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■ Das PortraitKarola Bloch

Sie war fast neunzig Jahre geworden, und bis vor wenigen Wochen stellte sie ihren Besuchern – bei Zigaretten und Kaffee – ihre immer wiederkehrende Frage: „Was gibt es Neues in der Welt?“ – Aufmüpfige Neugier hat die Architektin, Marxistin und politische Publizistin Karola Bloch zeitlebens angetrieben. Sie war eine Streiterin, geradeheraus, warmherzig und voller Humor.

Geboren wurde sie am „Blutigen Sonntag“ der ersten russischen Revolution 1905 im polnischen Lodz. 1917 erlebte sie auf dem Roten Platz in Moskau das Glücksgefühl der Menschen über das Ende der zaristischen Herrschaft. In Berlin studierte sie Architektur und geriet unter den Einfluß des Bauhauses. Trotz großer Bedenken trat sie 1932 in die KPD ein, weil sie darin die einzige Perspektive im Kampf gegen den Nationalsozialismus sah. Zwar mußte sie nach 1933 fliehen, doch arbeitete sie Mitte der dreißiger Jahre im illegalen Untergrund. Mit falschem Paß fuhr die polnische Kommunistin und Jüdin an der SA und SS vorbei und gab sich als „Olga“ aus. Im KZ Treblinka wurden ihre Eltern und Angehörigen ermordet.

Ihr Exil brachte sie über Zürich, Wien, Paris, Prag, New York schließlich in die junge DDR nach Leipzig. Sie geriet bald mit Ulbricht und Hager aneinander und stellte sich mutig auf die Seite des polnischen und des ungarischen Aufstandes 1956. Als „polnische Chauvinistin“ wurde sie darauf aus der SED ausgeschlossen.

1961 ging sie mit ihrem Mann Ernst Bloch in den Westen. Die „rote Karola“ ließ schon bald wieder von sich hören. Sie freundete sich mit Rudi Dutschke an und begrüßte die Tomatenwürfe auf die konservativen ProfesKarola BlochFoto:

Erika Sulzer-Kleinemeier

soren. Vom Parteikommunismus wollte sie nichts mehr wissen. Sie arbeitete in der neuen Linken, gründete eine Straffälligenhilfe, engagierte sich in der Friedens- und Frauenbewegung.

Nach dem Sieg der Sandinisten reiste sie zu Ernesto Cardenal. Ihr Herz schlug für Solidarność, für die Charta 77 und Praxis-Gruppe in Zagreb. Sie hoffte auf Gorbatschow und stand 1989/90 politisch an der Seite des „Hauses der Demokratie“ in Leipzig. Als die PDS Karola Bloch ihre „Rehabilitierung“ mitteilte, gab sie zurück, es müsse „noch geklärt werden, wer hier wen zu rehabilitieren habe“.

Karola Bloch starb am letzten Sonntag. Am kommenden Montag wird sie auf dem Bergfriedhof Tübingen neben Ernst Bloch begraben. Welf Schröter

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