide in Videos zusammen
Es ist möglich, Ulf Amindes Ausstellung in der Galerie für Aktuelle Kunst (GAK) als Attacke auf den Kulturbetrieb und seine Institutionen zu sehen. Sie heißt „Straße ist Straße und keine Konzeptkunst“, hatte am Wochenende Eröffnung und besteht aus sechs, nein, sieben, nein – ach, zählen Sie doch selbst! –, besteht aus Videos, in Bremen aufgenommen, und die Drehorte sind: Die Kunsthalle. Die GAK selbst. Und, noch ein Beispiel: der Schlachte-Quai mit Blick auf die Weserburg, mit Blick also auch auf die Arbeit von Lawrence Wiener.
„AUF SAND GEBAUT TATSÄCHLICH AUF (AUS) ANDEREM GRUND“ hat der amerikanische Künstler die rötliche Steindossierung beschriftet, mit weißen Großbuchstaben, die, so heißt es in der Selbstdarstellung des Museums für Gegenwartskunst, „bereits von Außen ahnen lassen, dass sich Ungewöhnliches in diesem Gebäude befindet“. Das ist Konzeptkunst, und das Außen ist die Straße, die – behauptet Ulf Aminde – viel sein mag. Aber eben keine Konzeptkunst. Und was passiert, wenn man beide zusammenbringt?
Aminde hat das gemacht. Mit der Idee hat Aminde 2006 den Autoren- und Produzentenpreis des Jungen Theaters gewonnen, jetzt hat er sie realisiert: Der Plan war es, Menschen, die man so auf der Straße trifft, in Kunsträume zu lotsen. Und sie dabei zu filmen: Ihre Äußerungen. Ihr Umgang mit der vorgeschlagenen Rolle. Spontan-Performances – bei denen immer die Frage mitschwingt: Wozu eigentlich Kunst, Museen, Theater? Und: Ob man Straße und Kunst, ein paar Stiefel und die Mona Lisa, gegeneinander ausspielen kann.
Fragen sowohl gegen die Selbstbehauptung der Kunst als auch gegen die Selbstgenügsamkeit von Kulturverweigerern. Die Ausstellung in der GAK hat böse Pointen. Da lässt Aminde zum Beispiel Obdachlose den Tempel Kunsthalle stürmen. Sie robben sich in Schlafsäcken die Freitreppe hoch, was aussieht wie: Verdurstende vor der Oase. Sie erreichen den Eingang. Aber in der Fußmatte unter der Drehtür steckt ein Geldstück. Plötzlich ist aller Kunsthunger betäubt – und fiebrig kratzen sie die Münze aus dem Rost.
Manches überrascht: An der Schlachte hat er einen Mann gefunden, der mit schütterem Rauschebart an einen Tippelbruder, aber auch an Lawrence Wiener erinnert. Und der Mann von der Straße erklärt nun, dass und warum „Kunst immer auf Sand gebaut“ sein muss: Unbedingtes Risiko, die Möglichkeit des schnellen Vergehens und Vergessens, und die des ewigen Bestands – das ganze Konzept. Das berührendste aber ist das erste und letzte Bild im GAK-Entree. Man könnte es für ein Stand-Foto halten. Aber auch das ist ein zehnminütiger Loop. Während dieser zehn Minuten ruht das Kameraauge auf einer Gruppe Straßenmusikanten, direkt am Rathaus. Sie stehen da, halten die Instrumente in der Hand, sie treten ab und zu von einem Bein aufs andere. Und schweigen. bes
Ulf Aminde, Straße ist Straße und keine Konzeptkunst, GAK, Teerhof. Bis 19.8.