»Das Schöne bleibt«

■ Nichts Neues im Kempinski-Krimi — das Aktive Museum informierte

Unter dem jüdischen Namen Kempinski des 1937 »arisierten« Restaurant-Familienunternehmens firmiert seit 1970 ausgerechnet Hitlers ehemaliger Lieblingshotelkonzern, die ‘Hotelbetriebs AG‚. Die Angehörigen der Familie Kempinski wurden ins Exil getrieben oder in Konzentrationslagern ermordet. Der ehemalige »Arisierer« sitzt heute im Hotelvorstand.

Seit zehn Jahren kämpft Fritz Teppich gegen diese zweite »Arisierung«, den Mißbrauch des Namens und die damit einhergehende Geschichtsfälschung an. Engagiert hatte sich der Journalist, so erläuterte er auf einer Informationsveranstaltung des Aktiven Museums, »weil die Geschichte der jüdischen Familie Kempinski, ihre Vertreibung und Ermordung sowie die ‘Arisierung‚ ihres Vermögens dokumentiert werden muß.« Die Hotelbetriebs AG, wie das Hotel Bristol Kempinski bis 1970 früher hieß, habe sich »lange genug unter dem Namen Kempinski getarnt«. Zugleich sei die Geschichte der Familie Kempinski ein Beispiel für nicht existierende »Arisierungs-Geschichte« in Berlin, die am Kurfürstendamm jedes dritte Geschäft beträfe. »Wiedergutmachungen«, fehlende Erben und mangelhafte historische Aufarbeitung der Dokumente haben sie verhindert.

Eingestiegen war Fritz Teppich, der Bruder von Melanie Kempinski, erstmals 1980, als das Hotel nach einem Umbau mit dem Slogan: »Die Zeit vergeht — Das Schöne bleibt« zur Wiedereröffnung annoncierte. Teppich verfaßte eine ausführliche Darstellung der Familienchronik und kritisierte darin, daß durch Weglassungen in der Jubel-Chronik die »Geschichte verfälscht und zwecks Reklame« für den Konzern die Verfolgung und Vertreibung fortgewischt worden sei. »In der Haut der Ermordeten« hätte sich die Hotelbetriebs AG, einst ein nazitreues Unternehmen, »schamlos« breitgemacht, so Teppich auf der Veranstaltung.

Tatsache ist, daß der Name Kempinski »schamlos« von einem Hotelunternehmen, der ehemaligen Hotelbetriebs AG, für sich in Anspruch genommen wird, entpuppte sich doch deren Vorstandsvorsitzender aus den 50er Jahren, Paul Spethmann, als früherer »Arisierer« von Kempinski. Die Kempinskis führten bis 1936 drei große Restaurantbetriebe in Berlin: in der Leipziger Straße, am Kurfürstendamm und am Potsdamer Platz. 1937, nach der Olympiade, wurden die jüdischen Unternehmen brutal enteignet. Die Nazis legalisierten, besser tarnten die wirtschaftliche Ausplünderung als sogenannte »Arisierung«. Am 1. Juli 1937 wurde Kempinski zugunsten der Aschinger AG »arisiert«, die mit der Enteignung einen unliebsamen Rivalen aus dem Weg räumen konnte. Gleichzeitig riß sich der ehemalige Kempinski-Prokurist Werner Steinke die 1864 gegründete Firma »Handelsgesellschaft M. Kempinski&Co.« unter den Nagel.

Die Familie Kempinski entkam nur zum Teil der Ermordung. Frieda Unger, die Tochter des Firmengründers, flüchtete mit ihrer Familie in die USA. Die Familie Hans Kempinski, ein Neffe des Patriarchen, entkam nach England. Walter Unger wurde in Auschwitz ermordet, ebenso die Mutter und der Bruder von Fritz Teppich.

