■ Das Portrait: Ellis Huber
Bei Alfred Bioleks Personality-Show zum Thema Nestbeschmutzer war Ellis Huber am Dienstag abend in seinem Element. Der eloquente Präsident der Berliner Ärztekammer, der bei seinem TV-Auftritt der Pharmaindustrie „Bestechung“ der Mediziner vorwarf, gilt vielen Kolleginnen und Kollegen als ein Ärgernis. Mit einem Pfeifkonzert hatten im September die Delegierten des Ärztetags ihren einzigen obersten Standesfunktionär aus dem linksalternativen Spektrum empfangen – Quittung für dessen Eintreten für die umstrittene Gesundheitsreform. Das zum Jahreswechsel in Kraft getretene Gesundheitsstrukturgesetz könnte den 43jährigen nach sechs Jahren nun sein Amt kosten. In der Delegiertenversammlung der Berliner Ärztekammer sollte ihm gestern abend die Vertrauensfrage gestellt werden.
Einer Reform des Gesundheitswesens hat der Störenfried in der Gralsrunde der ärztlichen Besitzstandswahrer seit seiner Wahl im Januar 1987 das Wort geredet. Die Forderung nach einer Medizin, die den Einsatz von Apparaten und Pharmaka durch menschliche Zuwendung ersetzt, bringt der im Schwarzwald geborene Arzt mit sanfter Stimme auf medienwirksame Formeln. „Liebe statt Valium“ heißt eine davon. Voranbringen will der ehemalige Kreuzberger Gesundheitsstadtrat dieses Prinzip etwa durch eine Neuordnung der ärztlichen Gebührenordnung. Die neue Eindämmung der teuren Verschreibungswut hat Huber unterstützt.
hier Foto Nr. 27
Foto: taz-Archiv
Zu spät aber ist dem Chef der 20.000 Berliner ÄrztInnen klargeworden, daß Seehofers Gesetz die Zulassung junger Kollegen drastisch einschränkt – zumindest in solchen Regionen, in denen wie in Berlin die Ärztedichte über einem amtlich bestimmten Versorgungsgrad liegt. Und mehr Ärzte, die bessere Mediziner sein sollen, liegen Huber am Herzen. Öffentlich hat der Kammerpräsident deshalb Selbstkritik geübt und angekündigt, beim Kampf gegen die Zulassungsbeschränkung auch seinen Rücktritt als „letztes politisches Druckmittel“ einzusetzen.
Wenn die Berliner ÄrztInnen und Ärzte ihren Präsidenten aber, wie Insider erwarten, im Amt bestätigen, darf dies auch als Zeichen für einen Abschied vom Standesegoismus gedeutet werden. Der Nestbeschmutzer Huber, der Risiken so wenig scheut wie starke Worte, hätte ein neues Mandat für notwendige Provokationen gewonnen. Hans Monath
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