■ Das Projekt: Italienische Lieder
Der Kindergarten der Italienischen Katholischen Gemeinde in Frankfurt am Main wurde 1970 gegründet. Für italienische Eltern war dies eine zusätzliche Möglichkeit, ihre Kinder unterzubringen, denn schon damals war es nicht einfach, einen Kindergartenplatz zu bekommen. Sie lebten in der Vorstellung, nach Jahren anstrengender Arbeit im Ausland nach Italien zurückzukehren, wo ein mit Ersparnissen gebautes Haus auf sie wartete. Der italienische Kindergarten war eine kleine Insel mitten in Frankfurt, auf der die Kinder von italienischen Schwestern des Franziskanerordens betreut wurden. Mit der Zeit erwies sich aber, daß die meisten Italiener hierblieben und mit ihnen ihre Familien. Auf die Kinder wartete nun die deutsche Schule. Manche Eltern versuchten das Problem zu umgehen, indem sie ihre Kinder in Italien zur Schule schickten und sie bei Verwandten wohnen ließen. Viele von ihnen kamen schon nach einigen Monaten, andere nach ein paar Jahren zurück. Daraus ergab sich, daß die schulischen Karrieren dieser Kinder oft katastrophale Züge annahmen. Der „Schock des Pendels“ zwischen zwei Kulturen und unterschiedlichen Schulsystemen war nicht leicht zu überwinden.
Die Konzeption des italienischen Kindergartens erwies sich als nicht mehr geeignet, die letztlich doch hier lebenden italienischen Kinder auf ein Leben in der deutschen Gesellschaft vorzubereiten. Die Eltern erkannten dies und frequentierten nun deutsche Kindergärten. Es folgten Versuche, auf die sich verändernden Lebensentwürfe der Italiener in Frankfurt auch konzeptionell zu reagieren. Durch die Tatsache, daß viele Italiener weg vom vorübergehenden Arbeitsleben hin zu einem dauerhaften Gesamtleben in Deutschland tendierten, mußte sich auch der Kindergarten öffnen.
Mittlerweile besuchen 42 Kinder aus unterschiedlichen Ländern den italienischen Kindergarten. Die größte Gruppe sind nach wie vor italienische Kinder. Aber es gibt auch deutsche Kinder, Kinder aus Indien, aus Polen oder aus Eritrea. Viele kommen aus binationalen Ehen, denn oft leben Migranten der zweiten Generation mit Partnern aus anderen Ländern. Italienisch-türkische, italienisch- spanische oder deutsch-marrokanische Kinder sind da keine Ausnahme mehr. Das Team ist auch „bunt“ geworden, eine deutsch-peruanische, zwei deutsche und zwei italienische Pädagoginnen und eine italienische Hauswirtschaftslehrerin arbeiten zusammen. Es hat sich eine große Sensibilität für andere Kulturen entwickelt. Ausländische Eltern und Kinder fühlen sich durch die Anwesenheit nichtdeutscher Mitarbeiterinnen in ihrer kulturellen Identität unterstützt. Als Vermittlerin, andere Denkweisen und Wertvorstellungen zu verstehen, kann die ausländische Pädagogin die Kommunikation zwischen Familie und Kindergarten erleichtern.
Die Umgangssprache für Kinder und Erzieherinnen ist Deutsch. Italienisch wird über Spiele und Lieder angeboten. Das Spielen und Singen auf italienisch ist ein Angebot, das auch von Kindern anderer Muttersprachen lustvoll angenommen wird. Das Anderssprechen, das Sichandersgeben erleben die Kinder als etwas Bereicherndes. So können sie mit Lust in ein alltägliches, selbstverständliches Leben mit anderen Kulturen hineinwachsen.
Marina Demaria,
Leiterin des Kindergartens der
Italienischen Katholischen
Gemeinde in Frankfurt/M.
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