■ Das Portrait: Lili Gruber
„La rossa“, die Rote: Nicht nur ihrer Haarfarbe wegen wird sie so genannt. Vielen gilt sie auch so etwas wie die letzte Bannerträgerin eines aggressiven linken Journalismus, der moderne Präsentation mit einer noch immer nicht versiegten Sensibilität für die Zukurzgekommenen und ins Abseits Gedrängten verbindet – und die sich über ihre Alltagsarbeit hinaus politisch engagiert.
Lili Gruber, 37jährige Tagesschauredakteurin, Auslandsreporterin und Moderatorin von Politmagazinen, steht derzeit wieder einmal im Rampenlicht: Sie führt den Aufstand des staatlichen Fernsehens RAI gegen die Gleichschaltungspläne der Regierung an. Derlei Bataillen hat die aus einer eher konservativen Bozener Familie stammende Lili Gruber – der Vater war Minister Mussolinis – schon öfter geschlagen: Ende der 80er Jahre führte sie den Aufstand der Frauen in der RAI gegen den Machismo der dortigen Herrscher an; Anfang der 90er Jahre sammelte sie die über ständige politische Einmischungen empörten KollegInnen um sich und brachte den damaligen Tagesschauchef Bruno Vespa durch ein Mißtrauensvotum der Gesamtredaktion zu Fall.
Doch Lili Gruber hat beim Volk aus vielerlei Gründen eine sehr gute Nummer, und das keineswegs nur, weil sie stets zu den schönsten
Italiens streitbare Journalistin Foto: taz-Archiv
Frauen des Landes gezählt hat: Sie hat meist viel mehr Mut als ihre männlichen Kollegen bewiesen. So fiel sie den Machthabern in Ostberlin wegen einiger Reportagen so unangenehm auf, daß sie festgenommen und stundenlang verhört wurde. Während des Irak-Feldzuges war sie eine der ersten im Kampfgebiet, verweigerte die Ausführung von Rückzugsbefehlen ihres eifersüchtigen Kollegen Fabrizio Del Noce und brachte später, als nur noch CNN-Berichte aus dem Irak kamen, derart lebensnahe Bilder vom Grenzgebiet mit, daß man Peter Arnett gerne vergaß.
Schiefgegangen ist ihr bisher wohl nur eines. Während des letzten Wahlkampfs moderierte sie die Vorstellung der Parteien im ersten Kanal, und da wurde sie mit der Überheblichkeit insbesondere der Berlusconi-Abgesandten, der Neofaschisten und der norditalienischen Ligen nicht fertig. Dennoch bleibt Lili Gruber unangefochten die einzige Gegnerin Berlusconis, die dieser ernst nimmt. Und auf der schwarzen Liste sofort zu Entlassender bei der Machtübernahme in der RAI steht sie denn auch ganz oben. Werner Raith
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