■ Das Portrait: Wolfgang Hilger
Seit auch das Paradepferd der deutschen Wirtschaft, die Chemieindustrie, die Gangart wechselte und vom verschärften Galopp in den verschleppten Trab überging, hat Wolfgang Hilger (63) die „Stolpersteine“ immer beim Namen genannt: Die Umweltschutzauflagen, so der (noch) amtierende Vorstandsvorsitzende der Hoechst AG, seien schuld daran, daß selbst die drei europaweit größten Chemiekonzerne auf deutschem Boden – Hoechst, Bayer und BASF – nicht mehr wie in den fetten Jahren mit Milliardenerträgen kalkulieren können: „Zu viel Umweltschutz – und zu teuer.“
Die Hoechst AG war schon immer ein Staat im Staate: größter Arbeitgeber in Hessen, größter Steuerzahler in Frankfurt und im Widerstand gegen Kontrollversuche diverser Landesregierungen auch größter Autarkist des Landes. Sollte Hilger – wie in dem vom braun-gelben toxischen Giftniederschlag betroffenen Frankfurter Stadtteil Schwanheim gefordert – tatsächlich bald vom Amt des Vorstandschefs zurücktreten, dann „aus Altersgründen“. Entsprechende Gerüchte kursierten bereits vor dem Störfall im Umfeld des Konzerns.
Hilger absolvierte bei der Hoechst AG eine Bilderbuchkarriere. 1958 eingestellt als Laborant im Konzernbereich Düngemittelherstellung, übernahm der Diplom- Chemiker und Dr.rer.nat. nur wenige Jahre später die Abteilung, wurde danach hier Foto Nr. 20
Foto: Frank Darchinger
Werksdirektor und dann Leiter des Geschäftsbereichs anorganische Chemikalien. Und nur 18 Jahre nach Beginn seiner Laufbahn bei Hoechst hatte sich Hilger schon einen Sitz im Vorstand des Weltkonzerns erobert. Im Juni 1985 löste er dann den Vorstandsvorsitzenden Sammets an der Konzernspitze ab.
Hilger sitzt in zig Aufsichtsräten nicht nur des verschachtelten Hoechst-Konzerns. Der gebürtige Leverkusener hat einen Lehrauftrag an der Frankfurter Universität und ist Mitglied im Senat der Max-Planck-Gesellschaft und der Akademie der Wissenschaften und Vorsitzender der Robert-Koch-Stiftung. Wolfgang Hilger – der ehrenwerte Unternehmensführer alter Schule. Wolfgang Hilger – der „Giftmischer“ der neuen Chemieschule mit ihren selbst den Herstellern in ihren Auswirkungen unbekannten Substanzen, der die Verantwortung nicht nur für die Verseuchung von Schwanheim zu tragen hat. Klaus-Peter Klingelschmitt
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