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■ Das PortraitHerbert Gruhl

Als er im April 1992 sein Buch „Himmelfahrt ins Nichts“ in Berlin vorstellte, urteilte ein alter Mann bitter: „Der Patient stirbt, deshalb braucht man auch keine Therapie mehr.“ Ganz offenkundig hatte der Pionier des Umweltbewußtseins die Hoffnung aufgegeben, daß die Rettung des blauen Planeten noch möglich sei. Vor zehn Monaten charakterisierte Herbert Gruhl in der taz einmal mehr die Menschen als „Sklaven des industriellen Systems“ und schloß mit der Feststellung: „Der Mensch geht an seiner jetzigen selbstgeschaffenen Ökonomie zugrunde, weil diese die ökologischen Gesetze unserer Erde nicht beachtet hat.“

Herbert Gruhl hatte nicht den skeptischen, aber ungebrochenen Optimismus eines Robert Jungk oder eines Hans Jonas. Gruhl, der an der Freien Universität Berlin mit einer Arbeit über Hugo von Hofmannsthal promoviert hatte, war auch nicht ein humanistischer Kosmopolit wie die beiden genannten deutsch-jüdischen Theoretiker der Ökologie, sondern ein Wertkonservativer, der in den letzten Jahren zunehmend deutsch-nationale Positionen vertrat. Gleichwohl ist seine Bedeutung – sowohl für Formulierung der ökologischen Schicksalsfrage, als auch bei der Gründung der Grünen – nicht zu unterschätzen.

Vom CDU-Abgeordneten zum ökologischen Pionier Foto: AP

Der am 22. Oktober 1921 in Gnaschwitz in der Oberlausitz als Bauernsohn geborene Gruhl trat 1954 in die CDU ein und wurde 1969 in den Bundestag gewählt. Als Vorsitzender der „Arbeitsgruppe für Umweltvorsorge“ geriet er schnell in Widerspruch mit dem bedingungslosen Industrialismus seiner Partei. Nachdem sein 1975 erschienenes Buch „Ein Planet wird geplündert“ zu einem Bestseller geworden war, trat er 1978 aus der CDU aus und gründete die Grüne Aktion Zukunft, die bald in die Grünen überging. Schon bei dem Gründungsparteitag zeigte sich jedoch, daß die neue Partei sein absolutes Primat der Ökologie nicht mittragen wollte. Gruhl trennte sich von den Grünen, gründete die Ökologisch Demokratische Partei, die lediglich in Süddeutschland geringe Erfolge erzielen konnte. 1990 trat er wieder aus der ÖDP aus und zog sich aus der Politik zurück. Am Samstag starb er in einem Regensburger Krankenhaus an einem Schlaganfall. Michael Sontheimer

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