: Das Rattern des Projektors
Carsten Knoop produziert Filme, verleiht sie und vor allem: Er führt sie vor. Darüber hat er einen Film gedreht: „Der Vorführ-Effekt“ ist bundesweit gelaufen. Ein Typ, der sich gerne in den Vordergrund rückt, ist Knoop dadurch aber nicht geworden: In keiner Filmszene taucht er selbst auf
Aus Hamburgvon Jennifer Neufend
Nein, besonders blass ist Carsten Knoop nicht. Auch wenn in die Vorführräume der Hamburger Kinos Metropolis und Lichtmeß kein Tageslicht gelangt. Vielleicht kommt es daher, dass Filmvorführer und Filmemacher Knoop passionierter Radfahrer ist. Und diese Sportlichkeit wirkt sich auch auf seine Beweglichkeit aus, immerhin ist der Mann schon beinahe 40 Jahre alt. Aber er sprintet die schmale, steile Leiter zum Vorführraum im Lichtmeß rauf und runter, um die Musik zu wechseln, die vor der Vorführung läuft.
Sein kleines Kino Lichtmeß in der Gaußstraße hat er fest im Griff. Er entscheidet, welche Filme laufen. „Der Film heute, Die Spielwütigen von Andres Veiel, ist eigentlich eine teure Eintrittskarte für meine Freundin Dorit Kiesewetter.“ Sie hatte den Film verpasst und wollte ihn gerne sehen. Daher hat Knoop ihn in das Programm aufgenommen.
Die Sachen fest im Griff haben, das scheint ein Lebensmotto von Knoop zu sein. „Vielleicht liegt es daran, dass ich ein Einzelkind bin“, sagt er lachend – mittlerweile sitzt er auf einem Barhocker, nippt ab und zu an seinem Flaschenbier. Sowohl bei seinen Filmproduktionen als auch im Lichtmeß sowie in den Vorführräumen ist er sein eigener Chef, „immer mit Unterstützung meiner Freundin, der Darsteller und von Freunden“. Knoop ist kein Typ, der sich in den Vordergrund rückt, aber „so richtige Teamarbeit ist nicht mein Ding“.
Geboren ist Knoop in Lünen, nördlich von Dortmund. Nach der Grundschule zogen er und seine Eltern in die Kleinstadt Soest. Erste Filmerfahrungen sammelte er mit der Super-8-Kamera seines Vaters.
„Im Urlaub durfte ich meine Eltern filmen“, erinnert er sich. Die Filmausrüstung hat sein Vater ihm mittlerweile geschenkt. Teile seines neuen Films Die kalte Wut des Makalu (Knoop: „ein gefaktes Bergdrama“) hat er mit der alten Kamera gedreht.
Nach dem Abi zog es Knoop nach Hamburg. Dort leistete er seinen Zivildienst, jobbte als Kurier für Jil Sander, deren Parfüm er heute noch trägt. „Nur leider muss ich jetzt im Laden teuer dafür bezahlen.“ Er fuhr Taxi, nachdem er die Prüfung beim zweiten Anlauf bestanden hatte, und betätigte sich als Theken-Kraft in der Altonaer Szenekneipe Treibeis.
„Mehrmals habe ich mich bei der Hochschule für bildende Künste beworben.“ Erst beim zweiten oder dritten Mal hat es geklappt, „so genau weiß ich das gar nicht mehr.“ 1991 begann er endlich sein Studium der visuellen Kommunikation. Im selben Jahr hatte er zusammen mit Freunden das Lichtmeß-Kino im Seifensiederraum der ehemaligen Kosmetikfabrik Dralle eröffnet, das zufällig genau neben dem Treibeis liegt. Dokumentarfilme, Kurzfilme und Experimentalfilme laufen dort, einmal in der Woche am Donnerstag. Eine nette Atmosphäre herrscht im Lichtmeß, nicht zu vergleichen mit der in den Kinofabriken, in denen die Hollywoodproduktionen laufen. Knoop lässt es sich nicht nehmen, seinem Publikum den Film vorzustellen. Dann rennt oder vielmehr klettert er wieder in seinen Vorführraum und führt den Film eigenhändig vor.
Er kommt auch bis nach dem Abspann nicht wieder aus der Kabine. Unten werde er nervös, sagt er. Oben, dort wo das Zelluloid durch die Vorführmaschine rattert, fühle er sich bei der Vorführung am wohlsten. Der Job des Vorführers braucht viel Konzentration, denn wenn jetzt etwas falsch läuft, der Film unscharf ist oder die falsche Maske benutzt wird, wird die Arbeit, die vorher in den Film gesteckt wurde, zunichte gemacht.
Die Perspektive des Projektionisten lautet der Titel seiner theoretischen Abschlussarbeit an der HfbK aus dem Jahr 1999. Weitaus bekannter ist jedoch sein Abschlussfilm: Der Vorführ-Effekt. Filmvorführer verschiedenen Alters und verschiedener Generationen werden interviewt. „Die Kollegen hatten so viel zu erzählen“, sagt Knoop, „ich habe das Zeug kassettenweise“. Irgendwie musste dieses Material auf ungefähr eine Stunde zusammengeschnitten werden. „Und ich wollte den Film nicht aus dem Off kommentieren.“
Auf die Idee, radfahrend den Film zu begleiten, eine Hand am Lenker und eine an der Kamera, kam seine Freundin. Damals hatte er noch keine Digitalkamera. „Ich konnte also nicht beim Filmen sehen, was ich filme.“ So waren einige Fahrten umsonst. „Erst zu Hause habe ich dann festgestellt, dass ich gar nicht im Bild bin.“
Sein Vorführ-Effekt ist ein Erfolg. In über 30 deutschsprachigen Städten lief er bisher, auf Festivals oder in kommunalen Kinos. „Viele Vorführer waren dankbar“, erzählt Knoop, „dass sie mal zum Thema eines Films gemacht werden“. Sie sind das letzte Glied in der Filmproduktion. Filmmensch Carsten Knoop nimmt an fast jedem Abschnitt dieser Kette teil: Er dreht, produziert, leiht aus und führt vor. Es ist ein Leben mit und für den Film.