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■ Das PortraitHans van Mierlo

Hollands heimlicher Wahlsieger V. Mentzel

Von Anfang an, das heißt seit jenem „demokratischen Aufbruch“ im Jahre 1966, war er das Hätschelkind der Medien, der „niederländische Kennedy“. Hans van Mierlo (62), der älteste Spitzenkandidat bei den Wahlen vom vergangenen Dienstag, hatte, wie er vor kurzem in einem Interview sagte, eigentlich keine politischen Ambitionen. Der 1931 in Breda geborene Jurist wollte Schauspieler werden, arbeitete jedoch nach dem Studium zunächst als Journalist.

Anlaß für die Gründung seiner jetzt so erfolgreichen linksliberalen „Demokraten 66“ war das Runde-Tisch- Gespräch, das er 1966 anläßlich der „Provo“-Unruhen in Amsterdam für seine Zeitung organisiert hatte. Während der Debatte über jenen Vorläufer der Studentenbewegung spürte van Mierlo, daß es sich hier nicht nur um eine Handvoll „antiautoritärer junger Spinner“ handelte, sondern daß das ganze, von konfessionellen Säulen getragene politische System ins Wanken geraten war.

Bei der Gründung von D66 am 30. April 1966 war van Mierlo der jüngste Spitzenkandidat. Grund: Er fand als einziger auf Anhieb keine Ausrede. Angetreten war die Partei, um die verkrusteten politischen Strukturen zu torpedieren – und sich anschließend wieder aufzulösen.

Was folgte, war jedoch der lange Marsch durch die Institutionen, ein Auf und Ab in der Wählersympathie. 1972 büßten die als Eintagsfliegen abqualifizierten Demokraten 66 fünf Parlamentssitze ein, 1973 trat van Mierlo als Fraktionschef zurück, 1977 dann der – vorläufige – Abschied vom politischen Geschäft. Weil er, wie er in der später sagte, seine eigenen politischen Floskeln nicht mehr ertragen konnte. „Macht bedeutet mir nichts, sie kostet dich nur die Freiheit“, sagt heute der Mann, der 1981 in einer Parteienkoalition Verteidigungsminister geworden war und ab 1986 den Aufstieg seiner D66 mitverfolgen konnte. Immerhin findet van Mierlo die Machtfrage „heute wieder so schwierig und spannend wie 1966“.

Weswegen er auch gerne dabeisein möchte. Nach dem jüngsten Wahlergebnis (D66 konnten ihre Mandate von 12 auf 24 verdoppeln, „Wahlsieger“ PvdA rutschte ab auf 37) wird an ihm kein Weg vorbeiführen. Er dürfte, wie immer die wahrscheinlich langwierigen Koalitionsverhandlungen ausgehen mögen, neben einem sozialdemokratischen Ministerpräsidenten der zweitwichtigste Mann im Lande werden. Und die Niederländer gönnen es ihm. Henk Raijer

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