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■ Das PortraitJavier Sotomayor

Gern erzählt Boris Becker die Geschichte von dem perplexen Lastwagenfahrer, der den trampenden Tennisstar mitnahm, als dieser mit dem Auto liegengeblieben war. Den Fahrzeugbesitzern von Havanna kann es fast täglich widerfahren, daß ihr sportlicher Nationalheld mit ausgestrecktem Daumen am Straßenrand steht. Allerdings nicht, weil Javier Sotomayor etwa eine Autopanne hätte. Der Hochsprung-Weltrekordler, Olympiasieger von 1992 und Abgeordneter der Nationalversammlung, besitzt gar kein Auto und kann sich auch keines leisten, denn seine Antrittsgelder kassiert der sozialistische Staat. So fährt er mit seiner Frau María del Carmen García Luis, ebenfalls Hochspringerin, von der Wohnung nahe der „Plaza de la Revolución“ jeden Tag mit dem „Guagua“, dem Autobus, zum 20 km entfernten Trainingsgelände. Und wenn der Bus nicht kommt, eben per Anhalter.

Nicht erst, seitdem die „Katze von Limonar“ letzte Woche in Salamanca den Weltrekord auf 2,45 Meter schraubte, gilt der 25jährige mit dem explosiven Absprung als Topfavorit für die Weltmeisterschaften im August in Stuttgart, was María del Carmen mit großer Hoffnung erfüllt. Für den Sieger gibt es dort nämlich nicht nur eine güldene Medaille, sondern auch eine Limousine aus den Beständen einer schwäbischen Autofirma. „Das könnte unsere Transportprobleme lösen.“

„El Soto“: Katze, Champion und Revolutionär Foto: Reuter

Schon als Kind feierte Sotomayor, der nicht raucht, keinen Kaffee trinkt, aber das Bier liebt, vermutlich eine Hinterlassenschaft seiner fröhlichen Kollegen Thränhardt, Sjöberg und Mögenburg, sportliche Erfolge und wurde von seinen Großeltern „campeón“ genannt. Mit 14 hüpfte er über zwei Meter, dann ging es nur noch aufwärts. Kurz vor den Olympischen Spielen von Seoul 1988 stellte er, ebenfalls in Salamanca, mit 2,43 Meter seinen ersten Weltrekord auf. Niemand hätte ihn wohl bei Olympia schlagen können, doch Castro verordnete aus Solidarität mit Nordkorea einen Boykott der Spiele. Sotomayor nahm es gelassen: „Wir revolutionären Sportler haben unsere eigenen Kriterien und Ideale.“ In Barcelona hielt er sich schadlos und bekam dafür von Fidel eine Klimaanlage und einen Kühlschrank gestiftet. Eine Limousine hatte jedoch selbst der „Maximo Lider“ nicht zu bieten. Matti Lieske

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