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■ Das PortraitV. de Nascimento

Engagiert für Brasiliens Straßenkinder Foto: Jens Holst

Er lebt im Angesicht des Todes. Weil Volmer de Nascimento die Ermordung von Straßenkindern in Brasilien denunzierte, bekam der ehemalige Leiter der brasilianischen Bewegung für Straßenkinder (MNMMR) in Rio de Janeiro regelmäßig Morddrohungen. Nun hat ihn die brasilianische Justiz mundtot gemacht: Seit dem 17. Juli sitzt der 42jährige Sozialarbeiter im Gefängnis von Itaperuna und teilt mit sieben weiteren Häftlingen eine Zelle ohne Pritsche. Die Verfolgungsjagd auf Nascimenmto begann im April 1991, als er von einem Abendessen nicht zurückkam. Nach sieben Tagen tauchte der Totgesagte wieder auf und erklärte, er sei entführt worden. Die Umstände dieser „Entführung“ sind bis heute nicht geklärt. Die Justiz verwandelte das Opfer in einen Angeklagten: Die Richter warfen Nascimento vor, die Entführung selbst inszeniert zu haben und verurteilten ihn wegen „falscher Strafanzeige“ zu einem Monat Gefängnisstrafe. Als Nascimento die Richter beschuldigte, sie steckten hinter der „Entführung“ und drückten zudem gegenüber Todesschwadronen, die Straßenkinder umbringen, beide Augen zu, war es aus: Die „schwere Beleidigung“ brachte ihm eine vierjährige Haftstrafe ein.

Dabei wurde Nascimento das politische Bewußtsein nicht in die Wiege gelegt. Sein Vater, ein Hafenarbeiter, befürwortete die brasilianische Militärdiktatur (1964–1985). Sohn Volmer begann seinen Kampf für eine gerechtere Gesellschaftsordnung im Alter von 15 Jahren als Mitglied einer Bauarbeitergewerkschaft. 1980 wurde er in seiner Heimat Espirito Santo zum stellvertretenden Vorsitzenden der kommunistischen Partei Brasiliens gewählt.

Mit 34 Jahren kehrte Volmer seiner Heimat den Rücken und begann im Rio-Vorort Duque de Caxias als Streetworker zu arbeiten, wo er ein offenes Heim für Straßenkinder leitete. Seit 1986 koordinierte er die Arbeit der Bewegung für Straßenkinder und gewann dadurch internationales Ansehen. Die Festnahme ihres Vorsitzenden hat die Bewegung gelähmt, er selbst ist durch den Gefängnisaufenthalt innerlich zerbrochen. Der MNMMR hat ein „Habeas corpus“ beantragt. Die Aussichten, daß Nascimento seine Strafe in Freiheit absitzen kann, stehen nicht schlecht. Astrid Prange

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