■ Das Portrait: Jack Charlton
„Gebt mir erst mal eine Zigarette“, verlangt Jack Charlton stets auf Pressekonferenzen nach den Spielen seiner irischen National-Kicker. Die JournalistInnen wissen, daß sie dann genau eine Zigarettenlänge Zeit haben, um ihre Fragen zu stellen. Danach brauche er dringend ein Glas Guinness, erklärt der Engländer Charlton, und die irischen Presseleute verstehen das. Längst hat man ihm sein Geburtsland verziehen: Im Mai hat ihm Dublin als erstem Engländer in diesem Jahrhundert die Ehrenbürgerwürde verliehen.
Als der Bergarbeitersohn vor acht Jahren seinen Job antrat, war er noch mit Plakaten empfangen worden, die ihn in seine englische Heimat verwünschten. Die „Giraffe“, wie er aus anatomischen Gründen genannt wird, eroberte sich jedoch die Herzen der irischen Fans bei den Europameisterschaften 1988 mit dem Sieg über Erzfeind England – für den 59jährigen eine Genugtuung, hatte der englische Verband doch auf seine Bewerbung nicht einmal geantwortet. Später sagte Charlton trotzig: Ein Job, bei dem ständig ein falscher Paß nebst Fluchtwagen bereitstehe, interessiere ihn gar nicht.
Sowohl Charlton als auch der irische Fußballverband konnten sich durch die Erfolge sanieren. Die „Giraffe“, die 21 Jahre bei Leeds United gespielt hatte und mit England 1966 Weltmeister geworden war, brachte es erst
Die „Giraffe“ Foto: Reuter
in Irland zum Millionär. Und der irische Verband, der Anfang der 80er Jahre beinahe Konkurs anmelden mußte, ist saniert. Das ganze Land ist zu Anhängern der „Boys in Green“ geworden, selbst Freundschaftsspiele sind ausverkauft, und die Zahl der aktiven Spieler hat sich seit Charltons Amtsantritt auf 160.000 verdoppelt.
Charlton betrieb damals zunächst Ahnenforschung. Sämtliche Spieler der irischen Mannschaft verdienen ihr Geld in der englischen und schottischen Liga, rund zwei Drittel sind in Großbritannien geboren. Wenn Charlton bei seiner Suche nach guten Fußballern auf eine irische Großmutter stieß, wurde der Spieler kurzerhand mit einem irischen Paß ausgestattet. So naturalisierte er sich ein schlagkräftiges Team zusammen. Das sei gerecht, meinte Charlton. Schließlich seien Generationen von Iren aus wirtschaftlichen Gründen zur Auswanderung gezwungen gewesen. Egal wie die Mannschaft bei der Weltmeisterschaft in den USA abschneidet – die Heimkehr wird zu einem rauschenden Fest von südamerikanischer Prägung. RaSo
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