■ Das Portrait: Hakki Keskin
What's the story? Was macht einen fünfzigjährigen Fachhochschullehrer so interessant, daß ihm die taz ihre Portraitspalte widmet? Seine Vorlesungen zur Ausländerpolitik? Sein am vergangenen Wochenende erworbener SPD-Hinterbänkler-Listenplatz 50 für die Hamburger Bürgerschaftswahl am 19. September? Seine Aktivitäten als Sprecher des „Bündnis Türkischer Einwanderer in Hamburg e.V.“?
Alles falsch. Die Story ist, daß etwas, das ganz alltäglich sein müßte, im Deutschland des Jahres 1993 noch immer eine Sensation darstellt: Erstmals darf ein Einwanderer mit deutsch-türkischer Doppelstaatsbürgerschaft in die Hamburger Bürgerschaft. Nach dreißig Jahren Einwanderung empfindet es eine Großstadt-SPD mit Tor- zur-Welt-Anspruch „mutig“, einen eingewanderten Genossen ins Stadtparlament zu lassen, weil „ein Türke auf der Liste“ sozialdemokratische Stammwähler den Reps in die Arme treiben könnte.
In seiner Bewerbungsrede brachte Keskin die Story auf den Punkt: „14 Prozent der Hamburger sind Einwanderer, die sich hier niedergelassen haben und hier auch dauerhaft leben werden.
Ein Deutschtürke demnächst in der Bürgerschaft?
Foto: Dirk Wildt
Auf Dauer wird der soziale Frieden in dieser Stadt gefährdet sein, wenn ein so großer Teil der Bevölkerung ohne staatsbürgerliche Rechte leben muß. Deutschland ist längst ein Einwanderungsland geworden, auch wenn das manchem in diesem Lande nicht paßt.“
Hakki Keskin wurde 1943 in Macka geboren. 1965 zog er nach Deutschland und studierte in Hamburg und Berlin, wo er 1976 promovierte. Bereits 1975 trat er in die SPD ein. Nach dem Studium arbeitete er als Mitarbeiter des türkischen Staatspräsidenten Ecevit, bis ihn die Machtergreifung der Militärs zurück nach Deutschland zwang. Seit 1982 ist er Hochschullehrer in Hamburg. Er beteiligte sich an der Gründung eines breiten Bündnisses von Einwanderern, die sich aktiv um ihre Position und Rechte in Deutschland kümmern.
Darin unterscheidet er sich von anderen Einwanderergruppen, denen die politischen Verhältnisse in ihren Herkunftsländern wichtiger sind als ihr Status in Deutschland. Keskin gilt manchen Kritikern aus den Reihen der Einwanderer deshalb als Anpasser. Ein Mann zwischen den Kulturen und Stühlen: ein Deutschtürke eben. Florian Marten
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