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Das „Rau–Land“ im Jubiläums–Rausch

■ Alle Länder werden 40 - eines feiert besonders enthusiastisch / SPD in NRW auf dem Wege zur Staatspartei / Oppositionsparteien wagen keinen Widerspruch / Geschicktester Wahlkampf seit Erfindung der PR

Von Jakob Sonnenschein

„Nordrheinwestfalen ist ein bißchen näher bei den Menschen von draußen“. Wer spricht so? Normalerweise ein „Landesvater“– satz, eine typische Rau–Diktion. Umso größer dann die Überraschung, daß der Satz ausgerechnet von einer Frau aus Rumänien stammt. Die Leute drängten sich am Samstag um den WDR–Übertragungswagen auf den Düsseldorfer Festwiesen am Rhein, als der Reporter Stimmen zu NRW einfing. Zwei Tage nach dem Flüchtlingsdeal mit der DDR soll sich ausgerechnet eine Ausländerin in dem von Rau regierten Land besonders wohlfühlen? Nun, hier sprach kein dunkelhäutiger Tamile, der sich um zurückgebliebene Leidensgenossen sorgte, sondern eine deutschstämmige Rumänin - in perfektem Deutsch. Nach NRW sei sie vor Monaten ausgereist, weil der Ruf des Landes „ein bißchen besser als der von Bayern“ sei. Den eigenen Lebensstil in der Abgrenzung zum Süden zu definieren, fiel den Menschen zwischen Rhein und Weser schon immer leicht. Was noch fehlte, war ein prägender, nicht von der Abgrenzung allein lebender Regionalismus. Kurz: Es mangelte an ei ner Landesidentität. Die erfanden die Sozialdemokraten: „Wir“ in NRW können glücklich sein, Rau und „unsere Partei“ zu haben. Fast alle der von den Alliierten gegründeten Länder werden in diesen Monaten vierzig - keines feiert so wie „Wir“. Während die SPD in Hessen wirbt: „40 Jahre Hessen, die SPD feiert“, heißt es in NRW schlicht „NRW–Fest“. Während in Hessen die Partei ruft, feiert hier das Land - und jedermann weiß, welche Partei dafür verantwortlich ist. Produktwerbung ohne Namensnennung. Die Idee ist allerdings ziemlich neu. 1982 wurde in Düsseldorf der „Verein der Freunde Nordrhein– Westfalens e.V.“ gegründet. Damaliger Vorsitzender: Johannes Rau. Schatzmeister: Bodo Hombach. Und die Ziele des Vereins: „Der Verein fördert alle Aktivitäten, die der Entwicklung und Ausbreitung eines Landesbewußtseins im weitesten Sinne dienen“, denn lange habe NRW kein „eigenes, starkes, für die Gemeinschaft erlebbares Landesbewußtsein“ bieten können. Das „Herz des Vereins“, so das Vorstandsmitglied der Ruhrkohle, Fritz Ziegler, der auch dem Vereinsvorstand angehört, sei Bodo Hombach. Drei Jahre später zog Rau nach einer nie dagewesenen „Wir– Kampagne“, inszeniert vom Wahlkampfleiter Bodo Hombach, als strahlender Sieger in die Staatskanzlei ein. Dort, unter Leitung des Chefs der Staatskanzlei, Klaus Dieter Leister, wurden die 40–Jahr–Feiern geplant. Während die CDU anfangs noch schüchtern davon sprach, hier werde systematisch geplante Wahlkampfhilfe für Rau geleistet, feiert sie nun, nach leidvollen Erfahrungen im letzten Wahlkampf, sichtlich gequält mit. Wer will schon als „Miesmacher“ dastehen, wenn die Idee zum Fest, der Aufruf zum Mitmachen, in den Gemeinden jeglicher politischer Coleur begeistert aufgenommen wird? Es waren Hunderttausende, die am Samstag die Festwiesen und am Sonntag während des Umzuges die Straßen in Düsseldorf bevölkerten. Bei herrlichem Wetter zogen 7.000 Mitwirkende, 52 „Motivwagen“, 48 Musikkapellen, Fanfarenzüge, Schützenvereine und Karnevalsgruppen aus dem gesamten „Rau–Land“ an „unserem Ministerpräsidenten“ vorbei. Strahlende Gesichter überall. Niemals wieder wird die CDU es wie im letzten Wahlkampf wagen, von einer Abstimmung mit Füßen zu sprechen.Und selbst die DKP wünschte am Samstag viel „Freude“ beim Feiern und nutzte die Gelegenheit, darauf hinzuweisen, daß der ersten CDU–Landesregierung immerhin zwei Kommunisten als Minister angehörten. „Versöhnen statt spalten“, „Miteinander statt gegeneinander“. Mit diesen Parolen hat die SPD sich - ähnlich wie die CSU in Bayern - aufgemacht, zur unantastbaren „Landespartei“ zu werden. Ein bißchen Arbeit wird aber bleiben. Noch sind ein paar Menschen irritiert. Wie jener Mann, der am Samstag vor dem großen Festzelt stand - „Einlaß nur mit Karten“ - und seiner Frau mit finsterem Blick erläuterte, „da kommste nich rein, das is nur für Bonzen“. Dabei feierten auf dem „Bürgerball“ doch nur „Wir und unser Ministerpräsident“....

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