Der Nachkriegsskandal um das Vermögen Kempinski begann 1945, als der in den USA lebende Kempinski-Enkel Frederick W. Unger das Erbe für sich allein beanspruchte und dabei die in England lebenden Kempinskis kaltschnäuzig überging. Während die Miterben ausgebootet wurden, kam es mit dem »Arisierer« Steinke, der seit 1941 das Unternehmen allein führte, nur zu einem Vergleich. Nicht nur Steinke setzte seine unter den Nazis begonnene Karriere erfolgreich fort, ebenso konnte Paul Spethmann, Vorstandsmitglied bei Aschinger, in Kontinuität seiner Beziehungen zu »alten Kameraden« die Arbeit fortsetzen. Mit Steinke schloß er Vereinbarungen über wirtschaftliche Kooperationen. Die »Arisierer« arbeiteten wieder zusammen.

1950 baute die Firma als »Kempinski« ein Hotel am Kurfürstendamm. 1953 mußte das Unternehmen wegen finanzieller Schwierigkeiten aufgeben und — inclusive Namen — verkauft werden. Der Käufer war die Hotelbetriebs AG, die schon in den 20er Jahren an ihren Häusern die Fahnen in schwarz/weiß/rot hißte und sich Hitler als »politisches Generalquartier« andiente. Ergebnis: Rechtlich sauber behielt das Hotel den alten Namen Kempinski. Der jüdische Name — und Chiffre gastronomischer Extraklasse — wurde ein zweites Mal von einem nazibelasteten Konzern symbolisch »arisiert«. Paul Spethmann, der ehemalige »Arisierer« aus dem Aschinger-Vorstand, wurde Geschäftsführer bei Kempinski und Vorstandsvorsitzender der Hotelbetriebs AG. Alles ist wieder fest in deutscher Hand.

In einer Chronik aus dem Jahre 1987 stellte sich die Kempinski AG gar in die Kontinuität der Hotelbetriebs AG, indem behauptet wurde, seit 1897 sei »Kempinski« ein Hotel, was nicht stimmt. Ebenso fehlen in der Chronik der Hinweis auf die Enteignung, Ermordung und Vertreibung der Familie. Gipfel der Verdrängung aber sind die Beschönigungen der Nazizeit und die Sätze: »1942. Die Umsätze können gesteigert werden. Eine betriebsärztliche Betreung der Belegschaft wird eingeführt. Langjährige, nicht mehr arbeitsfähige Betriebsangehörige erhalten eine Zusatzrente«. Fritz Teppich übersetzt die Zeilen anders: 1942 sei die Familie »betriebsärztlich ins Gas« geschickt worden, die »Zusatzrente war in Wirklichkeit unsere Enteignung«.

Mit dem Rechtsanwalt Klaus Croissant und der Pfarrerin Horsta Krum versucht Teppich seit Jahren, die Öffentlichkeit über das Schicksal der Familie Kempinski zu interessieren, um moralisch Recht werden zu lassen, was Recht ist. Die Absagen reichen von der Jüdischen Gemeinde bis zum Bundespräsidenten, denen »das Erinnern und die Arbeit an der Vergangenheit«, wie es Krum formulierte, nur hohle Worte sind. Nicht zulassen will das Unternehmen die Anbringung einer Gedenktafel mit dem Text: »Das 1862 gegründete Unternehmen der jüdischen Familie Kempinski wurde 1937 ‘arisiert‚. Die Angehörigen der Familie wurden ins Exil getrieben oder in Konzentrationslagern ermordet. An der ‘Arisierung‚ Beteiligte wahrten selbst nach Kriegsende ihren den Juden geraubten Besitz. 1953 erwarb die Hotelbetriebs AG die Kempinski-Firmen. Das Unternehmen führt den Namen Kempinski AG.« Die Wahrheit war noch immer geschäftsschädigend. rola

Am Montag, dem 12.11.1990 um 15.00 Uhr, demonstriert Fritz Teppich vor dem Hotel Kempinski.